Obwohl Alone in the Dark uns bereits 1992 das Fürchten lehrt, beginnt das goldene Zeitalter des Survival Horrors erst vier Jahre später mit Resident Evil. Capcoms Zombies torkeln über Millionen Röhrenfernseher und machen den Schrecken zum Vergnügen. Ende der 90er-Jahre wird es dann besonders spannend, als sich andere große Publisher ein Stück vom blutigen Kuchen abschneiden wollen. Squaresoft zum Beispiel mischt bei Parasite Eve (1998) den Horror mit Elementen aus Final Fantasy.
Und während Capcom 1999 noch an Resident Evil 3 arbeitet, das actionreicher als seine Vorgänger werden soll, veröffentlicht Konami ein Gegenstück dazu. Schon dessen Titel, Silent Hill, lässt erahnen, dass es bei diesem Titel anders zugehen wird. Statt B-Movie-Horror gibt es eine nebulöse Story, die uns zwar Monster auf den Hals hetzt, aber vor allem mit der Angst vor dem Unbekannten spielt. Denn im Gegensatz zu Resident Evil 3, das den Obermotz Nemesis schon auf dem Cover zeigt, wissen wir bei Silent Hill eigentlich nie so richtig, wer oder was hier das Böse ist.
Noch trickreicher wird diese Verschleierungstaktik durch Traumsequenzen beziehungsweise Abstecher in dunkle Parallelwelten. Dank solcher Elemente ist Silent Hill ein außergewöhnlicher wie spannender Titel, der sich einen Platz in unserer Ruhmeshalle redlich verdient hat.
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Der Autor
Obwohl Konami noch existiert, trauert unser freier Autor Benjamin Blum um den Publisher. Naja, zumindest weint er ein wenig den früheren Top-Titeln der Japaner hinterher: Ob Castlevania, Metal Gear oder eben Silent Hill - Konami produzierte in den 90er- und frühen 2000er-Jahren echte Klassiker. Dass das Feuer in dieser Spieleschmiede fast erloschen sein soll, kann eigentlich nur ein Silent-Hill-artiger Albtraum sein. Los, wir kneifen uns alle gleichzeitig und wachen in einer Gegenwart voller großartiger Konami-Spiele auf ...
Durchschnittstyp statt Spezialeinheit
Schon bei der Ausgangslage grenzen sich die Entwickler von Resident Evil ab. In Silent Hill spielen wir keinen kampferprobten Kerl wie Chris Redfield, sondern den Durchschnittsbürger Harry Mason. Zusammen mit seiner Tochter Cheryl fährt er nach Silent Hill, um in dem ruhigen Örtchen Urlaub zu machen. Kurz vor ihrer Ankunft steht jedoch urplötzlich eine Frau auf der Straße, Harry bremst und kracht in die Leitplanke.
Als er erwacht, ist alles in dichten Nebel getaucht - und Cheryl verschwunden. Harry fasst sich ein Herz, öffnet die Autotür und stürzt sich ins Abenteuer. Nach ein paar Metern sieht er Cheryl vor sich, doch das Mädchen antwortet nicht und verschwindet im Nebel. Mason tastet sich also weiter vor und erreicht bald eine dunkle Gasse. Die Kamera zeigt die 3D-Kulissen aus festen Perspektiven, die Blickwinkel werden dabei schräger, die Musik knarziger. Nach ein paar Biegungen ist der Boden mit Blut und Leichenteilen bedeckt, ein entstellter Körper hängt an einem Drahtzaun.
Plötzlich greifen zwei Monster von hinten an. Doch was in anderen Spielen der erste Kampf wäre, ist hier ein aussichtsloses Gemetzel. Harry sinkt nach ein paar Sekunden tot zu Boden - und erwacht nach einem Schnitt der Regie unversehrt in einem Diner. Was zur Hölle war das nun gerade? Ein Traum? Genau diese Frage werden wir uns bei Silent Hill öfter stellen. Denn die Autoren und Entwickler spielen immer wieder geschickt mit der Angst vor dem Unbekannten, geben höchstens vage Hinweise - und genau das macht Silent Hill so gut. Sogar besser als Resident Evil, zumindest in den Bereichen Story und Atmosphäre.
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Das Rauschen im Radio
Spielerisch bietet Silent Hill die bekannte Formel aus Erkunden, Rätseln und Kämpfen. Wobei Letzteres gar nicht so oft vorkommt, da wir vor vielen Gegnern einfach davonlaufen, um die knapp bemessene Munition für die Pistole oder Shotgun zu sparen. Hilfreich ist Harrys Mini-Radio, das zu rauschen anfängt, wenn Feinde in der Nähe sind. Bis heute haben wir den Sound im Ohr, der uns gleichzeitig erschaudern und lächeln lässt.
Seine größten Stärken hat das Spiel vor allem beim Adventure-Anteil. Die Aufgaben und deren Lösungen ähneln zwar denen aus Resident Evil, sind aber ein Stück durchdachter und besser in das Szenario eingebettet. So finden wir einen wichtigen Schlüssel in einer Hundehütte, vom Besitzer mit Klebeband unterm Dach befestigt. Etwas unvorsichtig, aber in einer friedlichen Kleinstadt durchaus glaubwürdig. Wobei Silent Hill durch die finsteren Ereignisse die Idylle nur noch erahnen lässt.
Auf die Spitze treiben die Entwickler dies mit weiteren Traumsequenzen. So erkunden wir die örtliche Schule, töten darin Monster in Kindergröße, was schaurig genug ist. Doch an einer bestimmten Stelle wechselt das Szenario zu einer Traumsequenz, und wir schlagen uns durch eine rostige, blutverschmierte Höllenversion der Schule. Und wechseln anschließend wieder in die Realität. Glauben wir zumindest. Denn Silent Hill spielt so stilsicher auf der Klaviatur des psychologischen Horrors, dass wir nie ganz sicher sind, was da gerade auf dem Bildschirm passiert.
Was hätte sein können:Silent Hills
Ein Ort, viele Geschichten
Obwohl Umfang und Spielzeit ähnlich ausfallen wie bei Resident Evil 1 und Resident Evil 2 kommt uns das erste Durchspielen von Silent Hill länger vor. Allein schon, weil die Story unseren Kopf viel mehr beschäftigt. Und teilweise dauert es tatsächlich etwas länger, weil manches Rätsel spürbar anspruchsvoller ist als bei der Konkurrenz.
Das Klavier im Musiksaal der Schule zum Beispiel, dessen Tasten wir in einer bestimmten Reihenfolge drücken müssen, was wir aus einem anderswo gefundenen Stück Literatur herauslesen können. Nicht die größte Game-Design-Kunst, aber fordernd und atmosphärisch. Wenn es überhaupt einen Schwachpunkt gibt, dann sind es die Bosskämpfe - zumindest im Vergleich zu den damals immer spektakulärer werdenden Szenen aus Resident Evil.
Doch die eher gedämpften Kämpfe in Silent Hill passen hier gut ins Gesamtbild, das Spiel ist einfach eine gleichermaßen runde wie bizarre Sache. Mit Freude spielen wir es deshalb erneut durch und stellen begeistert fest, dass es mehrere Enden gibt. Und auch über den ersten Teil hinaus gibt es noch viele Geschichten aus Silent Hill zu erzählen, was zunächst zu famosen Nachfolgern führt: Silent Hill 2 gilt einigen Zockern gar als bester Teil der Reihe, mit ikonischen Wesen wie dem Pyramid Head.
Doch nach dem ebenfalls starken dritten Teil geht es abwärts, neue Impulse und Ideen führen eher zu Fehlschlägen statt einer Frischzellenkur. Zumindest wird niemand von Silent Hill 4 oder Downpour behaupten, dass diese Titel zum Klassiker taugen. Resident Evil dagegen erfindet sich 2017 nach einer Durststrecke mit Resident Evil 7: Biohazard erfolgreich neu - genau solch einen Reboot würden wir gerne auch für Silent Hill sehen. Doch das zurückgeschraubte Engagement von Konami auf dem Konsolenmarkt samt Einstellung des Reboot-Versuchs Silent Hills unter Leitung von Hideo Kojima (die spielbare PS4-Demo P.T. erzeugte wohliges Gruseln) macht uns diesbezüglich wenig Hoffnung.
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