»Everything ripped apart in a New York minute.« Dieser Satz steht für mich wie kein zweiter für Max Payne. Als der im Sommer 2001 aus meinen Boxen kroch, hatte ich erstmals Gänsehaut beim Spielen des finnischen Actiontitels.
Heute funktioniert der Satz nicht mehr ganz so gut, weil das erste Max Payne bei mir nicht mehr ganz so gut wie damals funktioniert. Ich bin älter geworden und empfinde die vor Melodramatik überlaufenden Monologe und markigen Oneliner des Helden zuweilen als etwas aufgesetzt. Aber damals, 2001, gingen sie mir durch Mark und Bein.
Die Autorin
Petra Schmitz (@flausensieb) mag es, die Welt zu retten und hat es im Laufe der Jahre bereits unzählige Male getan. Sie ist aber immer wieder entzückt, wenn es in Spielen mal nicht um das Leben, das Universum und den ganzen Rest, sondern um Geschichten und Schicksale Einzelner geht.
Gerade deswegen findet sie The Chronicles of Riddick: Escape from Butcher Bay so gut: Typ wird eingesperrt und bricht aus. Fertig.
In nur wenigen Sekunden, in einer so genannten »New York minute« verlor Max alles, was ihm lieb und teuer war: Frau und Kind. Und damit sein bisheriges und wohl für einen Polizisten recht beschauliches Leben im Big Apple. Drogensüchtige richteten seine Familie förmlich vor seinen Ohren hin.
Wäre Max nur wenige Sekunden früher von der Arbeit nach Hause gekehrt … So konnten er und ich er nur noch durch die endlos erscheinenden Flure und Zimmer hetzen, unterlegt von den verzweifelten Schreien seiner Frau. Max und mir blieb lediglich, die von der Droge Valkyr wahnsinnig gewordenen Killer niederzustrecken. Frau und Kind? Längst tot.
Revolutionär geschwätzig
Im Anschluss begab ich mich mit Max auf die Jagd nach den Ursprüngen der Droge. Völlig linear und nach den immer gleichen Ballermustern zwar, aber das war mir egal. Max und ich hatten eine Mission. Dass mir das Schicksal von Max so nahe ging, lag zum einen schlicht daran, dass sich das Entwicklerstudio Remedy an ein in Spielen noch größtenteils tabuisiertes Thema heran gewagt hatte, nämlich an den Mord an einem Kind, genauer an einem Säugling. So etwas lässt niemanden kalt!
Zum anderen machten sich die Finnen etwas zunutze, was wir bis dahin gerade aus Actionspielen eher wenig bis gar nicht kannten: den inneren Monolog. Max war keiner dieser stummen Rumrenn- und Rumschießtypen, sondern ein vergleichsweise geschwätziger Ex-Cop, der alles mit einer sehr persönlichen Färbung kommentieren und für mich einordnen musste.
Dass die Äußerungen von Max nicht vor Schenkelklopfer-Humor oder guter Laune strotzten - bei seiner Geschichte nur logisch. Alles, was der Mann von sich gab, war entweder düster oder sarkastisch oder beides.
Er sagte Dinge wie: »I don't know about angels, but it's fear that gives men wings.« Auf Deutsch: »Ich hab keine Ahnung von Engeln, aber es ist die Angst, die den Menschen Flügel verleiht.«
Oder er sagte: »I might have laughed, if I had remembered how.« Auf Deutsch: »Ich hätte gelacht, wenn ich mich daran erinnert hätte, wie das geht.« Dick aufgetragen, ja. Aber es passte auch.
Kollege Michael Obermeier behauptet übrigens, er könne jede Zeile aus Max Payne aus dem Gedächtnis runterbeten, weil er es ungefähr eine Trillion Mal gespielt hat. Wir bezweifeln seine Behauptung, wagen aber auch nicht, ihn herauszufordern.
English, motherfucker, do you speak it?
Übersetzen muss ich Max' Sprüche, weil's den ersten Teil der Serie nur auf Englisch gab. Erst Max Payne 2 erschien auch auf Deutsch. Max' englische Premiere indes war von überragender Qualität. Das lag vor allem an der markanten Stimme des Schauspielers James McCaffreys und an seiner Fähigkeit, die Melancholie und gleichzeitige Verzweiflung des Helden aus jedem einzelnen Wort triefen zu lassen.
Die ohnehin schon sehr emotionale Sprachausgabe wurde großartig von Comic-Bildern eingerahmt, in denen das Spiel seine wendungsreiche Geschichte erzählte.
Denn der Drogenmord an Max' Frau und Kind entpuppte sich als weit weniger zufällig als anfangs gedacht, hinter dem Drama steckte eine Verschwörung. Hinter den Comicstrips wiederum steckten größtenteils nachbearbeitete Fotos, auf denen Sam Lake (finnischer Schriftsteller, enger Freund der Entwickler und obendrein Autor des Spiels) in der Titelrolle zu sehen war.
Auch Mona Sax, des Helden Femme Fatale in Max Payne 2, hatte schon Auftritte im ersten Teil. Allerdings wirkte sie auf den Bildern von 2001 noch weniger wie eine geheimnisvolle Schönheit, sondern eher wie das nette Schulmädchen von nebenan - inklusive lustigem Pferdeschwanz.
Überraschend humorvoll
Dass die Comic-Bilder dann und wann irgendwie (ob nun gewollt oder ungewollt) witzig anmuteten, passte eigentlich ganz gut, denn obwohl Max Payne ein insgesamt sehr ernstes Spiel war, so präsentierte es sich aber auch nicht gänzlich humorbefreit. Auf den überall rumstehenden Fernsehern etwa gab's hin und wieder eine grausam überzogene Seifenoper namens »Lords & Ladies« zu schauen.
Und dann waren da noch die sogar echt witzigen Zeichentrickfilmchen rund um »Captain Baseball Bat Boy«. Obendrein, und das fand ich persönlich ja am besten, nahm sich Max sogar selbst auf die Schippe. An zwei Stellen wurde ihm bewusst, dass er a) eine Figur in einem Comic und b) eine Figur in einem Spiel war.
Nur angemeldete Benutzer können kommentieren und bewerten.
Dein Kommentar wurde nicht gespeichert. Dies kann folgende Ursachen haben:
1. Der Kommentar ist länger als 4000 Zeichen.
2. Du hast versucht, einen Kommentar innerhalb der 10-Sekunden-Schreibsperre zu senden.
3. Dein Kommentar wurde als Spam identifiziert. Bitte beachte unsere Richtlinien zum Erstellen von Kommentaren.
4. Du verfügst nicht über die nötigen Schreibrechte bzw. wurdest gebannt.
Bei Fragen oder Problemen nutze bitte das Kontakt-Formular.
Nur angemeldete Benutzer können kommentieren und bewerten.
Nur angemeldete Plus-Mitglieder können Plus-Inhalte kommentieren und bewerten.