Keine Dracheninvasion bedroht die Welt von Kingdom Come: Deliverance, kein dunkler Zauberer erweckt die Toten - dennoch schaufeln die Kickstarter-Unterstützer in nur drei Tagen fast 500.000 Dollar in die Entwicklertaschen, um das Kickstarter-Rollenspiel zu finanzieren. Einen derartigen Ansturm hat die Schwarmfinanzierungs-Plattform lange nicht erlebt, auch die Entwickler sind baff.
Als wir mit Daniel Vávra sprechen, lacht der Kopf hinter Kingdom Come und ehemalige Mafia-Autor:»Wir waren auf den Erfolg nicht vorbereitet«, gesteht er: »Wir hatten keine Stretch Goals, wir hatten nicht mal jemanden, der sich um die Fragen der Community kümmert.«
Dass ein Rollenspiel ohne Fantasy-Elemente derart gut ankommt, war offensichtlich keine Selbstverständlichkeit, vor allem für etablierte Publisher, bei denen Vávra und sein neues Studio Warhorse mit ihrer Idee abblitzten. Anonyme Investoren konnte das Team zwar auftreiben, allerdings waren selbst die skeptisch und wollten erst durch das Kickstarter-Votum überzeugt werden.
Prompt gab's analog zum Spendensammel-Erfolg auch zahlreiche ermutigende Spieler-Kommentare, natürlich auch auf GameStar.de: »Auf so ein Spiel warte ich schon, seit ich einen PC zuhause stehen hab!«, frohlockt ein Forist. »Klasse. Endlich mal ein überzeugendes Statement gegen den zehn Millionen mal durchgekauten Fantasy-Brei«, stimmt ein anderer mit ein.
Offensichtlich ist es nicht nur der magische Schnickschnack, der aus Skyrim einen Rollenspiel-Hit gemacht hat, sondern die frei erkundbare, glaubwürdig inszenierte, mittelalterliche Welt, die Spieler in ihren Bann zieht. Mal abgesehen von Wachen mit Pfeilen im Knie.
Und es verkauft sich doch!
Das reine, historische Mittelalter kommt auch ohne Monster und Magie gut an - was die Publisher nicht glauben wollten, bestätigen erfolgreiche PC-Schwert-und-Schild-Spiele wie Mount & Blade oder auch der beliebte Total War-Oldie Medieval 2. Entsprechend übertrumpft Kingdom Come in den ersten Tagen auf Kickstarter sogar Star Citizen, den Koloss unter den spielerfinanzierten Hoffnungsträgern. Die Rittermär der Tschechen verbucht am ersten Tag 311.000 Dollar, Chris Roberts kratzt für sein geplantes Weltraum-Epos im gleichen Zeitraum nur 95.000 Dollar zusammen.
Im Langzeitvergleich müssen sich die Panzerreiter allerdings geschlagen geben, denn als nach 72 Stunden die angepeilten 492.000 Dollar auf dem Zähler stehen, steigt die Spendensumme nur noch schleppend. Das Ziel ist erreicht, nichts mehr zu spenden legitim, dass der anfängliche Ansturm so rasant abebbt liegt aber vor allem liegt aber vor allem an den, sagen wir mal, verschrobenen Stretch Goals. Für 665.000 Dollar versprechen die Tschechen authentische mittelalterliche Musik, die zur Atmosphäre beitragen mag - ob man dafür allerdings lieber den Geldbeutel zückt, darf bezweifelt werden.
Auch ein weiblicher Hauptcharakter (996.000 Dollar) und Motion-Capturing für die Schwertkämpfe (1,16 Millionen Dollar) sind nun nicht gerade die Kampagnen-Zugpferde schlechthin.. Egal, finanziert ist Kingdom Come damit definitiv, die Investoren sind überzeugt, Daniel Vávra hat sein Ziel erreicht. Und jetzt geht die Arbeit erst richtig los, denn die Tschechen wollen sich an den Rollenspiel-Granden orientieren, an der Offenheit von Skyrim und Mount & Blade, dem Skill-basierten Kampfsystem von Dark Souls, dem freien Talentsystem der Fallout-Serie, der nicht-linearen und doch freien Geschichte von The Witcher. Große Pläne also, aber dadurch natürlich auch vielversprechende.
Das ganz andere Mittelalter?
Um die hochgesteckten Ziele - und die Erwartungen der Fans - zu erfüllen, haben Vávra und sein Team noch fast zwei Jahre Zeit. Viele Elemente von Kingdom Come sind aber immerhin schon so weit, dass wir sie uns bereits bei einem Entwicklerbesuch vor dem Kickstarter-Startschuss ausführlich ansehen konnten. Mit einem Vorurteil über das Mittelalter möchten die Jungs von Warhorse gleich zum Beginn aufräumen: Das 15. Jahrhundert war nicht nur braun und grau, in der neun Quadratkilometer großen Spielwelt erleben wir nicht nur Krieg und Gewalt.
Stattdessen lässt die Cry Engine 3 das Spätmittelalter in satten Farben erstrahlen. »Die damalige Zeit war ziemlich bunt,« erklärt Vávra, »auch die Klamotten. Die Leuten liebten helle Farben. Natürlich spielt Kingdom Come zu Kriegszeiten und wird dementsprechend dreckig aussehen, aber wenn der Spieler in eine Stadt kommt, die nicht vom Konflikt betroffen ist, wird er einen schönen, bunten Ort erleben.« Zudem sind viele der Orte, die wir im späteren Spiel besuchen werden, realen Schauplätzen nachempfunden. Das Team hat sogar Archäologen hinzugezogen, um die teils in Ruinen liegenden, teils für moderne Zwecke umgebauten Gebäude.
Der Spieler kämpft sich also nicht von fiktiver Burg zu fiktiver Burg, sondern durchstreift eine lebendige Welt, in der jeder Einwohner seinem eigenen Tagesablauf folgt. Den können wir auch beeinflussen, indem wir beispielsweise Faktoren wie den abendlichen Kneipenbesuch durch das, nun ja, unerwartete Ableben des Wirts ausschalten. Gut so, die Glaubwürdigkeit einer Welt hängt nicht zuletzt davon ab, dass sie nicht nur Schwarz-Weiß-Szenarien zeichnet. Um den Krieg herumkommen werden wir jedoch nicht, immerhin soll Kingdom Come eine zentrale Geschichte erzählen.
Die Entwickler wollen dem Spieler dabei lediglich die Freiheiten zugestehen, die eine Person in seiner Rolle wirklich gehabt hätte. Den Aufstieg vom heimatlosen Schmied zum Feldherrn werden wir deshalb nicht erleben, genauso wie wir auch die Eckdaten der historischen Ereignisse nicht verändern können. Die ganz großen Entscheidungen nimmt uns Warhorse also ab, seine Vision vom großen Ganzen will Vávra aus spielerischen Gründen nicht vollständig in die Hände der Spieler legen.
In Quests verlagern wir das Kräftegleichgewicht vor Schlachten zwar beispielsweise durch das Abfangen von Konvois auf unsere Seite, die große Politik bleibt uns jedoch, vor allem im ersten von insgesamt drei geplanten Akten, verschlossen. Veröffentlicht werden sollen die Kapitel separat und mit rund 9 Monaten Abstand, zur Veröffentlichung enthält Kingdom Come nur das erste.
Nur angemeldete Benutzer können kommentieren und bewerten.
Dein Kommentar wurde nicht gespeichert. Dies kann folgende Ursachen haben:
1. Der Kommentar ist länger als 4000 Zeichen.
2. Du hast versucht, einen Kommentar innerhalb der 10-Sekunden-Schreibsperre zu senden.
3. Dein Kommentar wurde als Spam identifiziert. Bitte beachte unsere Richtlinien zum Erstellen von Kommentaren.
4. Du verfügst nicht über die nötigen Schreibrechte bzw. wurdest gebannt.
Bei Fragen oder Problemen nutze bitte das Kontakt-Formular.
Nur angemeldete Benutzer können kommentieren und bewerten.
Nur angemeldete Plus-Mitglieder können Plus-Inhalte kommentieren und bewerten.