Die Qual der Wahl
Die erste Unterhaltung des Spiels führen wir beispielsweise mit dem fabelhaft geschriebenen Mister Toad. Dessen Glamour-Zauber hat seine Wirkung verloren, was uns als Bigby die Möglichkeit zur folgenden Observation gibt: »Ich sehe eine drei Fuß große Kröte. Mit einem Pulli an«. Dass wir ihm das so offen ins Gesicht sagen, findet Toad zwar nicht besonders höflich, er erzählt uns aber anschließend niedergeschlagen, dass der Hexenzauber immer schlechter wirke, die Damen dafür aber immer mehr Geld verlangen würden.
Und schon sind wir mittendrin in einer zauberhaften, surrealen und absolut glaubhaften Spielwelt mit vielschichten Charakteren und spannenden Situationen. Denn der Ton, den wir in diesem Gespräch anschlagen, wirkt sich im weiteren Spielverlauf aus: Sind wir gemein oder drohen dem kleinen Kerl sogar, wird die Kröte später nicht besonders kooperativ sein.
Hier zeigt sich ein zentrales Spielelement: die Entscheidungsfreiheit. Gehen wir diplomatisch vor und prägen auf diese Weise die menschliche Seite des großen bösen Wolfs? Oder schüchtern wir ihn ein und geben so der animalischen Natur von Sherriff Bigby nach? Lange grübeln können wir allerdings nicht, denn uns steht genau wie bei The Walking Dead nur eine begrenzte Zeit für die Auswahl der »richtigen« Antwort zur Verfügung. Tun wir gar nichts, schweigt Bigby einfach, was im Zweifelsfall die denkbar schlechteste Alternative darstellt.
Dieser Zeitdruck kann für Spieler mit eingeschränkten Englisch-Kenntnissen allerdings zum Problem werden, denn aktuell gibt's das Spiel nur mit englischer Sprachausgabe und (optionalen) englischen Untertiteln. Wir sind uns aber sicher, dass deutsche Untertitel folgen werden.
Wenig Spiel
Wir kennen das ja schon von Telltale-Spielen: Wirklich viel zu tun haben wir in The Wolf Among Us nicht, das »Adventure« erinnert mehr an einen interaktiven Comic. Aber das stört uns immer noch nicht die Bohne, weil die Charaktere brillant geschrieben sind und uns die Story jederzeit mitreißt, ja verblüfft. Zwischendurch gibt's, auch das kennen wir von Telltale-Spielen, zwar immer mal wieder Quicktime-Events, aber die sind prima eingebunden und wirken nie aufgesetzt.
So prügeln wir uns zum Beispiel mit einem Holzfäller, der in der englischsprachigen Version von Rotkäppchen die Titelheldin vor dem großen bösen Wolf rettet (in der Fassung der Gebrüder Grimm ist der Holzfäller ein Jäger). Holzfäller und Bigby geraten also nicht zum ersten Mal aneinander. Die Quicktime-Events verlaufen übrigens etwas schneller als das noch in The Walking Dead der Fall war. Deshalb kommt unser Bigby bei der Schlägerei nicht ganz ungeschoren davon.
Gelungener Comiclook mit schwache Texturen
Technisch hat sich gegenüber The Walking Dead wenig verändert. The Wolf Among Us wirkt jedoch deutlich bunter, was nicht zuletzt der Comicvorlage und dem Handlungsort geschuldet ist; eine wohltuende Abwechslung zu den Erdtönen von The Walking Dead. Geblieben sind hingegen die teils niedrig aufgelösten Texturen und die ordentlichen Gesichtsanimationen. Letztere sind manchmal so gut gelungen, dass wir tatsächlich misstrauisch werden, ob das Gesagte überhaupt der Wahrheit entspricht. Die englischen Sprecher machen übrigens einen gewohnt hervorragenden Job, gerade Mister Toad ist atemberaubend gut vertont.
Was uns etwas stört, sind die Ladezeiten. Die hätten bei einem Spiel, dass technisch so minimalistisch ausfällt, ruhig kürzer ausfallen können. Gerade beim schnellen Wechsel zwischen Lokalitäten bleibt das Spiel außerdem nervig oft hängen - ein Manko, das bereits in The Walking Dead auftrat und bei The Wolf Among us wegen des höheren Tempos bei Action-Passagen umso mehr auffällt. Ein Charakter bewegte zudem beim Sprechen nicht den Mund. Solche technischen Macken sollte Telltale besser langsam in den Griff bekommen.
Nach gut zwei Stunden flimmert dann der Abspann über den Bildschirm. Und wir denken: Was zum Teufel ist da gerade passiert? Diese dreimal verfluchten Autoren können uns doch nicht nach SO einem Paukenschlag aus der Episode schmeißen! Machen sie aber. Faith endet mit einem tollen, weil aufrichtig überraschenden WTF-Moment, trifft also genau den richtigen Ton für das Episodenformat. Denn jetzt wollen wir wissen, wie es weitergeht mit Bigby und Snow White und Mister Toad und all den anderen wunderbaren Figuren, die uns zwei Stunden lang in eine zauberhafte Welt entführt haben. So muss eine Auftaktepisode aussehen.
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