Verbessertes Fahrmodell
Kenner des ersten Teils aus dem Jahr 2014 erinnern sich vielleicht noch an die sehr schwammige Steuerung der Fahrzeuge, die die Entwickler erst durch einen späten Patch abmilderten. In The Crew 2 müsst ihr euch darüber keine Gedanken mehr machen. Die Fahrzeuge steuern sich erheblich direkter und intuitiver über den Asphalt oder quer durch die Prärie. Mit Realismus hat das betont arcadige Fahrmodell dann aber wenig zu tun und ordnet sich irgendwo zwischen dem jüngsten Teil der Need-for-Speed-Reihe und Forza Horizon 3 ein.
Auffällig ist, dass das Wetter kaum Einfluss auf das Fahrverhalten hat. Ihr rutscht zwar minimal stärker bei regennasser Strecke oder auf der Schotterpiste der Motocross-Wettbewerbe, die Bodenhaftung ist bei Schneefall (der auch im sonst so sonnigen Los Angeles oder dem Wüsten-Zockerparadies Las Vegas möglich ist) aber gefühlt sogar höher als bei trockenen Verhältnissen. Wem das nicht passt, darf ABS oder Traktionskontrolle manuell reduzieren. Damit erhöht ihr den Realismusgrad aber letztlich nur geringfügig.
Spaß macht das Fahren aber dennoch, denn das Geschwindigkeitsgefühl ist immer gegeben, unabhängig davon, ob ihr mit einer Maschine von KTM über Buckelpisten fahrt oder im Pagani Zonda auf dem Highway Gas gebt. Das gilt besonders für Motorhauben- oder Asphaltkamera, aber ohne große Abstriche auch für Cockpitperspektive und die beiden Verfolgeransichten.
KI-Gegner statt PvP
Weniger erfreulich ist hingegen das Verhalten der KI-Gegner. Die fahren nicht sonderlich aggressiv, beharren aber so stur auf ihrer Linie, dass es dennoch immer wieder zu Kollisionen kommt. Das wäre an sich nicht schlimm, allerdings sind solche Berührungen fast immer ein Nachteil für euch - auch dann, wenn ihr einem Gegner hinten drauffahrt.
Ob Entwickler Ivory Tower womöglich auch deshalb die PvP-Inhalte erst nachträglich per Patch nachliefern will? Gut möglich. Bislang jedenfalls gibt es lediglich eine Koop-Option, bei der ihr Freunde in eure Crew einladet. Erwähnen sollten wir noch, dass selbst extrem leistungsstarke Motorräder wie die Ninja H2 von Kawasaki im Vergleich zu den Autos etwas zu leicht beherrschbar sind. PS-Giganten mit vier Rädern sollten aus unserer Sicht eigentlich zugänglicher sein als Zweiräder. Da passt es, dass es Stürze mit dem Bike schlicht nicht gibt, und Überschläge mit den Autos abseits der Offroad-Rennen zwar möglich, aber nicht sehr wahrscheinlich sind.
Und ewig zieht das Gummiband
Das größte Manko von The Crew 2 ist die ausgeprägte Gummiband-KI. Das hält die Rennen einerseits bis zum Schluss spannend, erlaubt euch andererseits aber selbst in einem überlegenen Fahrzeug nicht, das Feld zu dominieren. Bemerkenswert ist, dass die Entwickler die Stärke des Gummibands an Verlauf und Umfang der Rennen knüpfen. Wer ständig Unfälle baut oder regelmäßig die nächste Abzweigung verpasst, darf sich keine großen Hoffnungen machen.
Gerade in längeren Events (in den nur vier Hypercar-Veranstaltungen sind wir teils lächerliche 30 Minuten und mehr unterwegs) aber drosseln die vorausfahrenden Gegner oft so drastisch das Tempo, dass wir auf den letzten Kilometern oft auch Rückstände von 20 Sekunden wiedergutmachen. Umgekehrt könnt ihr so gut fahren, wie ihr wollt. Einen großen Vorsprung fahrt ihr nie heraus. Macht ihr einen Fehler, geht es von der Spitzenposition allzu oft gleich auf den letzten Platz zurück.
Das ist in The Crew 2 auch deshalb besonders ärgerlich, da es keine Rückspulfunktion gibt. Die Rennen dauern zwar überwiegend nur wenige Minuten. Nach einem bis dato perfekten Run kommt aber keine Freude auf, wenn man nach einem Fehler kurz vor Schluss doch noch mal alles verliert.
Nervig ist beim Verpassen einer Abzweigung, dass es keine ordentliche Streckenführung gibt. Ihr bekommt lediglich Checkpoint-Tore angezeigt und eine Führungslinie auf der Minimap. Auf welchem Weg ihr das Tor erreicht, bleibt letztlich euch überlassen. Diese geteilte Aufmerksamkeit zwischen Renngeschehen und Karte mag jeden unterschiedlich stark fordern, dürfte jedoch bei einer Reihe von Spielern zu Problemen führen. Vermeidbaren Problemen!
Wunderschöne Vielfalt
Zum intensiven Erlebnis wird The Crew 2 aber nicht zuletzt dank seiner schicken Grafik. Sowohl die ländlichen Gegenden der US-Schauplätze, darunter der Yellowstone Nationalpark, als auch Städte wie Seattle, Detroit oder Miami sind stilvoll und detailreich umgesetzt. Es macht einfach Spaß, beim Rennen in New York im Hintergrund die Freiheitsstatue zu sehen oder in Las Vegas an der Nachbildung des Eiffelturms vorbeizufahren.
Bei der freien Fahrt habt ihr mehr Möglichkeiten zum Sightseeing. In Los Angeles schaut ihr beim Convention Center, dem Schauplatz der E3, vorbei oder dreht in Chicago im Flugzeug eure Runden um den Willis Tower. Die Umgebungen glänzen dabei nicht immer mit den schärfsten Texturen. Detailgrad und Weitsicht können sich in Anbetracht des gigantischen Schauplatzes aber mehr als sehen lassen. Wer will, darf auch in The Crew 2 ohne Ladezeiten von der Westküste zur Ostküste (oder umgekehrt) durchfahren. Allein diese Tatsache sollte man angesichts der nicht immer perfekten Grafikqualität ruhig mal erwähnen.
Spaß macht auch der fließende Tag-Nachtwechsel, der allerorts ständig für andere Lichtstimmungen sorgt. Bei Spiegelungen auf dem Lack, der Qualität von Schatten und Co. gibt es zwischen den Versionen auf PS4 Pro und unserer primären Testplattform Xbox One X keine gravierenden Unterschiede. Generell habt ihr die Wahl zwischen Performance- und Grafikmodus. Von Letzterem profitiert insbesondere die leistungsstärkste Variante der Microsoft-Konsole. Am Spielerlebnis und den auch bei der Schnellreise angenehm kurzen Ladezeiten ändert sich dadurch allerdings nichts Wesentliches.
Besser als Teil 1 und dennoch eine niedrigere Wertung?
Wir haben den ersten Teil von The Crew Ende 2014 mit einer Spielspaßwertung von 84 Prozent ausgezeichnet. Diese Note hat auch weiterhin Bestand. Denn auch wenn uns die Rennen selbst in The Crew 2 unterm Strich besser unterhalten, auch dank der ausgereifteren Fahrphysik hat der Vorgänger andere Vorzüge. Dazu zählt unter anderem die Möglichkeit, Fahrzeuge beliebig vom Straßen-Racer zum Offroad-Fahrzeug umzumünzen. Zudem sind die Fortschritte mehr als drei Jahre nach Teil eins kleiner als sie sein könnten. Nach heutigen Maßstäben würden wir The Crew 1 mit 75 Prozent bewerten.
Mehr hätte Ivory Tower beim Schadensmodell tun können, denn viel mehr als ein paar Schrammen gibt es hier nicht. Actionreich und brachial ist die Präsentation dank zerstörbarer Umgebungsobjekte aber dennoch. Die teils bombastischen Soundeffekte der Motoren und Kollisionen tun ihr Übriges. Die Musik passt an sich ebenfalls gut, wiederholt sich allerdings zu schnell.
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