Eigentlich könnte das Timing für Watch Dogs kaum besser, das Thema Big Brother derzeit kaum heißer sein: Wie Heuschrecken müssten sich Ubisofts Marketing-Profis auf die NSA-Spionageaffäre stürzen, getreu dem Motto: »In den Zeitungen lest ihr, welches Ausmaß die elektronische Überwachung schon heute annehmen kann. Unser Spiel geht da nur den logischen Schritt weiter, vom Verbindungsdaten-Sammelwahn zum komplett gläsernen Großstadtleben der nahen Zukunft.«
Doch statt endlich mehr über das Szenario zu erzählen, lässt Ubisoft unseren Infostand über Watch Dogs seit Monaten auf der Stelle kreisen: Bei jeder Präsentation zeigen die Entwickler den geheimnisvollen - man könnte auch sagen: bislang blassen - Helden Aiden Pearce, der mit seinem Smartphone im frei begeh- und befahrbaren Chicago mal Chaos anrichtet, mal Verbrechen verhindert. Aber wo ist der Handlungsrahmen, der den Offene-Welt-Zirkus beisammen hält? Was treibt Aiden an, warum hackt er sich ins Überwachungsnetz? Wer sind seine Gegenspieler? Hat er überhaupt welche?
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Das Spielmotto »Everything is connected« (»Alles ist verbunden«) führt Watch Dogs so ad absurdum: Hier ist nichts verbunden, wir erleben zusammenhanglose Schnipsel aus dem offenen Big-Brother-Chicago: Aiden hackt hier mal eine Kamera, knackt da mal ein Smartphone, lässt dort mal Polizeiautos in hochgefahrene Poller krachen. Auf der E3 gab's zwar eine Story-Mission zu sehen - jedoch ebenfalls ohne Zusammenhang.
Gut, wir wollen nicht übermäßig unken: Spannend ist zweifellos, was Ubisoft bislang von Watch Dogs gezeigt hat, die Open-World-Stadt dürften mit ihren manipulierbaren Objekten mehr Experimentierfreude wecken als ein Chemiebaukasten - nur wüssten wir eben gerne, ob das schon alles ist.
Auf der Gamescom durften wir Watch Dogs nun erstmals selbst spielen und mit Aidens Chemiebaukasten, pardon, seinen Smartphone-Fähigkeiten experimentieren - sowohl im Solo- als auch im Multiplayer-Modus. Das Ergebnis war anarchischer Open-World-Spaß, allerdings gepaart mit der Erkenntnis, dass hier noch viel weniger verbunden ist, als selbst die Entwickler gedacht haben.
Ich glaube, er hackt!
Eines allerdings sagen wir lieber gleich: Was die Story von Watch Dogs angeht, sind wir kein Stückchen schlauer geworden, wieder haben wir nur Open-World-Abschnitte erlebt. Nach unserer Anspiel-Session nehmen wir daher den Producer Dominic Guay ins Gericht: Wieso zeigt Ubisoft nicht endlich mal mehr von der Story, warum bleibt Aiden so profillos?
Erwartungsgemäß haut Guay mit der Anti-Spoiler-Keule zu: »Wir wollen ja nicht zu viel im Voraus verraten.« Schön, aber wie sollen sich Spieler mit einem Helden identifizieren, den sie überhaupt nicht kennen? »Dieses Problem ist uns bewusst«, gesteht Guay immerhin. »Deshalb werdet ihr in den kommenden Wochen mehr über ihn erfahren.« Aber eben nicht auf der Gamescom. Wir sind gespannt, so viel Zeit bleibt bis zum Release im Oktober ja auch nicht mehr.
Was spielen wir dann also? Nun, im Wesentlichen Szenen, die wir bereits kennen: Wir hacken uns mit Aiden in einen Kontrollknoten, rasen ein wenig durch die Stadt, spähen durch eine gehackte Sicherheitskamera ins Wohnzimmer eines Mannes, der gerade mit einer geklauten Schaufensterpuppe, äh, plaudert. Außerdem liefern wir uns ein Multiplayer-Duell mit einem Entwickler und erfahren mehr über die Begleit-App zu Watch Dogs.
Zunächst, der Kontrollknoten. Wenn Aiden eines der Rechenzentren hackt, kann er fortan in der Umgebung die Smartphones von Passanten scannen, um Daten zu stehlen - und Crafting-Rohstoffe zu sammeln. Was genau man da woraus herstellen kann? Verrät Ubisoft noch nicht, natürlich. Um zum Knoten zu gelangen, kann Aiden entweder schleichen oder schießen, wir entscheiden uns für Heimlichkeit, sondieren das Gelände über gehackte Überwachungskameras, schalten auf die Distanz Auto-Alarmanlagen sowie Gabelstapler ein, um Wächter abzulenken, und knüppeln die Jungs dann hinterrücks nieder.
Ungewohnt: Ausgeschaltete Feinde lassen sich zwar um ihre Waffen erleichtern, aber nicht wegschleppen. Ebenfalls ungewohnt: Die Kameraperspektive (wir spielen Watch Dogs auf der Playstation 4) klebt sehr dicht hinter Aidens Rücken, sodass wir anfangs häufiger gegen Hindernisse rennen. Mit der Zeit gewöhnen wir uns aber dran, klauen schließlich heimlich den Kontrollknoten-Zugangscode aus dem Smartphone eines Wachmanns und hacken das Rechenzentrum.
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