"Du kannst Rot nicht sehen? Welche Farbe hat dann meine Jacke für dich? Oder der Stuhl dahinten?" - So in etwa lassen sich die Reaktionen zusammenfassen, sobald auffällt, dass jemand einen bestimmten Farbton nicht erkennen kann.
Eigentlich ist Farbenfehlsichtigkeit, so der korrekte Oberbegriff, gut erforscht und recht weit verbreitet. Vor allem Rot-Grün-Schwächen treten mit relativer Häufigkeit auf. Dennoch scheinen viele Menschen davon irritiert zu werden. Unter Gamern gehören "Farbenblindheits"-Modi fast zum Alltag, was diese bewirken, wird jedoch zumeist falsch interpretiert.
Chris Werian
@DrChrisRespect
Chris ist seit seiner Geburt von einer ausgeprägten Rot-Sehschwäche (Protanomalie) betroffen. Besonders Mischfarben und dunkle Schattierungen bereiten ihm Probleme. Auch in Videospielen bleibt er davon nicht verschont. Gegnererkennung in Battlefield? Verschiedenfarbige Kugeln in Zuma? Gar nicht so einfach und die Liste ließe sich endlos weiterführen. Deshalb ist er froh darüber, dass sich gut durchdachte Hilfskonzepte immer mehr durchsetzen.
Der Unterschied zwischen Farbenblindheit, Farbenfehlsichtigkeit und Farbsehschwächen
Auslöser für eine gestörte Farbwahrnehmung ist das Fehlen von Rezeptorzellen auf der Netzhaut. Sogenannte "Zapfen" reagieren auf einfallendes Licht, abhängig von dessen Wellenlänge.
Man differenziert so zwischen fünf verschiedenen Typen von Farbenfehlsichtigkeit:
Am häufigsten treten jedoch Anomalien auf. Dann sind zwar alle Zapfen vertreten, aber nicht korrekt ausgebildet, was dazu führt, dass sie auf die eigentlich falsche Wellenlänge reagieren. Das führt zu individuellen Unterschieden in der Farberkennung.
Farbenfehlsichtigkeit beim Spielen
Ich erkläre meine Rot-Sehschwäche gern am Beispiel vom Halo-2-Multiplayer. Da Kommunikation von entscheidender Bedeutung und das Spieltempo sehr hoch ist, wird auf sogenannte Callouts, also modulare Satzbausteine, zurückgegriffen. Auf der Map "Warlord" lässt sich damit zwischen einem gelben und einem grünen Bereich unterschieden - wenn man die Farben denn erkennt.
Da die beiden Areale für mich aber identisch aussehen und der antrainierte Automatismus auf Gegner hinweisen möchte, kommen dann Satzschöpfungen wie "Zwei, No-Shield, auf … ähm ... irgendeiner Plattform" heraus, die in ihrer Nutzlosigkeit unübertroffen sind.
Wenn man vom Ausrüstungsbildschirm verhöhnt wird: Ebenso anstrengend ist für mich die Einarbeitung in Rollenspiele mit Loot-Klassen. Viele Spiele halten sich an eine Farbkodierung, die bereits 1997 im ersten Diablo eingeführt wurde. Grün steht darin für "Ungewöhnlich" und Orange für "Legendär". Ich beneide jede Person, die auf den ersten Blick einen Unterschied erkennen kann. Sehr nah beieinander liegende Blau- und Lila-Töne runden die Verwirrung zusätzlich ab.
So gehen Spiele heutzutage vor
Ein gutes Mittel, um Spiele für Farbenfehlsichtige zu erleichtern, sind Farbfilter. Diese sorgen jedoch nicht dafür, dass man als betroffene Person auf einmal eine Farbe besser erkennen kann, so einfach lässt sich Biologie nicht austricksen. Stattdessen bewirken sie eine klare Trennung von Farben, die sich falsch identifizieren lassen könnten.
Das hilft besonders bei Spielen mit einem sehr schmalen Farbspektrum und vielen Mischfarben, etwa in Wald- oder Dschungelregionen, die von Grün- und Braunabstufungen dominiert werden. Zudem kommen mehr Schattierungen zum Einsatz und die Sättigung gut erkennbarer Farben wird gesteigert.
Viele Spiele ermöglichen eine angenehme Spielerfahrung: Auch wenn Freunde ein wenig schmunzeln, wenn sie meine Sea of Thieves-Screenshots sehen, Rares Farbfilter funktionieren erstklassig. Es fällt mir sehr leicht, gegnerische Schiffe in der Entfernung aufzuspüren oder Schatzkarten zu lesen, da das Spiel relevante Bildelemente auffällig hervorhebt.
Dasselbe gilt für die exzellente Implementierung in Fortnite, worin ich sehr schnell Erfolge feiern konnte, da sich Epic Games nicht davor scheut, für eine gute Feinderkennung zu sorgen. Ein gewaltiger Pluspunkt der allgemein knallbunten Optik.
Realistische Spiele bieten nur äußerst selten Unterstützung bei Farbenfehlsichtigkeit
Orientieren sich die Titel an einer realitätsnahen Farbgebung, fällt es Betroffenen schwerer, kompetitiv mithalten zu können. In Playerunknown's Battlegrounds erkenne ich auf den meisten Maps Gegner selbst dann nicht, wenn sie 2 Meter vor mir stehen, in Call of Duty: Warzone entgehen mir regelmäßig Gegnermarkierungen, da die dünnen, roten Linien mit der grün-braunen Map verschmelzen. Solche Spiele erlauben in der Regel nur geringe Sichtverbesserungen, da diese das Balancing für normal sehende User gefährden könnten. Tarnung und Positionierung gehören hier zum elementaren Spielgeschehen.
Der Wille zu lernen ist nicht immer da: Ich erkenne zwar eine klare Trendwende, an der aber nicht jedes Studio teilnimmt. Wieso ich das HUD von Call of Duty: Warzone nicht selbst nach Belieben einfärben kann, ist mir ein Rätsel. Dasselbe gilt auch für weitere Vertreter des Modern-Military-Genres, etwa Escape From Tarkov oder Rainbow Six: Siege. Vor allem Visiere sind hier ein Ärgernis, da sie die Ausleuchtung der Szene beeinflussen, was dazu führt, dass man Gegner viel schwerer erkennen kann.
Das verkaufsstärkste Beispiel ist aber wohl die FIFA-Reihe, die vor allem mit sehr ähnlichen Trikotfarben, winzigen Indikatoren und dem grünen Untergrund hadert. Die in FIFA 19 eingeführten Filter haben zum Unmut betroffener Spieler kaum Auswirkungen auf das Geschehen auf dem Rasen und drehen lediglich die Farbsättigung leicht auf.
Viele Entwickler berücksichtigen jedoch Feedback
Einzelspielerinhalte sind glücklicherweise nur noch selten von vergleichbaren Barrieren betroffen. Kaum ein Spiel gelangt mittlerweile ohne zumindest optionale Gegner- und Objektmarkierungen auf den Markt. Balancing-Abwägungen spielen dann keine Rolle mehr, da niemand einen Vorteil erhält.
Hochkontrast-Modi können auch Farbenblinden helfen
Recht neu sind Hilfen, die den gesamten Bildschirminhalt in sehr einfach zu identifizierende Formen zusammenfassen. Erreicht wird dies durch sehr hohe Kontraste, nur die Basisfarben finden Verwendung. Die Darstellung der Spielwelt erfolgt hingegen mit klaren Konturen in Monochromfarben dargestellt, nicht relevante Details fallen komplett weg.
Drei Fliegen mit einer Klappe: Mit Hilfe dieser klaren Abgrenzungen wird vor allem schweren Sehverlust entgegengewirkt, was auch vollständig Farbenblinden und Blauzapfenmonochromaten von Nutzen ist. Die Interpretation der Szene fällt nun viel leichter. Gleichzeitig wird aber auch photosensiblen Menschen die Angst vor möglicherweise kritischen Spielinhalten genommen. Das gleichmäßige, verhältnismäßig dunkle Farbschema vermeidet plötzlich aufblitzende Bilder, die bei Personen mit Photosensibilität zu epileptischen Anfällen führen könnten.
Sofern ihr von einer Sehschwäche betroffen seid: Fühlt ihr euch von den Entwicklern gut unter die Arme gegriffen oder werden eurer Meinung nach noch immer zu wenige Hilfsoptionen angeboten?
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