Kollege Jochen Gebauer schrieb seinerzeit in seinem Test zu Mittelerde: Mordors Schatten ebenso treffend wie bissig: »Es wäre unfair, Mittelerde: Mordors Schatten eine billige Assassin's Creed-Kopie zu nennen. Denn billig ist sie nun wirklich nicht.«
Und ja, Jochen hatte mit seinen Kritikpunkten am Action-Adventure von Monolith vollkommen recht: In vielerlei Hinsicht funktioniert es wie ein Assassin's Creed im »Herr der Ringe«-Universum, Mordor ist aus optischer Sicht ein naturgemäß eher karger Schauplatz, und auch in Sachen Story wäre deutlich mehr drin gewesen. Und dennoch hätte ich mir sowas von in den Hintern gebissen, wenn die Abenteuer von Waldläufer Talion an mir vorbeigegangen wären.
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Meine Welt, meine Regeln!
Denn Mordors Schatten punktet in genau der Disziplin, die mir aktuell in nahezu allen actionlastigen Open-World-Titeln viel zu kurz kommt: spielerische Freiheit. Selbst die Storymissionen eines GTA 5 unterscheiden sich für mich nur noch wenig von den durchinszenierten Actionfeuerwerken eines Call of Duty. Gehe dort hin, steige in dieses Fahrzeug, erledige jene Zielperson mit dieser Waffe, und fliehe mit einem Motorrad, indem du auf einen Zug hüpfst. Die Freiheit, die Lust am Chaos und am Experimentieren findet sowohl hier als auch mittlerweile in der Assassin's Creed-Serie fast ausschließlich abseits der Hauptmissionen statt.
Mordors Schatten ist da anders. Hier wird mir in der Regel nur gesagt: Erledige diesen Orkanführer. Das »Wie?« liegt komplett bei mir. Ich kann mich heimlich in die Festung schleichen, Feinde mit dem Bogen einzeln aufs Korn nehmen, prügelnd mit dem Schwert durch Dutzende Schwarzpelze pflügen oder auch mit freigelassenen Wildtieren ein heilloses Chaos verursachen. Alles funktioniert, und alles macht gleich viel Spaß. Anders als in vergleichbaren Titeln starte ich deshalb auch eine Mission nicht neu, falls ein Plan schiefgeht, sondern improvisiere einfach.
Die ungezügelte Lust am Chaos
Das Tolle dabei: Mordors Schatten gibt mir jederzeit das gute Gefühl, dass meine Aktionen tatsächlich eine wichtige Rolle spielen. Allen voran natürlich das Nemesis-System, das quasi die Kommandostruktur der Orks widerspiegelt. Haue ich einen Ork aus den Socken, dann nimmt ein anderer seinen Platz ein. Haut mich ein Ork aus den Socken, dann steigt er im Rang auf und wird zunehmend mächtiger.
Selten zuvor war ich motivierter, mal amtlich Rache zu nehmen. Aber auch unabhängig vom Nemesis-System gibt's unzählige Details, die mir das gute Gefühl geben, in Mordor meinen Stempel zu hinterlassen. Und sei es nur der getuschelte Dialog zwischen zwei Wachposten, dass ein ork-mordernder Geist sein Unwesen treiben würde.
Im späteren Spielverlauf kann ich sogar Orks meinem Willen unterwerfen und so für Chaos sorgen. Denn in Mordors Schatten ist nahezu nichts geskriptet, die Welt lebt und atmet auch ohne meinen Einfluss. Nur macht's der eben deutlich unterhaltsamer.
Im Deal enthalten: Das kann der DLC »Der helle Herrscher«
Ich werde nie vergessen, wie ich auf der Flucht vor einem gewaltigen Graug-Troll mitten in einen Machtkampf zwischen zwei rivalisierenden Ork-Anführern geplatzt bin und so die chaotischste Massenkeilerei meiner persönlichen Spielerkarriere ausgelöst habe, an deren Ende nur noch der Graug in einer leeren Festung stand. Das war nie so geplant, aber trotzdem oder gerade deswegen ein unfassbar genialer Moment. Wer diese Faszination fürs Open World Chaos einigermaßen nachvollziehen kann, dem kann ich die Investition von 17,99 Euro für die »Game of the Year«-Edition samt aller DLCs nur wärmstens ans Herz legen. Und falls ihr das Grauen schon vergessen habt: Diese Empfehlung gilt natürlich nur für die PS4- und keinesfalls für die PS3-Version!
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