Über 100.000 Spieler*innen auf Steam und seit Wochen in den Verkaufscharts: Cyberpunk 2077 ist noch populärer als zu seinem Release vor fast zwei Jahren. Und das, obwohl das Spiel zum Start berechtigt in der Kritik stand. Bugs, Ruckeln auf den alten Konsolen, eine sterile Welt, sinnlose Talente und fehlende Features. Die Aktien von CD Projekt Red brachen so weit ein, dass die Zukunft des Cyberpunk-Franchises mehr als nur auf der Kippe stand. Doch es geht weiter. Ein Comeback, welches nur wenigen Spielen vergönnt ist.
Aufgeben ist keine Option
Cyberpunk 2077 war wohl eines der am meisten erwarteten Spiele der letzten Jahre. Beeindruckende Trailer, große Versprechungen von Seiten des Entwicklers und unerschütterliches Vertrauen in CD Projekt Red auf Grund der erfolgreichen Witcher-Reihe. Das alles brachten dem Spiel schon vor Release hunderte Most-Wanted-Awards auf allen möglichen Messen ein.
Doch der verfrühte Launch war desaströs. Besonders die Technik der alten Konsolengeneration war (und ist zum Teil noch heute) in einem inakzeptablen Zustand. Bugs verhinderten Vorankommen in der Kampagne, Talente funktionierten nicht, die Straßen wurden heimgesucht von Klon-Armeen derselben NPCs, Spieler*innen wurden von simplen Sprüngen auf die andere Seite der Welt katapultiert und viele Features aus Trailern oder Interviews fehlten: Metros, Autotuning, Drohnen, Hacking-Takedowns oder Cyberpsychose.
Wie die Version 1.0 von Cyberpunk ausgesehen hat, ist noch in vielen YouTube Videos dokumentiert, so wie in dem vom stevenposting:
Link zum YouTube-Inhalt
Die Aktie von CD Projekt Red ging auf Talfahrt, von 101 Dollar auf gerade einmal 17 Dollar in nur wenigen Tagen. Doch im Gegensatz zu Publishern wie zum Beispiel EA, die sich ein Scheitern von Anthem dank konstantem Cashflow von Spielen wie FIFA leisten können, hing für CD Projekt Red viel von Cyberpunk ab. Schließlich waren acht Jahre in das Projekt geflossen und der nächste Witcher-Teil ist noch in einer frühen Phase der Entwicklung.
CD Projekt Red befand sich damit in einer ähnlichen Zwickmühle wie Square Enix 2010 mit dem Release von Final Fantasy 14, dessen Zustand den Publisher fast in den Ruin getrieben hätte. Damals beschloss man, das Spiel sogar vollkommen neu zu entwickeln, um den angeschlagenen Ruf wiederherzustellen. So weit gingen die Cyberpunk-Macher*innen zwar nicht, aber verlegten sich in den nächsten Monaten darauf zu retten, was noch zu retten ist.
Daher folgten fünf große Patches, die viele größere Probleme des Spiels behoben haben. Zusätzlich gab es kleinere Features, wie Wohnungen, ein Transmog-System und ein paar Gigs. Auch die Next Gen-Version für Xbox Series X und PS5 kann sich sehen lassen. Cyberpunk ist nun in einem Zustand, wie viele es zum Release erwartet hätten – zumindest aus technischer Sicht. Um Features kümmert sich die Community.
Die Community ergänzt was fehlt
Dass das Spiel nach dem verbockten Start trotzdem nicht ganz untergegangen ist, ist zu großen Teilen auch der engagierten Modding-Szene auf dem PC zu verdanken. Seit dem Release von Cyberpunk 2077 tummeln sich dutzende Mods auf Seiten wie Nexusmods, die Probleme angehen und Features einführen: Von fliegenden Autos, einem überarbeiteten Polizei-System, über die Metro aus den Trailern und sogar einem New Game Plus-Modus.
Ein Mod hat sogar die Cybersychose aus Edgerunners in Cyberpunk 2077 eingebaut:
Eine Selbstverständlichkeit ist so etwas nicht, denn der Release eines Spiels ist ein kritischer Punkt. Läuft dieser nicht rund, dann ziehen Spieler*innen oft zu anderen Titeln weiter, die ein vergleichbares Erlebnis liefern. Hier war dies jedoch nicht so einfach möglich.
Cyberpunk ist einzigartig
Habt ihr mal versucht RPGs in einem Cyberpunk-Setting zu finden? Heißen die nicht gerade Deus Ex oder Shadowrun, dann muss man schon ein paar Jahre zurückgehen, zu Titeln wie Anachronox (2001), Omikron (1999) oder Syndicate Wars (1997).
Cyberpunk 2077 ist in dem, was es tut, nahezu konkurrenzlos: Mit einem selbst erstellten Charakter vollkommen in ein Cyberpunk-Universum eintauchen. Diese Einzigartigkeit eines Settings ist nicht zu unterschätzen und hat auch schon anderen wiederbelebten Titeln geholfen. No Man's Sky, ein Spiel, dessen Start durchaus mit Cyberpunk vergleichbar ist, hatte zum Beispiel auch das Glück, dass Weltraum-Sims nicht unbedingt auf Bäumen wachsen. Daher blieben auch No Man Sky viele Spieler*innen treu, bis Hello Games es in seinen heutigen Zustand patchen konnte.
Spiele wie Anthem hingegen konkurrieren mit anderen Open World-Loot-Shootern wie Destiny, The Division oder Borderlands. Hier ist es schwer die Community zu halten.
Edgerunners bringt den Anstoß
Die Netflix-Serie Edgerunners war für CD Projekt Red ein voller Erfolg. Dank des großartigen Anime haben viele neue Spieler*innen die Welt von Mike Pondsmith überhaupt erst entdeckt, die sie nun im Spiel mit ähnlich gut geschriebenen Charakteren und spannender Story weiter erleben wollen. Ein ähnlicher Effekt, den schon die Witcher-Serie auf The Witcher 3 hatte, was auch von einem Moment auf den anderen zu einem erneuten Kassenschlager wurde.
Diese neuen Cyberpunk-Spieler*innen bekommen nun natürlich ein sehr viel besseres Spiel als noch im Dezember 2020 vorgesetzt und kennen die ursprünglichen Probleme überhaupt nicht. Dies geht sogar so weit, dass manche auf Reddit mittlerweile die Vermutung haben, dass Cyberpunk 2077 eigentlich nie kaputt war und der Zustand damals wohl nur übertrieben dargestellt wurde. Das ist zwar faktisch falsch, zeigt aber, wie stark sich die Meinung zu Cyberpunk verändert hat, was Tweets wie diese zeigen:
Hier hat CD Projekt Red ein gutes Händchen für Marketing und Timing bewiesen. Auf der Welle des Erfolgs kam nun die Ankündigung von Phantom Liberty und einem Cyberpunk-Nachfolger mit dem Codenamen “Orion”. Die Welt von Cyberpunk ist für die nächsten Jahre gerettet, doch einen weiteren Fehltritt wird sich CD Projekt Red nicht leisten können.
Nur angemeldete Benutzer können kommentieren und bewerten.
Dein Kommentar wurde nicht gespeichert. Dies kann folgende Ursachen haben:
1. Der Kommentar ist länger als 4000 Zeichen.
2. Du hast versucht, einen Kommentar innerhalb der 10-Sekunden-Schreibsperre zu senden.
3. Dein Kommentar wurde als Spam identifiziert. Bitte beachte unsere Richtlinien zum Erstellen von Kommentaren.
4. Du verfügst nicht über die nötigen Schreibrechte bzw. wurdest gebannt.
Bei Fragen oder Problemen nutze bitte das Kontakt-Formular.
Nur angemeldete Benutzer können kommentieren und bewerten.
Nur angemeldete Plus-Mitglieder können Plus-Inhalte kommentieren und bewerten.