Wir werfen eine Kartoffel auf ein Schwein. Dann streicheln wir eine Birke und feuern mit einem Maschinengewehr auf Pappfiguren. Nein wir führen hier kein Traumtagebuch eines leicht verwirrten GamePro-Schreiberlings, sondern zocken den PSN-Exklusivtitel Datura. Der trägt bezeichnenderweise den botanischen Namen des Stechapfels, der medizinisch als starkes Halluzinogen gilt.
Ich glaub ich steh im Wald
In dem schrägen Adventure wacht ihr als Patient in einem Rettungswagen auf und werdet erst mal verzweifelt wiederbelebt. Warum ihr im Sterben liegt, wird nicht erklärt. Per Move Controller, oder wahlweise auch etwas weniger intuitiv mit dem Sixaxis, reißt ihr euch das Laken vom Körper, die EKG-Anschlüsse von eurer Brust und werdet prompt ohnmächtig. Was folgt ist eine mysteriöse und leicht verstörende Reise durch die bizarre Seelenwelt einer etwas verstörten Psyche.
Ihr wandert durch einen malerisch-gruseligen Laubwald und streichelt die Bäume, wodurch ihr eure Landkarte füllt (die ihr übrigens kaum braucht). Ihr folgt dem besagten Schwein durch die Botanik, stochert in Abflussrohren herum, flüchtet vor einem ballerwütigen Bauern, guckt in einem Brunnen, wodurch Kindheitserinnerungen in euch wach werden oder lenkt auch kurzfristig ein Auto (bevor ihr in ein Schwein kracht). Die Abfolge der »Levels« wirkt wie eine assoziative Minispielsammlung, zusammengehalten durch die HUB-Welt des Blätterwaldes. An verschiedenen Stellen verzweigt sich die »Geschichte« und ihr habt die Wahl zwischen zwei mehr oder weniger offensichtlichen Aktionen, inklusive verschiedener Konsequenzen und Enden.
Vielleicht ein guter Film…
Die große (aber leider auch einzige) Stärke von Datura ist, wie das Spiel diese traumhaften Abschnitte in Szene setzt. Das tolle Design in Kombination mit einer ansprechenden Grafik (bis auf die etwas rudimentären Charaktermodelle) sorgt für eine einzigartig-mysteriöse Stimmung, die einfach wie angegossen sitzt. Untermalt wird das Ganze noch durch ein gelungenes und sparsames Sounddesign mit raschelnden Blättern, sporadischen Effekten und feiner Musikuntermalung.
Zugegeben, die verschiedenen Sequenzen sind so rätselhaft wie interessant. Die Erzählweise erinnert ein wenig an Filme von Kultregisseur David Lynch, beziehungsweise teilweise auch an die abgefahreneren Szenen seiner grandiosen Serie Twin Peaks, jedoch ohne das befriedigende Narrativ drumherum. Nach etwa einer Stunde seid ihr am Ende angelangt, werdet noch einmal mit euren Entscheidungen konfrontiert, bekommt aber keine zufriedenstellende Auflösung der Geschehnisse. Vielmehr fragt ihr euch, was zum Henker ihr gerade eigentlich erlebt habt. Die Intention der Entwickler ist wahrscheinlich, dass Spieler ihre Erfahrungen austauschen und so den Sinn von Datura erörtern. Uns haben aber selbst die recht harten Konsequenzen der Entscheidungen kalt gelassen und die Verbindung zwischen den abgehackten Sequenzen erzählerisch so wenig motiviert, dass wir wohl keine Diskussionsgruppe der Anonymen Datura-Zocker einberufen werden.
… aber sicher kein gutes Spiel
So sehr die Erzählweise Geschmackssache ist, so sehr versagt Datura in spielerischer Hinsicht. Besonders die Steuerung per Move ist nicht ganz so kreativ und ansprechend geraten, wie die interessante Erzählweise vermuten lässt. Werdet ihr in eine surreale Szene geworfen, müsst ihr recht vorhersehbare Anweisungen befolgen, wodurch ihr die nächste Sequenz auslöst. Gewöhnt euch schon einmal daran, den Move Controller vor und zurück zu reißen, denn das ist quasi eure Standardbewegung. Euer Protagonist geht und dreht sich gar zu gemächlich, weshalb besonders die Suche nach neuen Interaktionsmöglichkeiten zu einer zähen Angelegenheit wird. An manchen Stellen ist die Steuerung sogar schlichtweg missglückt. Einige Passagen haben uns fast zur Weißglut gebracht, einfach weil die Bildschirm-Hand unseres Protagonisten so fummelig zu kontrollieren ist.
Das ist doppelt schade, denn die Lösungen für die Aufgaben sind so offensichtlich, dass Datura beinahe ins Banale abdriftet. Viel Nachdenken ist nicht nötig, ihr seid eher damit beschäftigt, zum nächsten Ort zu latschen, an dem ihr wieder mit dem Move Controller herumfuchteln müsst. Ein bisschen mehr freie Erkundung hätte dem Spiel sicher gut getan. So bleibt Datura eine Abfolge von Minispielen, bei denen ihr bestenfalls neugierig seid, was als Nächstes passier. Die paar Entscheidungsmöglichkeiten motivieren noch zu einem zweiten Durchlauf. Haben euch die Steuerungsmängel bis dahin noch nicht den letzten Nerv gezogen, ist spätestens dann die Luft raus.
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