Alles unsere Schuld!
Um die Frage vorwegzunehmen: Until Dawn hat mehr von Heavy Rain als von The Evil Within. Wir steuern zwar direkt unsere jeweilige Figur, sammeln aber hauptsächlich Hinweise oder treffen Entscheidungen in Dialogen und Videosequenzen. Über Lebenswichtiges wird dabei genauso entschieden wie über Banales, wie zum Beispiel ob wir auf ein klingelndes Handy schauen oder nicht.
Ähnlich wie die Telltale-Abenteuer zu The Walking Dead oder Game of Thrones erinnert Until Dawn also mehr an einen spielbaren Film mit entsprechend linearer Handlung. Trotzdem sind unsere Entscheidungen wichtig: Flüchten wir vor dem Mörder in Richtung Wald oder verstecken wir uns wie im billigen Filmklischee unterm Bett ?
Die Frage wirkt jetzt rhetorisch, aber was würden wir tun, wenn wir in dieser Situation wären? Ohne Waffen oder übermenschliche Fähigkeiten, wie sie Protagonisten in anderen Action-Adventures gerne haben? Schließlich wirken auch die ältesten Klischees komplett anders, wenn wir sie selbst beeinflussen können. Wenn das Mädchen im Horrorfilm alleine losläuft, war das zu erwarten. Wenn wir uns unter Zeitdruck für die linke Tür entscheiden und damit dem Mörder direkt in die Arme laufen, ist das unsere Schuld.
Weniger Entscheidungen, mehr Tote:The Evil Within im Test
Unsere Handlungen haben aber nicht nur direkte Konsequenzen. Manche Entscheidungen stellen sich erst viel später als klug oder richtiggehend dämlich heraus. Until Dawn legt sehr viel Wert auf den Schmetterlingseffekt, bei dem jede Handlung, und sei sie auch noch so klein, weitreichende Konsequenzen hat. Anders als bei Telltale-Spielen können unsere Entscheidungen das Spiele-Erlebnis extrem beeinflussen: Stirbt einer der Charaktere bereits am Anfang, fallen sämtliche Szenen mit ihm oder ihr weg. Dadurch ergeben sich so viele unterschiedliche Konstellationen, dass wir mit einmal durchspielen gar nicht alles erfahren können.
Schmetterlingseffekt
Wenn wir beispielsweise nicht verhindern, dass Klischee-Footballer Matt seine Freundin Emily mit ihrem Ex Mike ertappt (ebenfalls Footballspieler, wer hätte das gedacht?), fängt er deswegen einen Streit an, im Zuge dessen der Ex und seine neue Flamme die Hütte verlassen und direkt ins Serienmörderterritorium laufen. Hätten wir das verhindern können? Wer weiß. Was passiert, kann man nicht mehr ändern, sobald der Schmetterling angezeigt wird, sind die Konsequenzen unabdingbar.
Der Schmetterlingseffekt: Der Schmetterlingseffekt ist Teil der Chaostheorie und besagt, dass noch so kleine Änderungen in einem komplexen System langfristig zu einem völlig anderem Ergebnis führen können. Wenn wir auf dem Weg zur Arbeit einen Hundewelpen streicheln, fliegt vielleicht eine Wespe über unseren Kopf, die uns eigentlich stechen sollte. Dadurch müssen wir nicht ins Krankenhaus, wodurch unser theoretischer Taxifahrer uns nicht dorthin bringt, auf dem Rückweg keinen Auffahrunfall baut und so niemals die Liebe seines Lebens kennen lernt.
Je komplexer das System, desto weiter können wir dieses Szenario fortspinnen. Dabei können die Änderungen extrem sein (ein Leben in Einsamkeit für den Taxifahrer, der deswegen nie Präsident wird) oder nur marginal (Wir bleiben beim Welpen und nehmen eine Ubahn später zur Arbeit). Das gleiche wird auch in Until Dawn verfolgt. Ashley lässt Matt sehen, wie Matts Freundin mit ihrem Ex flirtet, Matt fängt einen Streit mit besagtem Ex an. Der Ex und seine neue Freundin verlassen das Haus und laufen dem Mörder in die Arme. Wenn wir Matt zu Anfang abgelenkt oder gar nicht ins Fernglas geschaut hätten, wäre das alles vielleicht nie passiert.
Warnung: der folgende Absatz enthält Spoiler
Anders als bei Heavy Rain müssen wir uns zu Anfang auch nicht rasieren oder zur Toilette gehen. Zwar öffnen wir immer noch Türen oder drehen Gegenstände, um sie genauer zu inspizieren, Zähne putzen wir allerdings nicht mehr. Dafür können wir rennen und sogar schießen. Vorausgesetzt, wir haben eine Waffe was, ganz nach Horrorfilmgesetz, nicht sehr oft der Fall ist. Und auch nicht immer etwas Gutes. In einer Szene haben wir eine Waffe, allerdings müssen wir uns dann entscheiden, ob wir uns oder unsere Freundin damit töten wollen. Der maskierte Bösewicht ist nämlich ganz schön kreativ, wenn er einmal in Fahrt gekommen ist.
Während zu Anfang vor allem die Beziehungen der Teenager zueinander im Vordergrund stehen und der Killer nur ab und an im Hintergrund zu sehen ist, inszeniert er im Laufe des Spiels mit Kameras, Mikrofonen und Flammenwerfer sein eigenes kleines Horrorkabinett. Zwei der Teenager verschleppt er beispielsweise in einen Keller, nur um einen weiteren darüber entscheiden zu lassen, welcher seiner Freunde mit einem Sägeblatt halbiert wird. Kindheitsfreund oder wahre Liebe? Wir entscheiden uns für die Liebe, und schon ist es wieder einer weniger.
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