Wenn wie im Fall von Clair Obscur: Expedition 33 ein Entwickler sein Spiele-Debüt veröffentlicht, das in ersten Trailern von der Bombast-Grafik bis zu frischen Gameplay-Ansätzen rundum fantastisch aussieht, dann ist bei mir stets leichte Skepsis angebracht. Zu oft haben überambitionierte Spiele wie Biomutant in jüngster Vergangenheit viel versprochen und letzten Endes wenig eingehalten.
Nachdem ich das Erstlingswerk von Sandfall Interactive jetzt vier Stunden anspielen konnte, kann ich jedoch Entwarnung geben. Mehr noch sogar! Seit Final Fantasy 10 hatte ich nicht mehr so viel Spaß mit einem klassischen 3D-”JRPG”, das mich von seiner hervorragend inszenierten und packenden Geschichte bis hin zum frischen Ansatz eines rundenbasierten Kampfsystems bestens bei Laune gehalten hat.
Das Wichtigste auf einen Blick
Plattformen: PS5, Xbox Series X/S, PC Release: 24. April 2025 Entwickler: Sandfall Interactive (Frankreich, 2020 gegründet) Genre: rundenbasiertes Rollenspiel (Third Person) Sprachausgabe: Englisch, deutsche Texte Preis: 49,99€
Eine packend inszenierte Geschichte, von der ich mehr will
Was Clair Obscur in seiner Geschichte erzählt, ist düster. Sogar sehr düster. Dreh- und Angelpunkt der Handlung ist die sogenannte Malerin, die alljährlich eine Zahl auf einen Monolithen zeichnet. Wird beispielsweise eine 18 gemalt, sterben alle Jugendlichen in diesem Alter. Das übergreifende Ziel ist daher recht “simpel”: Wir sollen das Mysterium hinter diesem grausamen Ritual aufdecken und die Malerin stoppen – und das soll mit einer Gruppe aus Elite-Soldaten und Magierinnen passieren, der sogenannten Expedition 33.
Ohne euch die anfängliche Handlung vorwegzunehmen, sei nur so viel gesagt: Nach Spielen der Demo wollte ich mehr über die von der französischen Belle Époque inspirierten, mystischen Fantasy-Welt herausfinden, was nicht nur an der packenden Prämisse liegt.
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Clair Obscur: Expedition 33 hat das Zeug zum RPG-Highlight, sagt auch Jonas in seiner Video-Preview.
Naughty Dog lässt grüßen
An dieser Stelle könnte mein Lob nämlich kaum größer ausfallen. Wie die Handlung von Clair Obscur in aufwändig inszenierten und hervorragend animierten Cutscenes präsentiert wird, ist erstklassig.
Hier muss sich das Rollenspiel vor Genre-Größen wie Final Fantasy oder Persona wahrlich nicht verstecken. Auch kam mir der Name Naughty Dog bei den brillant auf Englisch (und wahlweise Französisch) vertonten und geschriebenen Dialogen in den Kopf. Eine deutsche Vertonung wird es als kleinen Wermutstropfen allerdings nicht geben.
Clair Obscur spielt sich bislang wie ein klassisches, lineares JRPG
Weit weniger überrascht wurde ich hingegen vom Aufbau des Spiels, der sich stark an Klassiker wie Final Fantasy 10 oder Dragon Quest 8 orientiert.
Soll heißen, wir laufen mit unserer liebsten Held*in aus der (in der Demo) bis zu dreiköpfigen Truppe in der Third-Person-Ansicht durch einen recht schlauchförmig aufgebauten und grafisch zwar aufwändig inszenierten, jedoch recht kulissenhaften Abschnitt – größere Städte konnte ich bislang noch nicht besuchen. Wer die Extrameile läuft, findet entlang kurzer Abzweigungen beispielsweise etwas Geld, das bei fahrenden Händlern für Waffen und Rüstungen ausgegeben wird.
Apropos Händler: Den Besenkopf hier könnt ihr im Kampf herausfordern. Gewinnt ihr gegen den Händler, bietet er besonders gute Ware an. Eine coole Idee.
Kleinere, rundenbasierte Scharmützel gibt es viele, ab und an bin ich jedoch auch in besonders starke Gegner gestolpert. War beispielsweise der riesige Golem besiegt, gab’s als Belohnung ein starkes Schwert für Nahkämpfer Gustave. Wer sich die Hauptpfade weniger fordernd gestalten möchte, schaut sich daher besser gut um.
Kurz zum Schwierigkeitsgrad: Insgesamt habt ihr drei Stufen zur Auswahl, könnt euch aber jederzeit umentscheiden. Wer auf “normal” spielt, sollte vor einer Herausforderung nicht zurückschrecken oder alternativ die Abschnitte genauestens nach neuem Gear durchsuchen. Ist der Endboss dennoch zu zäh, erleidet ihr auf Wunsch im Story-Modus kaum noch Schaden.
War der sonnendurchflutete und überaus hübsche Waldabschnitt nach gut 90 Minuten geschafft, führte der Weg anschließend über eine frei begehbare und leicht herausgezoomte Weltkarte zum nächsten Biom. Einer recht surrealen Kulisse, in der ich scheinbar auf dem Meeresboden laufend unter Walen und Fischen marschiere.
Geschwommen wird jedoch nicht und die Luft geht meiner Truppe auch nicht aus. Was es mit dieser Quasi-Unterwasserwelt auf sich hat, habe ich nicht herausgefunden. Klasse schaut das Ganze jedenfalls aus und gibt mir die Hoffnung, dass sich die Entwickler*innen abseits der so oft gesehenen Sand- und Schnee-Landschaften mit frischen Ideen austoben.
Dieses rundenbasierte Kampfsystem macht einfach nur Spaß
Mein bislang größtes Highlight der Demo startet jedoch, wenn ich mich mit den abwechslungsreichen Monstern anlege, die auf den Wegen ihre Kreise ziehen.
Hier übrigens die Info, dass ihr wie in Dragon Quest 11 fix an Feinden vorbei laufen könnt – es gibt keine nervigen Zufallsbegegnungen. Fallt ihr den bizarren Gestalten in den Rücken haut oder ihnen geschwind von vorn eins über die Mütze bratet, wird ein Erstschlag ausgelöst und ihr seid im Kampf zuerst an der Reihe.
Sandfall hat sich für Clair Obscur ein auf den ersten Blick klassisches, rundenbasiertes Kampfsystem geschnappt, wie ihr es aus vielen JRPGs gewohnt seid. Ihr könnt einen normalen Angriff mit der Waffe ausführen, der euch Fähigkeitenpunkte verschafft. Die gewonnen Punkte setzt ihr in der nächsten Runde für Spezialattacken oder Zauber ein.
So markiert ihr beispielsweise ein Ziel, damit dessen Verteidigungswert sinkt, bretzelt Elementarmagie wie Blitze auf eure Widersacher oder heilt als Magierin Lune eure Truppe. Bei Bedarf können zudem gefundene oder gekaufte Items eingesetzt werden, um beispielsweise eine gefallene Kämpfer*in wiederzubeleben.
Die besondere Würze in den Scharmützeln entsteht jedoch durch Echtzeit-Elemente, die sich hervorragend ins Kampfsystem einfügen. An der Stelle übrigens die Anmerkung, dass ich für gewöhnlich großer Fan der eher ruhigen, rundenbasierten Kampfsysteme bin und mit Echtzeit-Systemen, wie beispielsweise denen aus der Xenoblade-Reihe, eher weniger anfangen kann.
Doch Sandfall gelingt für mein Empfinden der perfekte Mix.
Das beginnt mit dem Einsatz einer Muskete. Fähigkeitenpunkte könnt ihr nämlich auch nutzen, um Schwachstellen von Gegnern frei anzuvisieren und dabei ordentlich Schaden auszuteilen. Die wunden Punkte müsst ihr für jeden Gegnertyp jedoch erst herausfinden, wodurch mit der Zeit eine motivierende Lernkurve entsteht.
Dank gefundener (Waffen-) Perks, von denen ein Held nur drei zeitgleich ausrüsten kann, bekommt ihr zudem die Chance, Gegner mit Fernkampfangriffen beispielsweise in Brand zu setzen. Ist der Gegner generell anfällig für Feuer, hat der Gute nicht mehr viel zu lachen. Das führt wiederum dazu, dass jedes Monster wie ein kleines Rätsel ist, das wir Schritt für Schritt lösen können.
Die Betonung liegt hier übrigens auf “können”. Ihr könnt euch nämlich alternativ auf eure Reaktionen bei den gegnerischen Angriffen verlassen, wo wir zur zweiten cleveren Echtzeit-Komponente kommen.
Unser Trupp kann Hieben und auch magischen Angriffen ausweichen, sie blocken oder sie mit dem perfekten Timing parieren, wodurch wiederum ein mächtiger Gegenschlag eingeleitet wird. Zwar steuern wir dabei unsere Helden nicht frei, sondern drücken lediglich den entsprechenden Knopf, allerdings wirken die Kämpfe dadurch trotz reichlich Action auf dem Bildschirm recht strukturiert und gleichzeitig nicht zu passiv.
Für alle die beim Lesen an wenig spaßige Quick-time-Events denken, sei angemerkt, dass Gegner multiple Angriffe haben, die wir erkennen, lesen und auch richtig kontern müssen. Durch das Lernen der gegnerischen Angriffe entsteht mit der Zeit ein schöner Flow, der noch mehr Spaß macht, da die Scharmützel schlicht hervorragend aussehen und spektakulär inszeniert sind.
Um mit den Spezialangriffen noch mehr Schaden anzurichten oder mit dem Heilzauber mehr Lebenspunkte zu generieren, ist ebenfalls Timing gefragt. Wer im rechten Moment die entsprechenden Knöpfe drückt, profitiert. Dabei wirken verpatzte Eingaben allerdings niemals demotivierend. Es ist also nicht so, dass die Heilung dann komplett ausbleibt oder euer Schwertschwinger unmotiviert ins Leere haut. Lediglich der Extra-Boost bleibt aus.
Der Mix aus ruhigen Aktionen und schnellen Reaktionen motiviert ungemein und selten habe ich so flüssige und schicke Kämpfe in einem JRPG erlebt. Was die Trailer versprechen, wird zumindest bislang komplett gehalten.
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