2018 veröffentlichte Microsoft den Xbox Adaptive Controller. Er lässt sich mit einer Vielzahl externer Peripheriegeräte verbinden, um die individuellen Bedürfnisse von Spieler*innen mit Behinderungen oder chronischen Krankheiten erfüllen zu können. Neuere Spiele des Xbox-Herstellers, wie Gears 5, erscheinen mit einer diversen Palette an Zugänglichkeitsoptionen, ältere Titel, wie Forza Horizon 4, erhalten nachträgliche Accessibility-Updates. Selbst das Bildschirmerlebnis der Konsolen ist anpassbar.
Es scheint, als solle noch die letzte Faser der Xbox-Erfahrung so niedrigschwellig wie möglich sein. Laut Anita Mortaloni, Director of Accessibility bei Xbox, sei genau das das Ziel: "Wir arbeiten daran, das gesamte Gaming-Ökosystem zugänglicher zu machen." Es reiche dabei nicht, Entwickler*innen für Xbox bloß um zugänglichere Spiele zu bitten. Mortaloni betont: "Wir stellen die Ressourcen bereit, die ihnen beim Start ihrer Arbeit helfen."
Dazu zählen die etwa die umfangreichen Xbox Accessibility Guidelines. "Für Designer*innen sind die ein Katalysator für neue Ideen", erklärt die Accessibility-Chefin. "Und für Entwickler*innen dienen sie als Checkliste, mit der sie prüfen können, ob ihre Spiele tatsächlich zugänglich sind."
Auf diesen Richtlinien basiert wiederum der sogenannte Gaming and Disability Player Experience Guide. Er informiert über Barrieren in Spielen, situationsabhängige Behinderungen oder beleuchtet wie Menschen mit Behinderung spielen. "All das zusammenzubringen entmystifiziert Accessibility, und erleichtert es dadurch, vom ersten Tag an der Zugänglichkeit zu arbeiten", betont Mortaloni.
Xbox arbeitet eng mit Menschen mit Behinderungen zusammen
Für Xbox sei die enge Zusammenarbeit mit Menschen mit Behinderungen oder chronischen Erkrankungen daher unabdingbar. Denn Zugänglichkeit müsse bereits in der Planung des Produktdesigns berücksichtigt werden und sich durch den Entwicklungsprozess ziehen.
"Für uns heißt das, aktiv Perspektiven von Spieler*innen mit Behinderungen zu suchen, um gezielt Titel, Ökosysteme und Communities zu erschaffen, in denen sich Spieler*innen und Creators mit Behinderungen willkommen, sicher und repräsentiert fühlen."
So entsteht unter anderem die Xbox Accessibility Insider Liga (XAIL). Dank ihr können Spieler*innen mit Behinderungen oder chronischen Krankheiten sowie Unterstützer*innen der Community Feedback zur Zugänglichkeit von Spielen direkt an Entwickler*innen weiterleiten.
Der neue Navigationsping in Gears 5 ist ein Ergebnis dieser Zusammenarbeit. "Unser Team hatte die Idee dafür von hörgeschädigten Playtester*innen erhalten", meint Mortaloni. "Dann haben die Entwickler*innen viel Zeit damit verbracht, das Spiel auf eine audio-zentrierte Erfahrung anzupassen, damit das Feature den gewünschten Effekt hat."
Im Xbox-Store ist Luft nach oben
Solche Anpassungen allein reichen aber nicht für eine zugängliche Spielerfahrung. Accessibility-Optionen müssen transparent beworben werden, sodass Spieler*innen mit chronischen Erkrankungen oder Behinderungen überhaupt wissen, welche Titel ihren Bedürfnissen gerecht werden. Nicht zuletzt, weil Demos mittlerweile die Ausnahme statt der Regel sind und neue Titel mit Preisschildern von bis zu 80 Euro Fehlkäufe schmerzen lassen.
Das weiß auch Mortaloni:
"Für uns reichen zugängliche Spiele nicht, wenn unsere Community sie nicht finden kann. Es kann sehr frustrierend sein, ein Spiel zu kaufen und es dann nicht spielen oder beenden zu können."
Trotz des besseren Wissens kann der Kauf im Xbox-Store für Spieler*innen mit Behinderungen oder chronischen Erkrankungen frustrieren. Wer zum Beispiel eine digitale Kopie des zugänglichen Gears 5 auf der Xbox runterladen möchte, kann dort nur einen Bruchteil der zahlreichen Accessibility-Features nachlesen.
Viele Details, nur meistens für andere Dinge
Dazu gehören Controller Remapping, die Unterstützung des Xbox Adaptive Controllers oder verbesserte Untertitel. Konkrete Beispiele, wie der Navigationsping, fehlen noch. Andere zugängliche Titel von externen Studios, wie Ubisofts Assassin's Creed Valhalla, erwähnen ihre Accessibility-Optionen gar nicht. Ärgerlich ist, dass stattdessen jeder Titel genaue Informationen über technische Fähigkeiten, wie 4K-Auflösung oder HDR10-Support präzise bewirbt.
Laut Mortaloni sei sich Xbox dieses Problems bewusst. "Wir arbeiten derzeit an verschiedenen Lösungen, die unserer Community helfen sollen." Welche Lösungen das sind, kann sie allerdings noch nicht preisgeben.
Besser sieht da schon der Social Media-Auftritt von Xbox aus. Hier werden die Bedürfnisse von Spieler*innen mit Seh- und Höreinschränkungen konsequent berücksichtigt. Spieletrailer mit Voice Over sind untertitelt; lediglich Beschreibungen für Musik, wie man sie von Netflix kennt, fehlen.
Zudem versieht Xbox Bilder mit Alt-Text, seien es die Werbebilder auf dem internationalen beziehungsweise deutschen Hauptaccount auf Twitter oder die Memes, die das Social Media-Team von Xbox Game Pass regelmäßig postet. Mortaloni erklärt: "Wir betrachten Spiele nicht nur als Endprodukt, es geht auch um die Nutzer*innenerfahrung. Wir wollen sichergehen, dass alle den Trailer direkt am ersten Tag sehen können. Es macht schließlich keinen Spaß, drei Wochen zu spät zur Party zu kommen."
Accessibility bedeutet auch Sicherheit
Die soziale Seite des Gamings gehört natürlich nicht allein dem Marketing. Spätestens die Pandemie hat bewiesen: Multiplayer-Titel bieten eine ideale Gelegenheit, mit Freund*innen zusammenzukommen. Bestenfalls kann man ein ganzes Team mit vertrauten Gesichtern füllen. Wer diesen Luxus nicht hat, oder generell allein online spielt, ist dem Risiko feindseliger Kommentare fremder Mitspieler*innen ausgesetzt.
Allein in den USA haben über 80 Prozent aller Spieler*innen mindestens einmal Bedrohungen in Online-Games erfahren. 25 Prozent davon waren Spieler*innen mit Behinderungen. Hinzukommen andere Formen der Aggression, wie diskriminierende Gamertags - Dinge, vor denen auch das Spielen mit einem Team aus Freund*innen nicht schützt. Für solches Verhalten hat Xbox keine Toleranz. Das vermitteln schon die Community-Standards: "Hass hat hier keinen Platz."
Erhalten Spieler*innen Nachrichten, die diese Standards verletzen, können sie sich an das Sicherheitsteam von Xbox wenden. Dasselbe gilt für das Entdecken sonstiger diskriminierender Inhalte. "Das Team schaut sich dann die Meldung an und ergreift entsprechende Maßnahmen", so Mortaloni. Die reichen Sperren fürs Chatting und Online-Spielen, bis zum Löschen eines Accounts.
In Ausnahmefällen können noch drastischere Schritte eingeleitet werden. Mortaloni versichert: "Wenn es sein muss, schrecken wir auch nicht vor Strafverfolgung zurück." Ob das aber schon mal nötig war, kann sie nicht sagen.
"Kompromisslosigkeit" beschreibt diesen Ansatz wohl am besten. Anders ließe sich das selbsterklärte Ziel des Unternehmens wahrscheinlich nicht erreichen: "Wir möchten das Leben aller Spieler*innen weltweit mit unseren Spielen angenehmer machen, und zwar unter allen Umständen", meint Mortaloni. "Und wenn wir alle sagen, meinen wir alle."
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