Wieviel Hardcore, wieviel Casual?
Die Choreographien für die Kämpfe hat sich Warhorse bei echten Schwertmeistern abgeschaut, die wiederum nach alten Fechtbüchern aus dem Mittelalter kämpfen. Die Entwickler wissen allerdings auch, dass sich dieser Kampfstil vor allem auf die höheren Gesellschaftschichten erstreckte, Bauern und Banditen sprangen mit ihren Feind ganz anders um als die adligen Herrn. Ob sich so vollkommen ungleiche Kampfstile bis zur Veröffentlichung umsetzen lassen, ist aber noch ungewiss. Zumal auch das derzeitige Prügelsystem noch nicht ansatzweise fertig ist.
Eine Sache ist allerdings relativ sicher, die Kämpfe werden sich nicht nur an Schwertvirtuosen richten, um Kingdom Come auch für Fechtanfänger spielbar zu machen. So lassen sich etwa Rüstungsteile zerstören und Gliedmaßen verletzen, - unser Held ist davon nicht ausgenommen - sofort tödliche Treffer und komplett abgetrennte Körperteile soll es aber nicht geben, obwohl sie realistisch wären. Dass zu viel Hardcore abschrecken kann, weiß Daniel Vávra aus eigener Erfahrung: »Es gab auf der Playstation ein Samurai-Spiel, das wirklich gnadenlos war. Ein Treffer am Bein und man konnte sich nicht mehr bewegen. Man konnte noch mit dem Schwert zuschlagen, aber lag im Wald herum. Das Spiel war so hart, dass ich nie länger als zehn Minuten durchgehalten habe.«
Der Umkehrschluss sind aber keine simplen Casual-Kämpfe, Vávra und sein Team orientieren sich eher an Fallout: New Vegas. Selbst mit einem verkrüppelten Bein wird der Spieler noch bis in die nächste Stadt und zum Heiler humpeln können, nur eben wesentlich langsamer als mit gesunden Stelzen. Unverwundbar sind wir deshalb aber nicht, gerade in den größeren Gefechten mit etlichen Streitern müssen wir vorsichtig vorgehen.
Die Konkurrenz: Mount & Blade Grafisch altbacken, umständlich zu steuern, aber doch absolut suchterzeugend - das türkische Entwicklerstudio TaleWorlds Entertainment setzt 2008 mit Mount & Blade für den PC Maßstäbe für das Mittelalter-Genre. In der rauen Spielwelt Calradia schlägt sich der Spieler mit Handel, Turnierkämpfen oder im Dienst eines Fürsten durch und greift - genügend Ehrgeiz vorausgesetzt - irgendwann selbst nach der Krone. Mount & Blade: Warband verpasst dem Spielgefühl des ersten Teils 2010 den dringend benötigten Feinschliff und verschafft der Serie eine treue Fan-Gemeinschaft, die das Spiel regelmäßig mit aufwändigen Mods versorgt. Auch der Mehrspieler-Modus begeistert: gemeinsam mit Dutzenden anderen Spielern belagern wir Burgen oder geben dem gegnerischen Team in der Feldschlacht auf den Topfhelm. Mount & Blade: Fire and Swordversetzt das Spielprinzip der ersten beiden Teile in die reale Welt, in Osteuropa kämpfen Polen, Schweden und Russen um die Vorherrschaft. Vom zweiten Teil der Serie, Bannerlord, gibt's bisher nur eine Handvoll Screenshots, die Fans warten jedoch sehnlich auf einen neuen Trip ins virtuelle Mittelalter.
Mini-Spiele im Maxi-Pack
Freies Talentsystem, packende Kämpfe und eine glaubwürdige Welt versetzen uns schon mal in Vorfreude auf die ersten Ausflüge ins Königreich, allerdings gibt es auch noch genügend offene Fragen. Dass viele Spielelemente noch nicht fertig sind, geschenkt! Viel eher sorgen wir uns um zwei Dinge: Minispiele und die Vollständigkeit von Kingdom Come. Das erste Problem ergibt sich aus dem eigentlich hehren Ziel, den Spieler niemals aus der Illusion zu reißen. Er soll beispielsweise beim Schmieden oder Kochen (ja, beides darf man) niemals auf ein schnödes Menü stoßen, das nicht zur Mittelalterwelt passt. Stattdessen müssen wir Rohlinge in Form bringen und Klingen am Schleifstein zu vollwertigem Kampfwerkzeug machen.
So gut diese Spielereien auch gemacht sein mögen, für einfache Tätigkeiten immer wieder die gleichen Abläufe wiederholen zu müssen, klingt in unseren Ohren nicht besonders spannend. Um keine Langeweile aufkommen lassen, sollen die Intermezzi mit steigendem Fertigkeitslevel kürzer ausfallen und - bei entsprechendem Ressourceneinsatz - gleich mehrere Gegenstände des gleichen Typs abwerfen. Laut Vávra gab es zur angekündigten Minispiel-Flut bisher keine negativen Rückmeldungen aus der Community, höchstens konstruktive Kritik:
»Ein Fan hat uns gesagt, dass wir das Schwertschleifen falsch umgesetzt haben. Wenn die Klinge über den Stein gezogen wird und Funken schlägt, was bisher das Feedback für den Erfolg war,, macht der Schmied etwas falsch. Wir haben eine tolle Community, die uns hilft, solche Dinge auszuwetzen. Großartig!« Wir lassen uns natürlich gern positiv überraschen, bleiben aber vorerst skeptisch.
Reicht die Kohle?
Die zweite große offene Frage wiegt weit schwerer: Ob und wann die beiden geplanten Nachfolgeakte von Kingdom Come: Deliverance erscheinen, kann bei Warhorse niemand garantieren. Im Augenblick reicht das Budget samt Kickstarter-Aufschlag nämlich nur für den ersten Akt, auch wenn in den hochpreisigen Backer-Paketen die beiden Abschlussepisoden bereits enthalten sein sollen. Dieses Ziel ließe sich jedoch nur mit dem doppelten Budget erreichen, bedauert der Teamchef. Man sehe sich zwar jetzt schon nach alternativen Finanzierungsmöglichkeiten um, versprechen wolle man jedoch nichts, was man später nicht einhalten könne.
Am Ende entscheiden wahrscheinlich selbst für den begeistertsten Investor die Verkaufszahlen des ersten Akts, um weitere Mittel nachzuschießen. Vávra bleibt dennoch zurückhaltend optimistisch: »Ich glaube fest daran, dass wir mit dem Umsatz aus dem ersten Teil auch die letzten beiden finanzieren können.« Die Finanzierung zu sichern, dürfte das größte Hindernis für die Tschechen werden - wenn das jedoch überwunden ist, könnte sich in Prag durchaus ein virtueller Ritter zum Angriff rüsten, der das Fantasy-Monopol aufs Mittelalter zerbricht.
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