Die Halo-Reihe liegt mir so sehr am Herzen wie kaum eine andere Spieleserie. Mit dem Master Chief und insbesondere den Multiplayer- und Koop-Modi habe ich ich einige der spaßigsten Stunden meiner bisherigen Videospielkarriere verbracht, die auch mein Verständnis von Shootern und deren Design nachhaltig geprägt haben.
Deswegen betrachte ich die Entwicklung von Halo Infinite natürlich mit Argusaugen und war bei der Gameplay-Demo auf dem Xbox Games Showcase einerseits begeistert (vom Gameplay), andererseits aber auch ernüchtert (von der Optik). Letzteres ist mir aber gar nicht so wichtig, ich habe mir in letzter Zeit vielmehr über etwas anderes Gedanken gemacht.
Eine Zwickmühle par excellence
Denn mit Halo Infinite haben sich die Entwickler von 343 Industries eine Herausforderung auferlegt, die größer und schwieriger kaum sein könnte. Einerseits will das Studio mit Halo Infinite neue Fans für die Marke gewinnen. Und andererseits auch die treue und nicht immer ganz einfache Halo-Gemeinde zufriedenstellen.
Dieser Spagat hat natürlich seinen Grund: 343 Industries braucht die neuen Spieler. Die harte Fanbasis, die die Serie seit ihrem Beginn 2002 begleitet, reicht nämlich schon lange nicht mehr aus, um den Status als eine der wichtigsten Microsoft-Marken überhaupt zu zementieren. Die Verkäufe von Halo 5: Guardians etwa blieben hinter den Erwartungen zurück, die Reihe geriet ins Straucheln. Und das unter anderem deshalb, weil die Geschichte zuviel Wissen voraussetzte. Wer nicht fest in der Lore des Universums verankert war, verstand zu Beginn kaum etwas.
Da ist es nur verständlich, dass für Halo Infinite jetzt die Rolle rückwärts kommt, in Form eines "spirituellen Reboots". Auch Nicht-Kenner sollen die Story verstehen. Das ist lobenswert, ich frage mich allerdings, wie weit Universum und Lore eingedampft werden müssen, um dieses Vorhaben möglich zu machen.
Denn Halo-Fans werden sich höchstwahrscheinlich nicht mit optional in der Spielwelt findbaren Terminals und Lore-Häppchen zufrieden geben. Das hat die Vergangenheit bereits gezeigt. Doch wie viel Lore kann ins Spiel, ohne die neuen Spieler zu überfordern? Wo ist die Grenze? 343 Industries steckt hier meiner Meinung nach ziemlich in der Zwickmühle.
Traditionalisten gegen neue Generation
Und das nicht nur bei der Story. Auch beim Gameplay will ich nicht in der Haut der Entwickler stecken. Denn die Halo-Traditionalisten verteufeln einerseits die Anbiederung an moderne Shooter wie Call of Duty mit Sprungdüsen, Sprintmöglichkeit und Co., andererseits erwarten Neulinge aber exakt diese Mechaniken, weil sie eben in anderen Shootern der Standard sind. In Halo Infinite werden diese Optionen offenbar wieder etwas zurückgefahren, sprinten kann der Master Chief dennoch. Auch hier muss 343 Industries also einen Mittelweg finden, der heikler nicht sein könnte.
Und auch die Gameplay-Demo hätte die Halo-Marke Neueinsteigern so viel schmackhafter machen können. Stattdessen wurde es eine Show für die Fans. Versteht mich nicht falsch, ich war sehr angetan, aber ich weiß schlicht um die Stärken der Marke und fühlte mich daher nostalgisch abgeholt, als die Kamera über den Halo-Ring schwenkte. Nicht-Halo-Kennern fehlt diese emotionale Verbindung allerdings, daher dürften auf diese die Szenen aus der Demo gewirkt haben wie jeder x-beliebige Sci-Fi-Shooter.
Ich weiß es in diesem Fall zwar besser, denn ich bin Fan des Halo-Gameplays und insbesondere des Sandbox-Ansatzes in Infinite. Aber welches Argument konnte Infinite bei der Showcase-Demo wirklich ins Feld führen, um attraktiv für Neulinge zu sein? Tolles Shooter-Gefühl? Haben Destiny und Co. auch. Offene Spielwelt? Gibt es mittlerweile auch in vielen anderen Shootern. Die Story? Die wird ja offenbar so heruntergedampft, dass die Faszination möglicherweise nicht rüberkommt. Die Grafik? Nun ja.
Ist Free2Play die Lösung?
Wohl auch deswegen haben sich 343 Industries und Microsoft entschieden, den Multiplayer des Spiels Free2Play zu machen. Eine sehr gute Entscheidung wie ich finde, denn sollte das Gameplay im Mehrspieler-Modus tatsächlich in die Richtung der ersten Halos gehen, dann wäre das in der heutigen Shooter-Landschaft tatsächlich mal wieder eine schöne Abwechslung und hätte meiner Meinung nach auch das Potenzial, Spieler langfristig an den Multiplayer zu fesseln.
Ein wirklich massentauglicher Modus wie Battle Royale sollte dann aber unbedingt an Bord sein, denn die stark kompetitiven Vs.-Modi der ersten Halo-Spiele dürften heutzutage nicht mehr jedem gefallen - außer den Hardcore-Halo-Fans natürlich.
Ihr merkt schon, es ist alles ziemlich kompliziert und das ambitionierte Vorhaben von 343 Industries nötigt mir höchsten Respekt ab. Und auch falls das alles hier sehr schwarzmalerisch klingt: Ich freue mich unheimlich auf Halo Infinite und bin sicher, dass ich sehr viel Spaß mit dem Spiel haben werde.
Als Fan sorge ich mich aber nun mal auch um "meine" Reihe. Und ich fürchte, dass in bestimmten Bereichen des Spiels Kompromisse gemacht werden müssen, durch die zwangsläufig eine der beiden Gruppen auf der Strecke bleiben wird. Es besteht die Gefahr, dass dieser extreme Spagat schief geht und Halo Infinite am Ende zwischen allen Stühlen sitzt. "Halo is for everyone" heißt es im Tweet zur Free2Play-Ankündigung des Multiplayers. Ich bin mir nicht sicher, ob das am Ende wirklich so stimmen wird.
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