Ende der Vierziger des letzten Jahrhunderts ereignete sich einer der rätselhaftesten Vorfälle der modernen Schifffahrtsgeschichte. So rätselhaft, dass er Jahre später ungelöst bleibt und sogar ein Videospiel inspirierte: Das Horror-Adventure Man of Medan.
Schon der Name des Spiels ist eine direkte Übersetzung des Schiffsnamens aus dem Indonesischen, und auch viele andere Dinge scheinen direkt aus den alten Berichten übernommen. Doch was ist eigentlich passiert? Was lässt sich beweisen? Wir haben die Fakten für euch zusammengetragen.
Gruselige Glitches: Man of Medan im Test
Spoilerwarnung
Obwohl die Geschehnisse öffentlich zugänglich sind, sind sie wahrscheinlich nicht jedem bekannt. Wollt ihr Man of Medan völlig unvoreingenommen spielen, solltet ihr hier nicht weiterlesen.
Was ist passiert?
Um das einmal vorwegzunehmen: Das Schicksal der SS Ourang Medan ist sehr rätselhaft, und mehrere Quellen berichten unterschiedliche Dinge. Wir haben uns jeweils für die Version entschieden, die im Kontext der Dinge am plausibelsten klingt.
Das fängt schon bei dem Tag des Vorfalls an: Entweder im Juni 1947 oder Februar 1948 geht bei zwei amerikanischen Handelsschiffen ein Hilferuf ein, gefolgt von einer Bitte nach einem Arzt. Die Morse-Nachricht, die aus der Nähe von Malaka in Sumatra kam, besagte:
"S.O.S. von der Ourang Medan --- Wir treiben. Alle Offiziere, inklusive des Kapitäns, sind tot im Kartenraum und auf der Brücke. Wahrscheinlich ganze Crew tot. --- "
Es folgten ein paar nicht entzifferbare Morsecodes, gefolgt von zwei schlichten Worten:
"Ich sterbe"
Danach brach der Kontakt ab. Eines der beiden Handelsschiffe, die Silver Star, machte sich auf den Weg zur Medan, doch weil diese 210 Seemeilen weit entfernt trieb, erreichte die Silver Star sie erst am nächsten Tag. Die Besatzung fand die Medan im Ozean treibend, ohne äußerliche Schäden, aber auch ohne ein Lebenszeichen. Einzig eines der Rettungsboote fehlte.
Die Mannschaft schickte einen Erkundungstrupp los, der laut eigenen Berichten geradewegs in einen Horrorfilm stolperte: Das gesamte Oberdeck war voller toter Seemänner, Gesichter in Schrecken verzogen, mit offenen Mündern und stierenden Augen. Die Leichenstarre hatte bereits eingesetzt und sie in seltsamer Verteidigungsposition verharren lassen. Die Verwesung hatte bereits eingesetzt, und war bereits sehr viel weiter fortgeschritten, als eigentlich möglich sein sollte.
Unter Deck fand man den Kapitän auf der Brücke, in der gleichen Position, eine weitere Gruppe schien sich im Kartenraum verschanzt zu haben, aber auch gestorben zu sein. Das gleiche Bild zeichnete sich im Maschinenraum und an der Morsestation, wo der Offizier, der den Hilferuf abgesetzt hatte, ebenfalls leblos neben dem Morsegerät lag.
Nicht doch der Hund!
Sogar das Schiffsmaskottchen hatte nicht überlebt, was auch immer passiert war: Man fand den kleinen Terrier, die Lefzen zu einem Knurren verzogen, genau so leblos wie alle anderen.
Niemand wies sichtbare Verletzungen auf, das Schiff hatte keine offensichtlichen Schäden und auch der Maschinenraum war noch immer in Betrieb. Die Crew der Silver Star entschied, das Schiff zum nächsten Hafen zu schleppen und dort untersuchen zu lassen, doch urplötzlich strömte Rauch aus dem Ladedeck 4 der Medan.
Der Kapitän gab den Befehl zum Rückzug und kurz, nachdem alle von Bord waren, wurde aus dem Rauch Feuer und aus dem Feuer mehrere Explosionen, die das Schiff ganz langsam kentern ließen. Mit dem Schiff verschwanden alle Beweise für diesen wirklich seltsamen Vorfall.
Interessanterweise nahm der Kapitän zwar Berichte auf, doch das rätselhafte Ereignis schlug keine Wellen. Erst Monate später gerieten erste Berichte in Zeitungen an die Öffentlichkeit. Doch die Geschichte wird angezweifelt: Bis heute erscheint die Medan nämlich in keinem Schiffsregister. Was könnte also wirklich passiert sein?
Mögliche Erklärungen
Um das mal vorwegzunehmen: Wir können natürlich nicht sicher sagen, was damals passiert ist. Schließlich waren wir nicht dabei. Allerdings gibt es ein paar sehr schlüssige Theorien, die wir weiter unten für euch zusammengestellt haben.
Theorie 1: Kohlenstoffmonoxidvergiftung
Da niemand die Leichen untersuchen konnte oder sich zu der Zeit näher mit dem Vorfall beschäftigte, können wir bis heute nicht mit Sicherheit sagen, was passiert ist. Eine Theorie könnte eine Kohlenstoffmonoxidvergiftung durch eine defekte Leitung sein.
Doch die würde die Männer nicht in so seltsam verrenkten Positionen zurücklassen und wäre auch vom Rettungstrupp bemerkt worden, schließlich stinken die Abgase, die zusammen mit dem Stoff aufgestiegen wären, furchtbar. Eine Kohlenstoffmonoxidvergiftung wäre also eher unwahrscheinlich.
Theorie 2: Japanische Massenvernichtungswaffen
Möglich ist auch, dass die Ourang Medan deswegen nicht registriert war, weil sie geheime Regierungsbesitztümer schmuggelte. Laut einer Theorie transportierte die Medan Güter aus einem berüchtigten japanischen Forschungslabor, der Unit 731. Die war während des zweiten Weltkriegs dafür bekannt, grausige Experiemente an amerikanischen und chinesischen Kriegsgefangenen durchzuführen und mit ihnen neue Antipersonenminen zu testen.
Handelt es sich also um einen bis dato unentdeckten Kampfstoff? Ebenfalls eher unwahrscheinlich. Auch hier wäre der Rettungstrupp zu Schaden gekommen.
Theorie 3: Blausäure
Oder handelt es sich am Ende um einen Kampfstoff, den wir leider nur zu gut kennen? Hier kommt die Aussage eines Schiffbrüchigen ins Spiel, der behauptet, erster Offizier der S.S. Ourang Medan gewesen zu sein. Ein italienischer Missionar fand ihn und sechs andere in einem Rettungsboot auf den Marschallinseln. Er war der einzige Überlebende.
Der Offizier erzählte dem Missionar, wie er in einem chinesischen Hafen angeheuert worden war, ohne das jemand seine Papiere sehen wollte. Daraus und weil die Medan gängige Verkehrsrouten mied und ihre Fracht nur bei Nacht aufnahm schloss er, dass es sich um eine Schmugglerfahrt handelte. Was geschmuggelt wurde, wusste er zunächst nicht.
Doch als zehn Tage nach Beginn der Reise die ersten Männer aus dem Heizraum erkrankten, gefolgt von beinahe dem gesamten Maschinenraumpersonal, wurde er misstrauisch und checkte die Ladung. Er fand insgesamt 14.000 Kisten Schwefelsäure und Zyankali, zusammen mit mehreren Kanistern Nitroglycerin. Eine genau so giftige wie explosive Mischung.
Als der Offizier seinen Kapitän auf die Gefahren dieser Substanzen hinwies, weigerte dieser sich jedoch, Hilfe zu rufen. Kein Wunder: Sollte der Kapitän wirklich ein Schmuggler sein, droht im bei Kontakt mit der Außenwelt schlimmes.
Doch der Offizier nahm die Gefahr sehr ernst und floh noch in der gleichen Nacht mit sechs Kameraden im Rettungsboot in Richtung Festland. Drei Wochen trieben sie auf dem Ozean, was sechs von ihnen das Leben kostete. Und auch der Offizier verstarb kurz, nachdem er seine Geschichte erzählt hatte.
Wie wahrscheinlich ist es?
Diese Theorie ist die für uns wahrscheinlichste. Zum einen, weil es einen Augenzeugen gibt. Zum anderen, weil Schwefelsäure und Zyankali wirklich gefährlich sind. Bei einer Beschädigung der Kisten hätte Blausäure (oder: Cyanwasserstoff) austreten können.
Blausäuredämpfe sind farblos, brennbar und flüchtig, weswegen sie wahrscheinlich nicht mehr spürbar waren, als der Rettungstrupp auf den Plan trat. Zwar wird dem Stoff nachgesagt, scharf oder nach Bittermandel zu riechen, doch ein Großteil der Bevölkerung nimmt überhaupt keinen Geruch war.
Kontakt mit Blausäuredämpfen ist jedoch lebensgefährlich. Die Chemikalie erlangte tragische Berühmtheit, weil mit ihr während des zweiten Weltkriegs im Konzentrationslager von Auschwitz unzählige Gefangene ermordet wurden. Allein 1 - 2 mg Blausäure pro kg Körpergewicht sind tödlich. Sie blockiert die Zellatmung, wodurch Sauerstoff nicht mehr umgewandelt werden kann. Die Zellen sterben ab und die Opfer ersticken von innen heraus.
Eine Vergiftung durch Blausäuredämpfe würde die seltsame Verrenkung der Matrosen erklären, genau wie die beschleunigte Verwesung. Das Gift wird durch Haut und Atemwege aufgenommen und durch Schweiß beschleunigt, was erklären würde, warum die Matrosen im Heiz- und Maschinenraum als erstes erkrankten. Die Blausäuretheorie ist tragisch, aber wahrscheinlich.
Theorie 4: Aliens
Die letzte Theorie ist ein bisschen abwegig, kommt aber nicht von uns, sondern dem ehemaligen Assistant Director der CIA. Der beschreibt nämlich den gesamten Zwischenfall 1959 in einem Brief an den damaligen Chef der CIA. Allerdings tippt er nicht auf Blausäure. Tatsächlich stellt er die Frage, ob der Zwischenfall mit "dem Etwas aus dem Unbekannten" zusammenhängen könnte.
Er zitiert mehrere alte englische Zeugenberichte von glühenden Sphären, die über dem Wasser schweben und hält es für möglich, dass das Phänomen der Ourang Medan auch das Verschwinden diverser Flugzeuge und anderer Schiffe erklären könnte. Denn einen kleinen Fakt haben wir euch vorenthalten: Die Medan sank in der Saragossasee, mitten in dem Teil des Meeres, das den meisten mittlerweile als Bermuda-Dreieck bekannt ist.
Was glaubt ihr? Könnte die Blausäure eine logische Erklärung sein? Oder ist die Theorie ein bisschen zu einfach? Hat der Zwischenfall überhaupt stattgefunden, wenn das Schiff offiziell nie existiert hat? Wir sind auf eure Meinung gespannt.
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