10 Jahre Xbox 360 - Vom Underdog zum Publikumsliebling

Von der überkandidelten Enthüllung im Musikfernsehen über großartige Exklusivspiele bis hin zum Kinect-Flop: Wir blicken zurück auf ein ebenso bewegtes wie spannendes Jahrzehnt Xbox-360-Historie.

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Der US-Rapper Lil Jon freut sich wie ein Honigkuchenpferd über »eine kostenlose Xbox 360« für alle anwesenden (B-)Stars, Elijah »Frodo« Wood lässt sich als Marketing-Männlein instrumentalisieren, und die Killers trällern ihre größten Hits: Es ist der 12. Mai 2005, und Microsoft enthüllt seine zweite Heimkonsolengeneration. Nicht wie üblich auf einer Fachmesse, sondern im Rahmen einer 22-minütigen Dauerwerbesendung des Musikkanals MTV.

Die Veranstaltung gerät zur Farce, denn bis auf einzelne Trailerschnipsel und Werbephrasen gibt es nur wenig Erhellendes in Sachen Xbox 360 zu vermelden. Wenigstens wird die Namensgebung der revolutionären Hardware erläutert: »Immer online, immer personalisiert, immer HD« soll sich die Konsole um die individuellen Wünsche der Spieler drehen, daher die Anlehnung an einen Kreis mit 360 Grad.

Von schnellen Mädchen und absurden Ankündigungen

Auf der folgenden E3 in Los Angeles geht Microsofts Projektleiter J. (James) Allard dann ins Detail - und schießt mit seinen Versprechungen etwas übers Ziel hinaus. Der kahlköpfige Xbox-Frontmann erzählt von einer fiktiven Userin mit dem Gamertag Velocity Girl, die im Online-Marktplatz der 360 selbst designte Ingame-Items anbieten könne.

J. Allard ist einer der führenden Köpfe hinter dem Hardware-Design der Xbox 360. J. Allard ist einer der führenden Köpfe hinter dem Hardware-Design der Xbox 360.

Aus heutiger Sicht legendärer Unsinn, der nie in die Tat umgesetzt wurde. Dabei hat die eigentliche Konsole solche Nebelkerzen gar nicht nötig: Mit moderner Chip-Architektur, erstaunlichen Multimedia-Funktionen und wegweisenden Onlineservices macht Microsoft mächtig Druck auf die Sony-Konkurrenz, gegen die man als Underdog startet.

Letztere hat sich zu diesem Zeitpunkt nämlich verrannt. Der für die PS3 angedachte Super-Chip mit dem Codenamen Cell verschlingt Milliarden an Produktionskosten und lässt sich zudem noch extrem schwer beherrschen. Vorteil Xbox 360: Deren Architektur mit Dreikern-Prozessor von IBM, ATI-Grafikkarte und 512 Megabyte Arbeitsspeicher ähnelt einem gängigen PC.

Entsprechend umfangreich ist dann auch das Spieleaufgebot zum Verkaufsstart Ende 2005, 15 Titel stehen für europäische Kunden zur Wahl. Einer davon landet hierzulande jedoch gleich auf dem Index und wird später gar beschlagnahmt.

Gut und schlecht:Die Top- und Flop-Spiele der Xbox-360-Ära

So sieht die allererste Version der Xbox-360-Hardware samt Controller aus. So sieht die allererste Version der Xbox-360-Hardware samt Controller aus.

In Sachen 360-Exklusivität werden die Hoffnungen der Fans jedoch ein wenig enttäuscht. Besonders die hochgehandelte Rare-Produktion Perfect Dark Zero bleibt hinter ihren Möglichkeiten zurück, das Rennspiel Project Gotham Racing 3 läuft gar nur in einer Auflösung von 1024x600 Pixeln und führt den »immer HD«-Anspruch ad absurdum. Dennoch sind die Verkaufszahlen prächtig und Microsoft nutzt seinen knapp einjährigen Release-Vorsprung im Kampf mit der PS3, zehn Millionen Geräte werden bis Ende 2006 an den Handel ausgeliefert. Doch der frühe Start in die HD-Ära wird schon bald zum Bumerang.

Mitten in der Hitze des Konsolen-Gefechts

Zahlreiche Kunden berichten bereits wenige Monate nach dem 360-Release über Hardware-Probleme, die von der Xbox 360 mit einem rot blinkenden Ring um den Startknopf herum quittiert werden. Dieses »Red Ring of Death« getaufte Phänomen ist kein Zufall: Minderwertige Lötverbindungen im Inneren der 360 beginnen aufgrund von Überhitzung langsam, aber sicher zu zerbröseln.

Der größte Skandal in der Geschichte der Xbox 360: Ein Überhitzungsproblem sorgt dafür, dass unzählige Konsolen den Geist aufgeben. Der größte Skandal in der Geschichte der Xbox 360: Ein Überhitzungsproblem sorgt dafür, dass unzählige Konsolen den Geist aufgeben.

Im Juni 2007 gibt Microsoft den Fauxpas öffentlich zu, verlängert die Garantiezeit rückwirkend auf drei Jahre und legt über eine Milliarde US-Dollar für anfallende Reparaturkosten zurück. Zudem wird wenige Monate später ein verbessertes Mainboard (Falcon) samt größerem Kühler in den neu produzierten Konsolen verbaut, um den roten Todesring ein für allemal zu besiegen.

In den folgenden Jahren macht die Xbox 360 fast nur noch positive Schlagzeilen: Großartige Exklusiv-Serien wie Halo, Forza oder Gears of War verstärken regelmäßig das Spiele-Line-Up, und Multiformat-Titel sehen im Vergleich zur schwer zu programmierenden PS3 meist dezent besser aus.

Und dann ist da ja noch Xbox Live: Der Onlineservice ist dem PlayStation Network in Sachen Funktionalität und Komfort um Jahre voraus.Ständige Systemsoftware-Updates zementieren Microsofts Marktführerstatus in diesem Segment.

Die Videospiel-Welt ist manchmal eine Scheibe

In Sachen Datenträger hat indes Sony den besseren Riecher: Während die Xbox 360 ganz konservativ auf klassische DVDs setzt, kommt die PlayStation 3 mit einem Blu-ray-Laser daher und spielt entsprechend auch Full-HD-Filmscheiben ab. Statt den Fehler einzugestehen, bringt Microsoft gar ein externes HD-DVD-Laufwerk auf den Markt, doch das Konkurrenzformat der Blu-ray-Disc floppt.

Mit anderem Zubehör haben die Redmonder indes mehr Glück. Besonders der 360-Controller wird zum Vorzeigeexemplar seiner Zunft. Straffe Analogsticks, ergonomische Form, clever angeordnete Schultertasten: So muss ein modernes Gamepad aussehen. Zumal der zentrale Guide-Knopf eine wegweisende Idee verwirklicht: Denn durch ihn kann man jederzeit (also auch im laufenden Spiel) auf Nachrichten, Achievements und weitere Funktionen zugreifen.

Zu Beginn kommt die Xbox 360 noch ohne WLAN-Funktion daher. Wer drahtlos online spielen will, braucht einen Adapter. Zu Beginn kommt die Xbox 360 noch ohne WLAN-Funktion daher. Wer drahtlos online spielen will, braucht einen Adapter.

Damit wird das vom PC bekannte Multitasking endlich auch auf Konsolen salonfähig. Da lässt es sich dann auch locker verschmerzen, dass das Digikreuz ziemlich schwammig ist. Die Urversion der 360-Hardware kommt noch ohne HDMI-Ausgang daher, ergo werden die Bildsignale per Komponentenkabel an den Fernseher übertragen.

Anfangs kann die Konsole nur maximal 1080i darstellen, ein Software-Update hebt die Auflösung im Herbst 2006 auf 1080p. Die Modelle ab Ende 2007 werden zudem mit dem modernen HDMI-Anschluss ausgerüstet. Auf eine drahtlose Online-Anbindung ab Werk müssen Xbox-Spieler hingegen sogar noch drei Jahre länger warten. Erst die Xbox 360 Slim (eine verschlankte Hardware-Revision) von 2010 verfügt über einen internen WLAN-Adapter - zuvor musste dieser noch separat erworben werden.

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