Als Actraiser 1993 für das SNES in Europa erschien, hatte es bereits knapp drei Jahre seit seiner Erstveröffentlichung in Japan auf dem Buckel. Dennoch fesselte das faszinierende Spielprinzip vor den Fernseher: Abwechselnd durfte man in Sidescroll-Levels aktiv Dämonen verdreschen, und anschließend aus der Vogelperspektive mit einem goldgelockten Engelchen als Quasi-Mauszeiger beim Aufbau von Städten Gott spielen.
Hört sich krude an, da Action und Göttersimulation zwei völlig unterschiedliche Genres sind, die sich im Grunde gegenseitig abstoßen müssten. Doch bei Actraiser passen die beiden Elemente wunderbar zusammen und harmonieren zu einem motivierenden Ganzen. Wunderschöne Grafik in den Actionszenen und der spektakuläre Soundtrack vom japanischen Altmeister Yuzo Koshiro (Streets of Rage, Shenmue) sind das Sahnehäubchen. Dass die ungewöhnliche Mischung auch 30 Jahre später noch gut funktioniert, zeigt das Remake Actraiser Renaissance, das völlig überraschend für PlayStation 4 und Switch erschienen ist.
Gegensätze treffen aufeinander
Unser Einstieg ins Spiel ist eine Action-Stage, in der wir eine von Gott beseelte Statue mit riesigem Schwert und über Plattformen hüpfend gegen allerlei Dämonen zu Felde ziehen lassen. Nach dem Sieg über den Stage-Boss wechselt dann abrupt das Genre. Wer an "Göttersimulation" denkt, hat wohl zunächst kleinteilige PC-Spiele mit komplizierten Menüs und viel Einarbeitungszeit vor Augen. Wie soll das bitte zu arcadiger 2D-Action passen? Man muss sich zwar drauf einlassen, aber das Ganze ist im Grunde so weit simplifiziert, dass es wunderbar flutscht. Und vor allem passt es zur Hintergrundstory um einen Gott, der durch den Glauben der Menschen zu Kräften kommen muss, um das Böse zu besiegen.
In den Aufbau-Stages kümmert ihr euch nach und nach um die Bedürfnisse von fünf Städten, die jeweils mit nur zwei Einwohnern starten. Ihr bestimmt, wo Straßen gebaut werden sollen, ebnet mit göttlicher Magie (oder Wundern) das Gelände für weitere Häuser ein und erledigt mit Pfeil und Bogen Monster. Die Biester steigen regelmäßig aus den vier dämonischen Höhlen pro Abschnitt empor, um eure Stadt zu verwüsten.
Ist eure Zivilisation entsprechend gewachsen, könnt ihr das Volk die Höhle versiegeln lassen, nachdem ihr selbst in Gestalt der göttlichen Statue eingegriffen habt, um dem dort hausenden Monster-Spawner den Garaus zu machen. Am Ende jedes Abschnitts steht eine weitere 2D-Action-Stage, die in einem Bosskampf gegen den jeweils ansässigen Stellvertreter des Bösen mündet. In jedem Aufbau-Abschnitt erhaltet ihr neue magische Sprüche, die ihr dabei einsetzen könnt.
Anrückende Monsterhorden
Soweit sollte das für Kenner des Originals vertraut klingen. Um ein wenig mehr Pepp in die Aufbau-Stages zu bringen, die euch jeweils immerhin gut und gerne zwei Stunden lang beschäftigen können, hat man sich beim Remake dafür entschieden, die Göttersimulation mit etwas Tower Defense zu würzen. Pro Stadt könnt ihr eine vorgegebene Anzahl von Verteidigungsanlagen bauen, die einfallende Monsterhorden daran hindern sollen, bis zu eurem Tempel vorzudringen und ihn zu zerstören.
Selbst eingreifen könnt ihr dabei nur bedingt, denn euer Engel ist darauf beschränkt, Wunder wie Blitzschlag zu wirken, die aber magische Energie verbrauchen. Nachschub dafür kommt sporadisch zusammen mit Gesundheitsauffrischungen über die Felder eurer Anhänger. In jeder Stadt gibt es zudem einen besonderen Helden, den ihr über die Karte dirigiert, um Monster zu verdreschen. Je nachdem, wie weit ihr im Spiel seid, könnt ihr nach dem Auffüllen einer entsprechenden Anzeige Helden aus anderen Städten zu Hilfe rufen, die ihr dann ebenfalls zu den Brennpunkten dirigiert.
In jedem Abschnitt gibt es eine vorgegebene Anzahl dieser Tower-Defense-Ereignisse, die nach Schlüsselpunkten in der Story starten. Es kann aber auch passieren, dass ihr zufällig von streunenden Monstern angegriffen werdet, nachdem alle Höhlen bereits versiegelt sind. Die Verteidigungsrunden sind eine nette Ergänzung zum simplen Aufbauteil des Originals, da sie Abwechslung ins ansonsten schnell etwas öde werdende Götterdasein bringen. Einziges Problem dabei war für uns im Test die fehlende Kontrolle über die Standorte der Verteidigungsanlagen. Torhäuser, die den Feind am Weiterkommen hindern sollen, lassen sich beispielsweise nur an bestimmten Plätzen errichten, die nicht immer nachvollziehbar sind. Logisch wäre es beispielsweise, das Herzstück der Stadt, den Tempel, nach allen Seiten mit solchen Torhäusern zu sichern. Doch das funktioniert nicht. Auch einmal angelegte Straßen, die Laufwege für unsere Helden und die Angreifer, lassen sich nicht verändern, um die Monster etwa auf bestimmte Pfade zu zwingen.
Technik-Check: Auf der Switch wird das Spiel derzeit von Mikrorucklern geplagt, die in den Action-Stages auftreten und hoffentlich mit einem Patch bereinigt werden. Bei der PlayStation-Version, auf der dieser Test basiert (gespielt auf der PS5), ist uns dieses Phänomen nicht störend aufgefallen.
Gewöhnungsbedürftige Optik
Actraiser Renaissance gibt sich grafisch deutlich moderner als sein 30-jähriges SNES-Vorbild. Logisch, man muss ja mit der Zeit gehen. Allerdings dürfte sich hier für einige Fans des Originals ein Stolperstein verstecken. Statt wunderschöner, handgezeichneter Grafik, erwartet euch in den Action-Stages ein komplett anderer Look. Sprites und Hintergründe erinnern an PlayStation-1-Titel mit vorgerenderten 2D-Objekten, wie etwa Skeleton Warriors. Dieser Grafikstil wirkt heute beinahe altbackener als die ursprüngliche SNES-Optik. Doch wenn man sich darauf einlässt, hat man sich schnell daran gewöhnt.
Absolut unantastbar ist hingegen der neu eingespielte (und auch als SNES-Original wählbare) Soundtrack mit seinen pompösen wie treibenden Fantasy-Action-Themen – na ja, nicht ganz unantastbar, denn das etwas zu simple Hintergrundgedudel der Aufbaulevels sorgt schnell für Kopfschmerzen.
Alles in allem ist Actraiser Renaissance ein damals wie heute durch seine ungewöhnliche Genremischung höchst interessantes Spiel, das mit Zugänglichkeit und Abwechslung punktet. Ob der Preis von 30 Euro allerdings gerechtfertigt ist, wagen wir ein wenig zu bezweifeln. Zehn Euro weniger fänden wir deutlich angemessener.
Nur angemeldete Benutzer können kommentieren und bewerten.
Dein Kommentar wurde nicht gespeichert. Dies kann folgende Ursachen haben:
1. Der Kommentar ist länger als 4000 Zeichen.
2. Du hast versucht, einen Kommentar innerhalb der 10-Sekunden-Schreibsperre zu senden.
3. Dein Kommentar wurde als Spam identifiziert. Bitte beachte unsere Richtlinien zum Erstellen von Kommentaren.
4. Du verfügst nicht über die nötigen Schreibrechte bzw. wurdest gebannt.
Bei Fragen oder Problemen nutze bitte das Kontakt-Formular.
Nur angemeldete Benutzer können kommentieren und bewerten.
Nur angemeldete Plus-Mitglieder können Plus-Inhalte kommentieren und bewerten.