In der Nacht auf den 5. Dezember war es dann überraschend schon soweit - mehr als 10 Jahre nach dem Release von GTA 5 hat Rockstar endlich den direkten Nachfolger enthüllt.
Und der Trailer zu GTA 6 ist auf den ersten Blick genau das, was viele wohl erwartet hätten: Vice City, schnelle Autos, jede Menge Chaos und (klein-)kriminelle Protagonist*innen, die wir durch den Großstadtdschungel steuern werden. Und trotzdem fühlt sich GTA 6 anders an als bisherige Grand Theft Auto-Spiele
GTA und das echte Leben haben sich angenähert
Vermeintlich überzeichnete Charaktere wie der “Florida-Joker” (zu sehen ab Minute 1:05) sind kein Produkt der Rockstar-Entwickler*innen, sondern echten Schlagzeilen unserer Welt entlehnt. Die vielen Social Media-Posts aus dem Trailer kommen mir seltsam vertraut vor.
Von viralen Pranks über schamlose Selbstdarstellung bis hin zu ärgsten Tragödien – was im GTA 6-Trailer zitiert wird ist das “Hier und Jetzt” und nicht mehr das "So extrem könnte es mal werden!"
So abgedreht die Welt in GTA 6 auch scheint, sie wirkt nicht schräger als die echte Welt. In den letzten 10 Jahren hat sich viel getan und wollte man 2013 noch “freche Satire” liefern, wurde einfach der Absurditäten-Faktor in Videospielen auf das Maximum gedreht.
In einer zunehmend chaotischen, politisch extremeren Welt, die wir dank Twitter, Instagram, TikTok und Co. in all ihren Facetten live miterleben, bleibt GTA 6 auf dem Boden und scheint ein gesellschaftliches Spiegelbild statt Satire-Zirkus anzustreben.
Mehr Feingefühl statt Holzhammer
War GTA 5 noch voll mit popkulturellen Gangster-Klischees und oberflächlicher Gesellschaftssatire, die am Ende kaum etwas Eigenes zu sagen hatte, scheint sich Rockstar in GTA 6 in Nähe der Realität austoben zu wollen.
Dieses realistische Worldbuilding führt dazu, dass Anti-Heldin Lucia in den kurzen 90 Sekunden des GTA 6-Trailers bereits deutlich nahbarer und menschlicher wirkt als es Michael, Trevor und Franklin je waren.
Ihre Liebesbeziehung mit Jason (so zumindest sein Name, wenn wir bisherigen Leaks glauben dürfen), unterstreicht ihre Verletzbarkeit und Empfindsamkeit. Ihr Fokus ist die aufrichtige Zuneigung und Intimität zu einem anderen Menschen, nicht ihre Ambition als Gangster-Superstar oder ihr zynischer Blick auf die Gesellschaft. Sie ist mittendrin im Chaos, so mittendrin wie Arthur Morgan in der Gesetzlosigkeit von 1899.
Und vielleicht freue ich mich zu früh, aber ich denke, eine weibliche, nicht-weiße Perspektive wird der GTA-Reihe in Sachen Satire und Storytelling gut tun. Der GTA-Blick auf die US-Gesellschaft war schon immer sehr einseitig geprägt und drängte Personengruppen abseits weißer, heterosexueller Cis-Männer im mittleren Alter oft komplett aus dem Rampenlicht.
Die vage Hoffnung auf ein reiferes GTA
Es ist erkennbar, dass sich Rockstar Games nach dem schmutzigen, realistischen Spätwestern Red Dead Redemption 2 nicht einfach wieder die GTA-Clownsnase aufsetzen wollte.
Ich erhoffe mir daher von Lucias Geschichte auch emotionale Momente, die mir wie ein Kloß im Halse stecken bleiben – auch wenn wir von müden Gags sicher nicht verschont werden. GTA 6 bleibt GTA, das zeigt nicht zuletzt das Comeback von "Pißwasser", "Weazel News" und Co.
Wer weiß, vielleicht lasse ich mich hier täuschen und auch GTA 6 wird sich zum großen Teil auf cartoon-esque Gewalt, Drogen-Jargon und Mittelfinger verlassen. Aber in mir keimt die Hoffnung auf, dass hier mehr GTA 4 und Red Dead 2 drinsteckt als GTA 5 oder sogar GTA: Vice City.
Dass GTA 6 seine Satire beibehält, aber nuancierter und feinfühliger mit seinen Themen umgeht. Die Zeit wäre reif, dass die kulturell einflussreichste Videospielmarke sich weiterentwickelt. Und wenn sie das schafft, dann bin ich auch gern wieder mit dabei.
Wie ist euer Eindruck? Was für eine Art GTA erhofft ihr euch dieses Mal?
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