Watch Dogs und der Menschenhandel - Unappetitliches, hübsch verpackt

Watch Dogs versucht aktuelle und heikle Themen aufzugreifen. Doch weil dem Spiel der Mut fehlt, seine Spieler wirklich zu schockieren, gibt es dabei zuweilen eine traurige Figur ab. Ein Kommentar von André Peschke. (Enthält Spoiler!)

Entmenschlichende Demütigung oder Bademodenschau? Watchdogs kann sich nicht entscheiden. Entmenschlichende Demütigung oder Bademodenschau? Watchdogs kann sich nicht entscheiden.

Spoiler-Warnung: Der Kommentar in diesem Artikel enthält leichte Spoiler zu einem sekundären Story-Motiv des Spiels. Er verrät aber keine relevanten Handlungselemente.

Neben dem Überwachungsthema zieht sich das Motiv des Menschenhandels durch die Geschichte vonWatch Dogs. Eine gewagte Themenwahl für einen großen Mainstream- Titel dieser Art. Doch der Versuch, den Spieler in eines der widerlichsten Geschäfte auf diesem Planeten zu führen, schlägt fehl. Watch Dogs, das wird sehr deutlich, hat letztlich zu viel Angst vor der eigenen Courage. An einer Stelle führt uns das Spiel zu einer geheimen Auktion, bei der junge Mädchen wie Tiere zum Kauf feilgeboten werden. Es soll ein Blick in den Abgrund menschlichen Tuns sein, suggeriert die Story.

Doch die vorgeblichen Entführungsopfer, die schlimmstem Missbrauch entgegensehen müssen, tapsen über die Bühne wie gelangweilte Models. Es regt sich in den Gesichtern und Gesten keine Angst, keine Verzweiflung, nicht mal Abscheu vor den versammelten, reichen Schweinen, denen sie bis auf die Unterhose entblößt präsentiert werden. Auch ihre perfekten Körper zeigen keine Spuren irgendeines vorherigen Schicksals. Es ist der Rückzieher eines Spiels, das an dieser Stelle damit kokettiert, den Spieler hinter den Vorhang einer verkommenen Welt blicken zu lassen, aber am Ende nur eine Geisterbahn abliefert. Wohliges Schaudern ist das Ziel – und dem Spieler einen guten Grund zu liefern, das verantwortliche Gesocks hinterher in einer separaten Miniquestreihe abzuknallen.

Auch schon vorher, wenn man sich in der Ghetto- Festung einer Gang durch die Kameras hackt, kann man an einer Stelle des Spiels beobachten, wie ein Drogendealer mit einem Mädchen kopuliert, das uns die allgegenwärtige CTOS-Anzeige als Opfer von Menschenhandel vorstellt. Die Rahmenparameter sagen Vergewaltigung, doch die Sprachausgabe sagt gelungenes Schäferstündchen in gegenseitigem, enthusiastischem Einvernehmen. Das Bild, das sich daraus ergibt, lässt den Wunsch aufkommen, Watch Dogs hätte von diesem Thema ganz die Finger gelassen. In der jetzigen Form macht es die Abscheulichkeit zum Schauwert, indem es ein ernstes Thema über Gebühr trivialisiert.

Die Entwickler hatten vermutlich nicht viel mehr im Sinn, als die Handlung des ActionfilmsTaken nachzuspielen – der kam ja gut an und war auch nicht um tiefgründige Auseinandersetzung bemüht. Aber der Actionstreifen deutet seine Grausamkeiten durchaus effektvoll an und lässt keinen Zweifel daran, wie entsetzlich es den Opfern geht. Watch Dogs lässt den Spieler spazierengehen und gaffen, ohne ihn seine Neugier mit einer gehörigen Portion Abscheu bezahlen zu lassen. Das ist mir zu dürftig.

zu den Kommentaren (5)

Kommentare(5)
Kommentar-Regeln von GamePro
Bitte lies unsere Kommentar-Regeln, bevor Du einen Kommentar verfasst.

Nur angemeldete Benutzer können kommentieren und bewerten.