Deus Ex wird oft für eine andere Art der Entscheidungsfreiheit gelobt, für seine verschiedenen Lösungswege: Eine verschlossene Tür lässt sich in der Regel öffnen, indem man den richtigen Schlüssel findet, sie aufsprengt, sie mit einem Dietrich knackt, sie durch einen Luftschacht umgeht, sich in einen Computer hackt und sie elektronisch entriegelt oder einfach Lärm schlägt, bis eine Wache durch die Tür rennt. Das ist nicht übertrieben; Deus Ex kennt für wirklich jedes Problem, und sei es noch so klein, mindestens drei Optionen. Die großen Entscheidungen führen oft in völlig andere Bereiche eines Levels, etwa durch die Kanalisation statt übers Dach. Aber das klingt eindrucksvoller, als es ist. In der Praxis wiederholen sich die Muster schnell, und weil es trotz Rollenspiel-Talentsystem leicht gelingt, einen Alleskönner zu spielen, kann man sämtliche Alternativrouten ausprobieren.
Diese Handlungsfreiheit zeichnet Deus Ex ebenso aus wie die Rollenspiel-Einflüsse und leichte Ansätze einer offenen Spielwelt, denn manche Zentralregionen wie ein New Yorker Stadtviertel oder der Markt von Hong Kong sind ruhige, mit Gesprächen und Nebenaufgaben gesprenkelte Entdeckungswiesen zwischen den Story-Einsätzen.
Aber auch das Szenario sticht heraus, denn Warren Spector und sein Chef-Designer Harvey Smith baggerten hemmungslos in der Klamottenkiste der Verschwörungstheorien und modellierten daraus eine krass überzeichnete, aber trotzdem stimmige Zukunftsvision. Im doppelbödigen Wer-gegen-wen steckt hinter jeder Organisation eine noch geheimere Organisation. Von der CIA bis zur Area 51, von Majestic 12 bis zu den Illuminaten war alles dabei, angereichert mit kybernetischen Menschen und einem tödlichen künstlichen Virus. Ich hatte damals (wie alle paar Jahre) die Illuminatus-Trilogie von Wilson und Shea gelesen, im Fernsehen lief Akte X, ich durfte mich also als akademisch vorgebildet betrachten und fühlte mich in Deus Ex sofort zu Hause.
So muss es vielen anderen auch gegangen sein, denn Deus Ex wurde zu einem Verkaufserfolg. Der Mutterfirma Ion Storm brachte das zwar nichts mehr, sie krachte 2001 zusammen. Aber Spectors Zweigstudio in Austin überlebte immerhin bis 2005 und brachte in der Zeit noch einen Nachfolger zustande. Deus Ex: Invisible War(2003), obwohl ein sehr guter Shooter, enttäuschte die meisten Fans: Im Vergleich zum Vorgänger hatte Spectors Team die Charakterentwicklung und die Offenheit der Welt stark zurückgefahren. Ich legte das Spiel nach zwei Stunden zur Seite, was auch daran lag, dass es mit seinen aufsehenerregenden Echtzeit-Schatten auf meinem damaligen PC zwar brillant aussah, aber wie Kartoffelbrei lief. Für Warren Spector war nach dem feinen Thief: Deadly Shadows(2004) auch erst einmal Schluss; es dauerte bis 2010, ehe er sich mit der Wii-Farbkleckserei Epic Mickey zurückmeldete. In seiner Ruhmesliste landet dieser Titel zwar nicht auf Platz 1. Aber da steht ja sowieso Deus Ex, bzw. System Shock, bzw. Martian Dreams … ach, entscheidet doch selbst! Nach Deus Ex solltet ihr das ja können.
Deswegen legendär:
- mischt Ego-Shooter und Rollenspiel
- alternative Lösungswege für jede Situation
- Entscheidungsfreiheit und Konsequenzen
- vertrackte Verschwörungsgeschichte
- »Denton, bleiben Sie aus der Damentoilette raus!«
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