Das hat aber gedauert: Eigentlich sollte Iron Brigadeschon im Sommer erscheinen und hieß damals noch Trenched. Womit Entwickler Double Fine (die Spieleschmiede rund um Kultentwickler Tim Schafer) aber nicht gerechnet hat: Es gibt schon ein Brettspiel mit demselben Namen. Einen Lizenzstreit, eine Umbenennung und ein halbes Jahr später hat es die feine Mischung aus Tower-Defense und Third-Person-Ballerei dennoch in den europäischen Marktplatz geschafft.
Iron Brigade spielt in einer alternativen Variante der 1940er Jahre. Von den sonst üblichen Nazis fehlt aber jede Spur, aber trotzdem herrscht Krieg. Auf dem Schlachtfeld stehen sich zwei alte Freunde gegenüber. Beide wurden einer mysteriösen Funkübertragung ausgesetzt, die ihnen eine gehörige Portion Grips in die Rübe pflanzt (und nebenbei alle anderen Menschen in Reichweite tötet). Der eine nutzt seine neue geistige Brillanz um waffenstarrende Mech-Läufer zu entwickeln (die so genannten Trenches) und der andere wird zu einem verrückten Wissenschaftler, der die Welt mit einem Netz von Röhren überzieht, um seine monströse Monovisions-Armee (tödliche Roboter-Insekten) und die tödliche Funkübertragung überall hin zu senden. In diesem etwas abgedrehten Setting tretet ihr in Aktion, klemmt euch hinter das Steuer eines Trenches und stellt euch den mechanischen Horden des wahnsinnigen Superschurken.
Das Konzept von Iron Brigade kennt ihr schon aus Spielen wie Orks Must Die!oder Dungeon Defenders: Welle für Welle stürmen Feinde auf das Schlachtfeld und ihr müsst eines oder mehrere Ziele verteidigen. Dazu könnt ihr entweder mit eurem Trench auf die Monovisions ballern, oder ihr pflanzt Abwehrtürme und fiese Fallen auf das Schlachtfeld. Eine gesunde Mischung aus »Feuer frei!« und taktischer Platzierung eurer Geschütze ist dabei Pflicht, denn für jeden der unterschiedlichen Monovisions braucht ihr die richtigen Waffen. Fliegende Fieslinge holt ihr beispielsweise per Flakkanone oder mit Luftabwehrgeschützen runter, dick gepanzerte Gegner müsst ihr erst mal mit dicker Artillerie aus ihrer Schale schießen und oft ist es auch hilfreich, einen Minenteppich in die Marschrichtung der Feinde zu legen. Zwischen den Wellen bleiben euch nur wenige Sekunden, in denen ihr rumliegenden Schrot einsammeln könnt, den ihr wiederum in neue Türme oder in die Verbesserung bestehender Geschütze steckt. Weil sich die Kampfsituation oft im Sekundentakt ändert und ihr bisweilen auch mal extra-dicke Bossgegner umpustet, wird das Ganze selten repetitiv oder langweilig. Schließlich und endlich versüßen euch sporadische Loot-Kisten mit neuer Bonusausrüstung den Sieg. Und damit wird Iron Brigade zu einem wahren Zeitfresser.
Zwischen den Missionen dürft ihr nämlich nach Lust, Laune und je nach aktuellem Budget, an eurem Trench rumbasteln. Grundsätzlich gibt es zwei Extreme: Entweder ihr nehmt einen dickeren Kampfläufer, der viele Kanonen schultern kann und pustet die Feinde selbst um, oder ihr steigt in eine kleinere Variante und habt statt fetter Knarren mehr hilfreiche Turrets im Gepäck. Kurz: Ihr dürft (oder besser gesagt müsst) euch je nach Spielstil und Level-Anforderungen eine möglichst effektive Kombination zusammenbauen. So zieht ihr mal mit sechs überdimensionalen Schrotflinten ins Gefecht. Oder ihr baut einen Sniper-Trench und nehmt Kraftfelder mit, die eure Feinde verlangsamen. Oder ihr setzt auf eine fette Artilleriekanone und packt MG-Abwehrtürme für kleinere Feinde ein, und so weiter und so fort. Daraus zieht Iron Brigade seinen Reiz: Zuerst den passenden Mech für die jeweilige Mission basteln, sich damit zum Sieg kämpfen und dann eine Menge neuer Spielzeuge einsacken, die man am liebsten gleich ausprobieren will. Iron Brigade setzt die typische Spirale aus Sammelwut, hart erkämpften Erfolgen und dem klassischen »Nur noch ein Level«-Gefühl in Gang.
Quasi zum drüberstreuen ist auch die Atmosphäre von Iron Brigade klasse. Das alternative 40er-Jahre-Setting wirkt wie aus einem Guss und wie wir es von Double Fine (Psychonauts, Brütal Legend, Stacking) gewohnt sind, packt der Entwickler wieder eine gehörige Portion Irrwitz ins Spiel. Einige Beispiele: Eure Heimatbasis ist ein geländegängiger Flugzeugträger auf vier Stahlbeinen, euer Befehlshaber ein typischer Zigarre-rauchender Offizier (aber in einer eisernen Lunge) und die Spielfiguren wahre Macho-Abziehbilder. So kippt etwa der bullige Marine nach einem Sieg eine Flasche Hochprozentiges oder zückt eine Kippe und ballert die mit der Knarre in Brand. Zusätzlich dürft ihr euren grimmigen Piloten neue Kleidung kaufen oder den Trench neu anpinseln, was vor allem für den Mehrspieler-Part von Belang ist. Ein bisschen Wille zum Multiplayer solltet ihr für Iron Brigade sowieso mitbringen, sonst erlebt ihr nur den halben Spaß. Wenn ihr die Missionen mit bis zu vier Kumpels in Angriff nehmt, werdet ihr strategisch so richtig gefordert. Dank der individuellen Mechs bildet ihr effektive Teams, beispielsweise mit einem Scharfschützen, einem Tank für den Nahkampf und einem Taktiker, der die Geschütze clever platziert.
Ein paar kleine Kratzer haben die Trenches dann aber doch im Lack: Von der anfangs ungewöhnlichen Story haben wir uns mehr erwartet. Die Geschichte bleibt aber meist vorhersehbar und wenig originell. Am Schlachtfeld selbst ärgern sich Neulinge wenn sie Türme falsch platzieren, denn einmal aufgestellte Anlagen dürft ihr nicht verkaufen. Und schlussendlich, bei aller Liebe zum stilsicheren grau-braunen Militärsetting: Viele Texturen sind gar zu matschig und unscharf geraten. Aber wir meckern auf hohem Niveau: Trench… äh Iron Brigade hat sich fest in unseren Herzen eingegraben und aus dem Hause Double Fine haben wir uns auch nichts anderes erwartet.
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