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Video Games: The Movie - Trailer zum Film über die Geschichte der Spiele
Über 100.000 Dollar hat Jeremy Snead auf Kickstarter gesammelt, um sich seinen Traum zu erfüllen: eine abendfüllende und tiefgehende Dokumentation über das Medium Videospiel. Vereinzelt existieren zwar Filme oder Dokus über die Spieleindustrie, doch zumeist sind sie sehr spezifisch auf gewisse Teilbereiche ausgerichtet (siehe Seite 2 dieses Artikels). Indie Game: The Movie verhandelt...nunja, Indiegames, King of Kong gar nur ein einziges Spiel. Video Games: The Movie soll nun alle Aspekte ansprechen - und scheitert kläglich.
Jeremy Sneads Vorhaben ist im Kern natürlich gut und richtig, aber ihm fehlt sichtlich die Vision. Denn um die gesamte Geschichte der Videospiele zu dokumentieren, reichen am Ende nicht einmal die ohnehin schon überlangen 100 Minuten Lauflänge. Ergo bleibt nur das berüchtigte Kratzen an der Oberfläche.
Als wäre das ZDF involviert
Für 13 Dollar kann man Sneads Herzensprojekt online streamen oder bei iTunes ansehen. Doch statt vielschichtiger Einblicke in die hochspannenden Mechanismen einer Industrie, die erst rasant aufstieg, einmal schon vor dem totalen Kollaps stand und sich seither immer wieder neu erfindet, birgt die Dokumentation im Grunde nicht viel mehr als eine banale Aneinanderreihung des Bekannten.
Video Games: The Movie wirkt nicht selten, als hätte das ZDF eine Reportage über »diese Videospiel-Dinger da...« in Auftrag gegeben. Die Liebe zum Medium ist zwar spürbar, aber für den informierten Gamer - selbst für jene, die kein allumfassendes Fachwissen besitzen - gibt es hier nicht eine einzige Information, die nicht längst bekannt wäre. Das Nintendo mal das NES herausgebracht hat und irgendwann die PlayStation folgte, wissen selbst Gaming-Muffel. Welche Bedeutung eSports mittlerweile hat, sowieso.
Das Versäumnis, wie versprochen in die Tiefe zu gehen, erscheint umso tragischer, weil Jeremy Snead dank der Hilfe mächtiger Unterstützer (wie Zach Braff aus Scrubs, David Perry oder Cliff Beszinski) viele einzelne Branchengrößen vor die Kamera bekommt. Louis Castle (Westwood), Brian Fargo (Interplay), Hideo Kojima (Metal Gear Solid), Peter Molyneux - alle sind sie da. Nur zu sagen haben sie allesamt nichts.
Große Namen, keine Aussagen
Aussagen wie »plötzlich wurden Videospiele zum Massenmedium« oder »ich weiß noch, als ich mein erstes Videospiel gesehen habe« kennt man aus den Mündern dieser Herren zur Genüge. Natürlich ist es faszinierend, Nolan Bushnell zuzuhören, wenn er über die Anfangstage des Spielens spricht. Aber es fehlen die kleinen und großen Geheimnisse aus dem Nähkästchen, die das Gesagte aus der Banalität heben würden.
Ob das nun daran liegt, dass Snead beim Dreh die falschen Fragen gestellt hat oder die großen Entwickler-Namen bereits zu tief im Sumpf vorinstallierter PR-Phrasen stecken, ist schwer zu sagen. Am Ende kommt man jedenfalls nicht umhin, um das massiv vergebene Potential zu trauern, das jedes dieser Interviews geborgen hätte. Mehr als ein, zwei Sätze darf keiner der Anwesenden zu einem Thema von sich geben.
Überhaupt wirkt Video Games: The Movie seltsam überhastet. Snead springt nicht nur zwischen den einzelnen Themenblöcken umher, er missachtet auch jede Erzählstruktur, beginnt erst mit einer Welle aus Statistiken und animierten Graphen, kratzt dann die Historie der Videospiele an, landet dann plötzlich wieder am Anfang des Zeitstrahls. Einen roten Faden hat er sich vor dem Dreh scheinbar nicht zurecht gelegt.
Wer soll das gucken?
Immer wieder versucht sich Snead auch an interessanteren Aspekten. Dass die Industrie etwa den Weg aus dem Branchencrash Anfang der 80er-Jahre herausgefunden hat, weil sie verstand, dass greifbare Charaktere, Immersion und spannende Geschichten wichtiger sind als pure Spielmechaniken und kunterbunte Grafikverläufe, ist eine interessante These, die aber nicht weit genug ausgeführt wird.
Am Ende bleibt ein Film der trotzdem durchaus gefallen kann - wenn man nicht mehr erwartet als die Befriedigung nostalgischer Gefühle und das Heraufbeschwören von Erinnerungen. Dann kann man in Video Games: The Movie für rund neun Euro fast zwei Stunden in sein liebstes Hobby eintauchen, begleitet von den Stimmen der Helden einer ganzen Generation, bebildert mit tollen Spielszenen.
Man könnte das Geld aber auch sparen, auf YouTube gehen und sich dort in Millionen von Videos dasselbe ansehen. Und das ist dann auch der Punkt: Gaming ist, wie Video Games: The Movie sehr richtig festellt, im Massenmarkt angekommen. Eine Dokumentation wie diese, so oberflächlich und inhaltlich seicht, dass sie sich maximal als Anschauungsmittel für uninformierte Eltern eignet, kommt damit knapp 10 Jahre zu spät.
Auf den nächsten Seiten zeigen wir, welche Filme über Videospiele wesentlich besser sind als Video Games: The Movie.
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