Hoppala, da ist Nintendos Switch anscheinend doch erfolgreicher, als viele Publisher gedacht hatten. Jetzt heißt es schnell ein paar Spiele für Nintendos Spielebrettchen raushauen! Für Neuproduktionen ist keine Zeit, also springen sie mit Portierungen auf den Switch-Zug.
Das erste Switch-Rennspiel mit lizenzierten Autos war zum Beispiel schon auf mobilen Geräten daheim: Gear Club wurde ursprünglich als Free2Play-Titel auf Smartphones veröffentlicht, inklusive aller Mechanismen, die zu diesem Geschäftsmodell gehören.
Für den Spielfortschritt nötige Erweiterungen mussten entweder mit viel Zeit oder echtem Geld bezahlt werden. "Unlimited" im Titel der Switch-Version steht insofern für eine Premium-Variante: Alle Inhalte sind im Gesamtpaket enthalten und werden lediglich durch Ingame-Währungen freigeschaltet. So wie man es eben von einem Vollpreistitel der alten Schule kennt und erwartet.
Unverkennbare Ursprünge
Ohne große Umschweife wirft euch das Spiel ins Rennen. Auto gekauft, in der eigenen Werkstatt etwas gepimpt, und ab geht's auf Rennstrecken, die auf einer großen Karte ausgesucht werden. Die ist in mehrere Klimazonen unterteilt, die Rennen finden in Wüsten, Schneelandschaften und mediterranen Umgebungen statt.
Auswirkungen auf das Fahrverhalten haben aber nur spezielle Rally-Abschnitte. Statt Asphalt gibt es dort Schlamm und Dreck, wo eure Karre schneller die Bodenhaftung verliert. Für jedes Rennen könnt ihr bis zu drei Sterne, Erfahrungspunkte und Geld sammeln. Die Moneten investiert ihr in neue Autoteile, die XP und die Sterne schalten weitere Ligen und Strecken frei.
In der Smartphone-Fassung gibt es noch einen Parameter für den Verschleiß des Wagens, aber der fällt in der Switch-Version weg. Trotzdem lassen sich die Free2Play-Ursprünge nicht leugnen: Der Spielfortschritt ist sehr streng an euren Erfahrungs-Level gekoppelt und lässt kaum Auswahl abseits der linearen Kampagne zu.
Ihr wollt zum Beispiel gegen unterschiedliche Wagenklassen fahren? Diese Option bietet der Singleplayer-Modus nicht. Richtig spürbar wird das enge Korsett bei der KI der Gegner: Die ziehen wie an einer Schnur über die Strecke. Der vorausgesetzte Erfahrungslevel vor jedem Rennen bestimmt lediglich, wie schnell dies geschieht. In einem Fall sind wir zum Beispiel fünfmal hintereinander das gleiche Rennen gefahren, und immer hat uns an der exakt gleichen Stelle der exakt gleiche Gegner überholt.
Die undynamische KI lässt sich mit einem einfachen Trick entlarven: Rammt einen Fahrer am linken oder rechten Heck. Sein Wagen wird kurz schlingern wie ein Stück Seife in der Badewanne, und sich dann auf magische Weise wieder auf seine Schienen setzen. Da das Spiel aber selbst auf der höchsten Schwierigkeitsstufe verhältnismäßig einfach ist, fällt dieser eklatante Makel erst nach einer Zeit auf. Vor allem, da es eine Rückspulfunktion gibt.
Ohne Gewicht
Auch visuell sind die Smartphone-Wurzeln unverkennbar. Die Autos sehen zumindest von Außen sehr ordentlich aus, insbesondere wenn der Lack die Umgebung im Sonnenlicht spiegelt. Dafür sehen die Landschaften aus wie Kulissen. Städte bestehen zum Beispiel aus polygonarmen Klon-Objekten. Die Texturen an Canyonwänden sind so schlecht aufgelöst, das sie dem Gestein die Ästhetik von Knete verleihen.
Absurd wirken auch die sich auffällig wiederholenden Straßentexturen, was vor allem bei Matsch an ein Rennspiel der 16-Bit Ära erinnert. Und die Baumkronen! Flache, schlecht aufgelöste Wölkchen aus grünem Brei. Am großen Bildschirm wird euch der Schlag treffen, erstaunlich ist aber, wie sehr sich der Eindruck im Handheld-Modus ändert.
Das Geschwindigkeitsgefühl nimmt massiv zu und die detailarme Grafik wirkt auf einmal deutlich schärfer. Am Fernseher wirkt die Optik seltsam aufgeblasen, als würde man ein altes Konsolenspiel mit einem Emulator in Auflösungen laufen lassen, für das es nie gedacht war. Unterwegs dagegen ist Gear Club Unlimited sogar fast hübsch, wenn gleichwohl ziemlich leblos und effektarm.
Ähnlich verhält es sich mit der Fahrphysik. Die Urversion wurde darauf ausgelegt mit dem Bewegungssensor eines Smartphones gespielt zu werden. Diese Option habt ihr auch auf der Switch. Das Spiel reguliert dabei selbstständig das Gaspedal, während die Switch zur Lenkung geneigt werden muss. Ja, die skeptischen Stirnfalten von Rennspiel-Enthusiasten können wir uns vorstellen, doch diese Steuerungsart funktioniert ausgezeichnet, vor allem unterwegs und für Genreeinsteiger.
Das Spiel schwächelt allerdings bei der vollen Wagenkontrolle. Gas geben, Schalten, grundlegendes Lenken funktioniert erst einmal ganz gut. Es ist ein arcadiges Fahrgefühl, das an die früheren Teile von Need for Speed erinnert. Doch beim Versuch, scharfe Kurven mit einem stylischen Drift zu meistern, fällt das fehlende Gewicht der Wagen auf.
Haftreibungskraft, Zentripetalkraft, Zentrifugalkraft, Seitenführungskraft - alles Begriffe aus der Physik, die bei akkurater Simulation in einem Rennspiel aber darüber entscheiden, ob ihr ein richtiges Gefühl für den Wagen bekommt.
Dieses Gespür fehlt bei Gear Club Unlimited besonders in den Kurven, es fühlt sich auf den Asphalt-Strecken wie auf Schienen an. Die mangelnde Hardware-Leistung der Switch oder eines Mobiltelefons sind dabei keine Entschuldigung. Schließlich hat das schon das erste Gran Turismo auf der guten, alten PlayStation besser hinbekommen.
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