Vega und 12 GByte RAM?
Die von Microsoft angegebenen 6 Teraflops passen also durchaus zu der angepriesenen 4K-Fähigkeit von Scorpio. Wenn man allerdings allein den Preis und die Chip-Größe von PC-Grafikkarten bedenkt, die in aktuellen Titeln spielbare fps in 4K ermöglichen, dann ist es eine beachtliche Leistung, ähnlich viel Rechenleistung in eine Konsole mit einem kombinierten Chip, der CPU und GPU vereint (»Accelerated Processing Unit/APU« beziehungsweise »System on a Chip/SoC«), zu packen.
Es ist sehr wahrscheinlich, dass dabei erneut AMD-Hardware zum Einsatz kommt. Während aber für Sonys Playstation Neo eine GPU auf Basis der Polaris-Architektur wie die Radeon RX 480 für den Mainstream-Markt vermutet wird, spricht die Angabe von sechs Teraflops im Falle der Xbox Scorpio eher für die Verwendung der Vega-Architektur, die für den High-End-Bereich gedacht ist. In den mittlerweile offiziellen Angaben von AMD zur RX 480 ist in Bezug auf den stärkeren Polaris 10-Chip schließlich nur die Rede von »mehr als 5 Teraflops«.
Bemerkenswert ist auch, dass Microsoft weiterhin auf einen einzigen Haupt-Chip setzt, statt wie teils vermutet auf jeweils eigene Chips für CPU und GPU. So ist im zu Beginn dieses Artikels zu sehenden Ankündigungs-Video klar die Rede von einem »System on a Chip«, und dieser Chip ist auch samt Hauptplatine und Kühlung zu sehen (wenn auch nur in gerenderter statt in real abgefilmter Form). Ob und wenn ja wie viel die gezeigte Hardware mit dem tatsächlichen Innenleben der neuen Konsole zu tun hat, ist zwar noch nicht klar, das Videomaterial bietet aber interessanten Anlass zur Spekulation.
So sind darin zwölf kleinere, um die APU herum angeordnete Chips zu sehen, die auf eine Aufstockung des RAMs hindeuten. Bei der XBox One kommen noch 8,0 GByte DDR3-Speicher zum Einsatz, im Falle von Scorpio könnten es dagegen 12,0 GByte GDDR5(X)-Speicher sein (die sich CPU und GPU teilen). Während die Speichermenge noch nicht offiziell bestätigt wurde, steht allein aufgrund der angegebenen Speicherbandbreite von 320 GByte/s quasi fest, dass mindestens GDDR5 statt DDR3 verwendet wird. Der besonders kompakte HBM-Speicher, wie in etwa die Radeon R9 Fury X aus dem PC-Bereich verwendet, ist dagegen schon mit Blick auf die im Video zu sehende Chip-Größe sehr unwahrscheinlich, gleichzeitig dürfte er auch zu teuer sein.
Ebenfalls im Video zu erkennen: Eine Radial-Lüfter-Konstruktion, die in ähnlicher Form bei vielen Referenzmodellen von Grafikkarten und auch in der PlayStation 4 zum Einsatz kommt. Die APU der Xbox One wird dagegen mit einem Axial-Lüfter in einem Top-Blow-Design gekühlt. Details zur CPU wie die Taktrate oder die zugrunde liegende Architektur sind abseits der (gleichbleibenden) Zahl von acht Prozessor-Kernen noch nicht bekannt, es ist allerdings denkbar, dass sie auf AMDs kommender Zen-Architektur basiert.
Sony unter Zugzwang
Sollten die bereits von verschiedenen Quellen nahe gelegten Leistungsdaten der neuen PlayStation Neo tatsächlich stimmen, dürfte Sony einen gewissen Druck verspüren. Der Neo-Konsole werden bislang schließlich nur 4,2 Teraflops an Rechenleistung nachgesagt – damit würde Project Scorpio grob über 50 Prozent mehr 3D-Power verfügen, ähnlich wie die aktuelle PS4 gegenüber der Xbox One.
Während die Xbox One mit 1,31 Teraflops klar hinter der PlayStation 4 mit 1,84 Teraflops liegt, was sich in Kombination mit dem spürbar langsameren DDR3-Speicher auch in Spielen teils durch eine niedrigere Auflösung und/oder weniger fps bemerkbar macht, hätte Microsoft mit der Xbox Scorpio gegenüber Sonys Neo-Konsole auf einmal klar die Nase vorn.
Erscheint die PlayStation Neo wie unter anderem von den Kollegen von Digital Foundry vermutet noch in diesem Jahr, dürfte es für Nachbesserungen an der Hardware schon zu spät sein, dafür hätte Sony aber zumindest zeitlich einen deutlichen Vorsprung gegenüber der Xbox Scorpio, die ja erst im Weihnachtsgeschäft 2017 auf den Markt kommen soll.
Gerade mit Blick auf die vergleichsweise hohen Anforderungen an die Hardware für flüssiges Spielen in 4K und VR wäre Microsoft in diesem Szenario für die Zukunft deutlich besser aufgestellt. Das ist im Konsolenbereich ein nicht zu unterschätzendes Argument – auch wenn es in den nächsten Jahren möglicherweise häufiger neue Konsolen-Versionen geben könnte, womit sich Xbox & Co dem PC immer weiter annähern würden.
Über ein sehr wichtiges Detail herrscht allerdings noch Unklarheit: den Preis. Wo genau die Schmerzgrenze für Neukäufer oder Aufrüster von den ersten Versionen liegt, lässt sich nur mutmaßen. Mehr als 600 Euro dürften aber in jedem Fall eine große Hürde darstellen. Aussagen von Xbox-Chef Phil Spencer gegenüber der englischsprachigen Webseite MCV, laut denen Scorpio zu einem »Premium-Preis« verkauft werden soll, sprechen dafür, dass zumindest die neue Xbox-Konsole diesen Preisrahmen sprengen dürfte.
Ebenfalls nicht zu vergessen: 4K-Fernseher (beziehungsweise Monitore) und VR-Brillen sind noch nicht weit verbreitet. Wer in vollem Umfang von der zusätzlichen Leistung der neuen Konsolen profitieren will, der wird also in vielen Fällen noch mehr Geld für zusätzliche Hardware in die Hand nehmen müssen.
Prinzipiell ließe sich der Performance-Schub auch ohne diese Zusatz-Hardware für höhere fps oder bessere Grafikqualität (Antialiasing, etc.) nutzen, aber auch in diesem Fall sorgt das Interview von MCV mit Spencer eher für Ernüchterung: Seiner Einschätzung nach lohne sich der Kauf von Scorpio schließlich nur mit einem 4K-Fernseher (auch wenn Spencer später wieder etwas zurückgerudert ist).
Es ist gut möglich, dass Sony mit der PlayStation Neo keinen vergleichbaren Premium-Ansatz verfolgt und die neue Konsole zu deutlich günstigeren Preisen als die Xbox Scorpio auf den Markt bringt. Im nächsten oder übernächsten Jahr könnte dann schließlich immer noch eine neue Sony-Konsole erscheinen, die dann wiederum Scorpio in Sachen Rechenleistung überflügeln dürfte. Ob uns damit in Zukunft eine Art Wett-Aufrüsten im Konsolenbereich ins Haus steht, ist jetzt allerdings noch nicht abzusehen.
Zwar betonen sowohl Microsoft als auch Sony immer wieder, dass sie ihre Spielergemeinden nicht spalten wollen und versprechen, dass keine Spiele exklusiv für die neuen Konsolen-Generationen erscheinen werden. Eine solche Spaltung dürfte sich allerdings in Anbetracht der voraussichtlich anstehenden Leistungssprünge kaum verhindern lassen, zumal die garantiert kommenden Grafik- und Performance-Vergleiche innerhalb einer Konsolen-Familie deutlich zeigen dürften, welche Vorteile die zusätzliche Leistung bringen kann.
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