Lahme Fälle, lahme Action
Zu den spannendsten Szenarien gehören ein Friedhof, eine Gießerei, ein Wald sowie eine Traumsequenz, in der sich Holmes in eine Maya-Ruine imaginiert, durch die wir dann durchhetzen. Die Geschichten hinter den Fällen sind langweilig, uninspiriert und vorhersehbar. Kleiner Selbsttest zum Ausprobieren:
Warnung: der folgende Absatz enthält Spoiler
Stellen Sie mal die beiden Begriffspaare »Dekadenter Adels-Jagdclub« und »Verschwundene, mittellose Lohnarbeiter« nebeneinander und überlegen Sie, welche Story man daraus wohl spinnen könnte. Nicht alle Fälle sind so vorhersehbar, aber unterm Strich sind die meisten Auflösungen eher ernüchternd.
Und auch der Weg zu den Aufklärungen der Fälle ist gepflastert mit mauen Herausforderungen. In der Entwicklung von The Devil's Daughter wurde an irgendeiner Stelle beschlossen, dass Quick Time Events die Lösung für alle Probleme sein sollen. Klar, die hatte der Vorgänger auch schon, aber hier verbringen wir einen Großteil des Spiels mit Knöpfchendrücken. Ob wir in der Gießerei einen Gegenstand zusammenhämmern oder eine Person wiederbeleben - dabei darf man fleißig X, A, Leertaste und Co. drücken oder halten. In Bullet-Time-Sequenzen gewinnen wir Barschlägereien, indem wir den Cursor über die richtige Zone bewegen. Und beim Balancieren über einen Abgrund muss man den linken und rechten Stick in einem gewissen Bereich halten, sonst rutschen wir ab.
An anderer Stelle folgen wir als Mitglied der Baker-Street-Bande wie in Assassin's Creed einer Zielperson und dürfen nicht gesehen werden. Tailing-Missionen sind ja schon in Ubisofts Vorbild ein Design-Unding, Devil's Daughter macht's nicht besser. In der Traum-Maya-Ruine rennen wir vor herunterstürzenden Steinplatten weg - ein bisschen Uncharted in lauwarm gibt's also auch. Am ehesten funktionieren noch gelegentliche Schleicheinlagen, aber wirklich Spaß macht nichts davon. Frogwares hat im Prinzip auf all den Aspekten aufgebaut, die ein gutes Sherlock-Holmes-Spiel eben nicht ausmachen.
Die Rettung?
Dass sich The Devil's Daughter am Ende auf ein solides Wertungsniveau retten kann, liegt am Rätsel-Design. Crimes and Punishments war gerade deshalb herausragend, weil man wirklich wie ein Detektiv denken, rätseln und Verbrechen aufklären konnte und musste. Wer dort am Ende hinter Gittern landete, blieb ganz unserer Deduktion überlassen. Wir haben über Beweisen gebrütet, an Rätseln herumgeknobelt und Leute verhört - all das vermischte sich zu einem großartigen Adventure-Mix. The Devil's Daughter erbt viele dieser Stärken und kann so in einigen Momenten wirklich glänzen. Wenn wir zum Beispiel drei Verdächtige für einen Mord haben und jeder einzelne trotz zig Indizien gleichermaßen der Schuldige sein könnte. Hier hocken wir vor dem Bildschirm und knabbern für einige Minuten an unserer Entscheidung - so macht Detektiv-Sein Spaß.
Aber auch hier gibt's an vielen Stellen Probleme: Beim Anschauen von Verdächtigen müssen wir jetzt entscheiden, ob beispielsweise eine Amerika-Brosche am Revers eines Schauspielers für Selbstverliebtheit oder ausgeprägten Patriotismus steht. Nette Idee, nur fehlen uns bei vielen Erstbegegnungen Hintergrundinformationen, um unsere Schlüsse vernünftig zu begründen. Und wer einmal falsch liegt, kann diese Entscheidung nicht rückgängig machen. Ein armer Junge steht mit extrem geröteten Augen in unserem Büro - ist er jetzt krank oder einfach nur traurig? Woher sollen wir das ohne Kontext wissen?
Außerdem fällt das Lösen des Falles bei zwei der fünf Kapitel ohnehin flach, weil wir stattdessen in Quick-Time-Action verwickelt werden und den Übeltäter durch Reflexe und nicht durch Köpfchen überführen. Ziehen wir also Bilanz: Sherlock Holmes: The Devil's Daughter fällt kürzer aus als der Vorgänger, hat langweilige Fälle, eine belanglose und unlogische Story, unzählige nervtötende Quick-Time-Passagen. Und viel zu wenig Fokus, wenn's ums Rätseldesign geht. Das dürfte gerade für Fans ein Ärgernis sein, denn unter all den Problemen schlummert auch im Nachfolger das gleiche großartige Adventure-Potenzial wie in Crimes and Punishments.
Es gibt Momente, in denen wir uns wieder wie ein echter Detektiv fühlen, begeistert Beweise aneinanderhalten und die Stirn in Denkfalten legen - hierauf hätte der Fokus liegen sollen! Stattdessen nimmt sich The Devil's Daughter selbst die Chance zu glänzen, weil es sich die eigenen Stärken mit unnützem Kram verbaut. Da wäre der Schuster besser bei den eigenen Leisten geblieben.
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