Menschen exploiten
Menschliche Gegner haben eine Ausdauerleiste, die abnimmt, wenn sie schlagen oder blocken. Wer sich clever anstellt, kann dieses System leicht "exploiten" und den dicksten Berserker fällen. Man geht mit Schwert und Schild in den Kampf, wartet darauf, dass sich der Gegner verausgabt, und bringt ihn mit einem Schildschlag aus dem Gleichgewicht. Die eigene Ausdauer wird sich immer schneller erholen als die des Kontrahenten, sodass wir ihm die Puste direkt wieder aus den Lungen prügeln können.
Es gab Situationen, in der wir mit unserem popeligen Beil vier Minuten lang (!) auf einen Typen eingeschlagen und ihn mit exakt derselben Taktik immer wieder auf die Bretter geschickt haben. Das spielt sich eintönig und "clunky". Reine Fernkämpfer können diese Ungereimtheiten zwar umgehen, müssen aber damit leben, dass Bögen und Blaster erst spät wirklich gut werden. Und das Trefferfeedback bleibt auch hier mager.
Wer auf die höheren der vier Schwierigkeitsgrade schaltet und die Aggressivität der Feinde nicht manuell reguliert (das geht glücklicherweise), der muss außerdem damit rechnen, dass Gegner uns über zwei Berge hinweg wittern. Dabei mag es sich um einen Bug handeln, den Piranha Bytes noch fixen kann, aber die Kämpfe bleiben dennoch eine der größten Schwächen des Spiels.
Rollenspiel passt, Inventar nicht
Immerhin bleibt man motiviert, im Level aufzusteigen, damit die Kämpfe nicht mehr so frustrieren. Wer fleißig trainiert, steckt Attributspunkte in Stärke, Geschick und Co., kann damit Kampf-Skills erlernen. Alternativ spezialisieren wir uns auf klassenspezifische Talente wie die Gedankenkontrolle der Kleriker, um Quests gewaltlos zu lösen.
In der zweiten Spielhälfte sorgen die Auseinandersetzungen damit für weniger Frust. Elex ist ein klassisches Rollenspiel und kein auf Action polierter Prügler. Folglich greifen auch typishe Rollenspiel-Mechanismen: Die Jagd nach neuer Ausrüstung macht Spaß, das Verwalten selbiger allerdings nicht.
Problem Nummer zwei von Elex ist die hakelige Bedienung: Dem Interface fehlt Feinschliff. Das Inventar präsentiert sich als dröge Textliste. Die Bedienungsfummeligkeiten setzen sich auch jenseits des Gepäcks fort. Wer aus dem Lauf mit dem Jetpack fliegt, verliert Momentum und steigt gerade nach oben. Das Geschwindigkeitsgefühl bleibt auf der Strecke, kein Vergleich zum eleganten Thrust-Jump eines Destiny 2.
Wie sieht's mit den Bugs aus?
Tja, und zum Schluss verbleibt die Technik von Elex als ein Aspekt, der weder komplett Problem, noch komplett Highlight ist. Auf der einen Seite lockt die altbackene Optik keinen mehr hinterm Ofen hervor (Stichwort: Animationen!), die Sound- und Musikabmischung sorgt immer mal wieder für die falschen Klänge in den falschen Momenten, obwohl der Soundtrack grundsätzlich super ist.
Auf der anderen Seite haben wir keine gravierenden Bugs festgestellt. Und in der richtigen Lichtstimmung übertrumpfen die Panoramen jede Technik-Macke.
Ein neuer Piranha-Bytes-Standard
Elex setzt auf Spieler, die Grips und ein Herz für Exzentrik mit an den Tisch bringen wollen. Man wird nicht bei der Hand genommen, sondern muss auch mal eine Situation übers Knie brechen, um beispielsweise einen unfairen Kampf zu vermeiden.
Das kennen Fans von Piranha Bytes bereits seit Jahren, allerdings ist Elex mehr als ein neuer Anstrich für ein altes Gerüst: Die Quests, die Abwechslung in der Spielwelt sowie die Detailverliebtheit an jeder Straßenecke setzen neue Standards für das Studio. Die unverkennbare Handschrift behält Elex trotzdem bei - wer die noch nie mochte, wird seine Meinung wohl auch jetzt nicht ändern. Aber wer Elex eine Chance gibt, bekommt eines der interessantesten Open-World-Rollenspiele der letzten Jahre.
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