Seite 2: Warum Sex gerade in Konsolenspielen so keusch ausfällt

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Wie sieht es heute aus?

Seither hat sich einiges getan: Night Trap wurde 2017 in einer Special Edition für die Switch veröffentlicht und Sexszenen gehören mittlerweile zum Standardrepertoire von AAA-Spielen wie Assassin's Creed oder The Witcher.

Dass diese in der Regel sehr dezent ausfallen und es, anders als auf dem PC, keinerlei Pornospiele für Konsolen gibt, lässt sich aber auf genau diese Ära der Umbrüche zurückführen, in der auch das Entertainment Software Rating Board ins Leben gerufen wurde - jene Organisation, die für Altersfreigaben digitaler Spiele in den USA zuständig und für ihre wenig offene Einstellung gegenüber Sex berühmt-berüchtigt ist.

Sie nimmt auch heute Einfluss darauf, was in Spielen gezeigt wird und was nicht, und das schlägt sich durch den globalisierten Markt nicht mehr nur auf in den USA veröffentlichte Produkte nieder.

Als Konsolenveröffentlichung undenkbar: Die Visual Novel Ladykiller in a Bind, in der Sex eines der zentralen Spielelemente ist. Als Konsolenveröffentlichung undenkbar: Die Visual Novel Ladykiller in a Bind, in der Sex eines der zentralen Spielelemente ist.

Die Konsolenhersteller orientieren sich an den Regeln speziell des ESRB, weil es über den finanziellen Erfolg eines Titels maßgeblich mitbestimmen kann: Kassiert ein Spiel das "Adults Only"-Rating, darf es nicht mehr öffentlich beworben werden und zahlreiche große Geschäfte verweigern die Aufnahme ins Sortiment, deswegen lehnen auch Sony, Nintendo und Microsoft die Aufnahme entsprechender Produkte in ihr Portfolio ab.

Während die in Deutschland übliche, damit vergleichbare Indizierung aber vor allem drastische Gewaltdarstellungen ins Visier nimmt, wird das gefürchtete "AO"-Etikett fast nur in Reaktion auf sexuell explizitere Inhalte vergeben, wobei deren Definition des ESRB mitunter für Stirnrunzeln sorgt.

Bis heute ist nämlich auch das CD-i-Spiel The Joy of Sex auf dem Quasi-Index aufgeführt - eine Art Ratgeber, in dem Frauen mittleren Alters (wohlgemerkt vollbekleidet) von ihren schönsten Sexerlebnissen schwärmen und zwischendurch Buntstiftzeichnungen nackter Menschen in sexuellen Posen eingeblendet werden. Direkt darüber ist in der Liste der brutale Massenmord-Shooter Hatred aufgeführt.

Angst vor dem Schmuddel-Image

Ausschließlich digital vertriebene Spiele indes können sich dem strengen prüfenden Blick des ESRB zwar entziehen - auch auf Steam veröffentlichte Titel müssen nicht entsprechend zertifiziert sein - nicht aber dem der penibel auf ihr Image bedachten Konsolenhersteller. Auch deshalb, weil sexuell expliziten Spielen, selbst wenn sie nicht ausdrücklich pornografisch sind, immer noch ein starkes Schmuddel-Stigma anhaftet, weigern sich die Branchengrößen bislang, diese Art von Erwachseneninhalten auf ihre Geräte zu lassen. Auch hier gilt also wieder: Gewalt ja, Sex nein.

Dabei hatte gerade Sony lange kein Problem damit, Sex als Marketingmittel zu nutzen. Einige Werbeanzeigen vor allem aus den frühen 2000er Jahren zeugen davon, denn sie zeigen nicht nur knapp bekleidete Frauen, sondern in besonders bizarren Fällen gar welche, die gewissermaßen Sex mit der Konsole selbst hatten.

Sex Sells: Speziell Sonys Werbeanzeigen standen eine zeitlang im harten Kontrast zu dem, was auf der Konsole der Firma zulässig war. Sex Sells: Speziell Sonys Werbeanzeigen standen eine zeitlang im harten Kontrast zu dem, was auf der Konsole der Firma zulässig war.

Im Kontrast dazu stehen die Vertriebsregeln für die PlayStation, die erst kürzlich wieder verschärft wurden, sodass Titel - wie etwa im Falle von Senran Kagura Burst Re:Newal - zensiert werden müssen oder gar nicht mehr für die Konsole erscheinen können. Während Sonys offizielle Begründung für diesen Schritt primär auf die #MeToo-Bewegung und die Repräsentation von Frauen in Medium Bezug nahm, dürfte ein anderer Aspekt bedeutsamer sein: Streaming.

Streng aber intransparent

Twitch und YouTube als größte Streaming-Plattformen sind bekannt dafür, im Gegensatz zu Gewaltdarstellungen Sexualität und Nacktheit nicht oder nur eingeschränkt zuzulassen. Gemein haben diese beiden Plattformen mit Sony, dass sie ihre strikten Richtlinien nicht öffentlich einsehbar zur Verfügung stellen und mitunter sehr frei auszulegen scheinen.

Dieser Mangel an Transparenz führt dazu, dass Studios sich lieber in zu viel als zu wenig Selbstzensur üben, um ihre Reichweite nicht unnötig zu begrenzen und keine kostspieligen Änderungen an ihren Produkten vornehmen zu müssen.

Ausgerechnet Nintendo bietet in seinem eShop mittlerweile auch manch erotisch angehauchten Titel an. Aber unklare Publishing-Richtlinien sorgen für Unsicherheit. Ausgerechnet Nintendo bietet in seinem eShop mittlerweile auch manch erotisch angehauchten Titel an. Aber unklare Publishing-Richtlinien sorgen für Unsicherheit.

Überraschenderweise veröffentlichte ausgerechnet Nintendo trotz dieser widrigen Umstände zuletzt immer häufiger erotisch angehauchte Titel in seinem eShop. Die erscheinen zwar - wie etwa das Wimmelbild-Spiel Perky Little Things - zum Teil zensiert, überlassen aber bedeutend weniger der Fantasie als andere Konsolentitel. Nur: Solange auch der Branchenriese aus Japan keine klaren Richtlinien herausgibt und Entwickler*innen finanziell auf Cross-Plattform-Releases angewiesen sind, ist die partielle Öffnung eines einzelnen Online-Shops nur ein Tropfen auf dem heißen Stein.

So bestimmen auch weiterhin einige wenige Firmen über die inhaltliche Ausrichtung von AAA-Spielen und obwohl mittlerweile weithin bekannt ist, dass Games nicht nur für Kinder gedacht sind (und es auch nie waren), darf Sex - wenn überhaupt - nur als Gimmick oder in Form geschmackvoll inszenierter Zwischensequenzen dargestellt werden, die notgedrungen sehr viel der Fantasie überlassen.

Das ist bedenklich, weil Sex trotz seiner eigentlichen Harmlosigkeit und wichtigen Stellung in der menschlichen Erfahrungswelt so weiterhin strenger reguliert wird als drastische Gewalt.

Dabei sind selbst pornografische Darstellungen nicht zwangsläufig sexistisch, weswegen Sonys Verweis auf #MeToo irritiert. Um Sexismus etwas entgegenzusetzen, braucht es eine aktive Förderung der Darstellungsvielfalt - nicht nur in sexuellen, sondern auch in anderen Kontexten - und Sensibilisierung für Stereotype, keine pauschalen Verbote. Aktuell verlässt man sich jedoch leider viel zu oft auf simple Maßnahmen und auf jeden Schritt nach vorne folgen zwei Schritte zurück.

Man darf gespannt sein, ob wir dennoch in drei Jahrzehnten ebenso kopfschüttelnd auf die gegenwärtige Situation blicken werden wie heute auf die Entwicklungen der 80er und 90er Jahre.

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