Ungläubige Gesichter, offene Kinnladen und Gelächter -- die Meinungen der Redakteure, die sich um den Fernseher versammelt haben, reichen von »Was bitte ist denn hier passiert?« bis »Techland hat die Serie getötet«. Und tatsächlich: Mit Call of Juarez: The Cartel zeigt Entwickler Techland, wie man einer über Jahre hinweg hochwertigen Serie das Herz herausreißt und es den Fans noch zuckend vor die Nase hält.
Dass die Macher das Konzept der Vorgänger komplett über den Haufen schmeißen und den Spieler vom Wilden Westen ins Hier und Jetzt zerren, ist zwar unverständlich, aber irgendwie noch verkraftbar. Dass der Shooter dann aber auch noch gegen jede Regel moderner Videospielentwicklung verstößt und eine Story sowie deutsche Synchronisation aus der Hölle hat, verpasst ihm den Todesstoß. Oder um es mit den Worten von Ben McCall, des einzig verbliebenen Cowboys im Spiel, zu sagen: »Und ich sah ein fahles Pferd; und der darauf saß, sein Name war Tod, und er hatte eine Kugel mit deinem Namen darauf« -- ein Schelm, wer da vor seinem geistigen Auge »Call of Juarez« eingraviert sieht.
Story des Grauens
Doch worum geht es eigentlich? Um ein Drogenkartell auszulöschen, stellt die US-Regierung einen Spezialtrupp aus LAPD, Drogenfahndung und FBI zusammen. Und das könnte klischeehafter nicht sein: Da ist der harte Kerl, dessen Narben von seinen zig beinahe-Tod-Erfahrungen erzählen, da ist der Möchtegern-Gangster, der sich genauso verhält wie die Leute, die er im Auftrag der Regierung umlegt, und dann ist da auch noch die heiße, kleine Ghettobraut, die früher einmal Gang-Mitglied war und sich jetzt auf die Seite der Guten geschlagen hat. Das soll wohl alles cool sein, ist aber eigentlich nur ausgelutschter Standard aus der Lektion »Wie bastle ich mir eine billige Gangster-Story zusammen?«. So richtig korrekt verhält sich trotz Dienst für die Regierung keiner im Team: Egal, ob ihr die Kampagne mit Ben McCall, Eddie Guerra oder Kim Evans spielt -- herumliegende Geldbeutel und Handys verschwinden schnell und »unauffällig« in den großen Seitentaschen der eindimensionalen Hauptfiguren, um das eigene Taschengeld aufzubessern.
Die dünne Geschichte des Spiels, die mit einigen hanbüchenen Wendungen aufwartet, ist sozusagen eine Klammer, die die einzelnen Missionen zusammenhält. Die haben nämlich in der Regel nicht sonderlich viel gemein, außer dass ihr unzählige Gangster umlegen müsst. Mit wem ihr die Kampagne angeht, spielt kaum eine Rolle, denn die Hintergründe der möchtegern-coolen Undercover-Agenten unterscheiden sich kaum.
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