Warum Sex gerade in Konsolenspielen so keusch ausfällt

Im zweiten Teil ihrer Artikelreihe "Sex in Videospielen" untersucht Gastautorin Nina Kiel, warum Sex in Nintendo-, Xbox- und PlayStation-Spielen nach wie vor kaum ein Thema ist.

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Gehen Sie weiter, hier gibt es nichts zu sehen: Gerade in Spielen, die (auch) auf Konsolen erscheinen, sind Darstellungen von Sex und Nacktheit oft sehr dezent. Gehen Sie weiter, hier gibt es nichts zu sehen: Gerade in Spielen, die (auch) auf Konsolen erscheinen, sind Darstellungen von Sex und Nacktheit oft sehr dezent.

Wie wir in unserem Report zum Thema Sex in Spielen bereits ausführlich beleuchtet haben, wird Geschlechtsverkehr im Medium und speziell im Spiele-Mainstream eher verhalten und ziemlich ungeschickt abgebildet, obwohl er ein so zentrales Thema im menschlichen Alltag ist. Im zweiten Teil der Artikelreihe gehen wir nun der Frage nach, warum es expliziteren Sex zwar mitunter in PC-Spielen, aber so gut wie nie auf Konsolen zu sehen gibt.

Goldgräberstimmung

In den 70er und 80er Jahren ging es in der Spieleindustrie zu wie im Wilden Westen: Praktisch jede*r wollte die Goldader des Heimkonsolen- und Computermarkts anzapfen, Spiele wurden wie am Fließband produziert und mitunter von bedingt fachkundigen Menschen eilig zusammengebastelt, das Gerangel um die zahlungsfreudige Kundschaft war groß.

Die Qualität der Produkte ließ immer mehr nach und somit auch das Vertrauen in ihre Hersteller*innen, bis der übersättigte Spielemarkt schließlich 1983 in sich zusammenbrach. Was folgte, sollte nicht nur die generelle Ausrichtung der Gamesbranche über Jahrzehnte hinweg prägen, sondern speziell auch deren Umgang mit Sex in Konsolenspielen, und in beiden Kontexten trat eine bis dato wenig bekannte Firma aus Japan als Strippenzieher in Erscheinung.

Die Spiele der Firma Mystique (hier: Custer's Revenge) sorgten für viel Ärger – und schädigten den Ruf von Atari, auf dessen 2600er die Titel erschienen. Eklats wie diesen versuchten Konsolenhersteller fortan durch strenge Regulierung zu umgehen. Die Spiele der Firma Mystique (hier: Custer's Revenge) sorgten für viel Ärger – und schädigten den Ruf von Atari, auf dessen 2600er die Titel erschienen. Eklats wie diesen versuchten Konsolenhersteller fortan durch strenge Regulierung zu umgehen.

Nintendo versprach dem verärgerten westlichen Konsument*innen mit seinem "Seal of Quality" hochwertige Produkte, die einem intensiven Qualitätssicherungsverfahren unterzogen wurden. Durch ein spezielles Patent stellte die Firma sicher, dass nur von ihr selbst produzierte Module mit dem Nintendo Entertainment System kompatibel waren, was ihr die volle Kontrolle über die entwickelten Spiele und deren Inhalte gab.

Nintendos Vorgaben waren streng: Nicht nur mussten die zu veröffentlichenden Titel fehlerfrei laufen, sie durften - unter anderem - auch keine willkürlichen, drastischen Gewaltdarstellungen, keine religiösen Symbole, keine politischen Statements und, schließlich, auch keinen Sex enthalten.

Mit diesen Anforderungen wollte Nintendo sicherstellen, das NES als Spielzeug zu vermarkten und den strengen Wertvorstellungen insbesondere des US-amerikanischen Publikums genügen zu können, um sich nach dem japanischen nun auch diesen wichtigen Absatzmarkt zu erschließen. Japanische Spiele wurden deshalb mitunter vor der Veröffentlichung im Westen verändert, selbst wenn es nur um Details wie etwa eine Statue in "Castlevania IV" ging, die in der Originalfassung barbusig in Erscheinung trat, in der lokalisierten Version dagegen nicht.

Nina Kiel
@Beurkeek

Nina Kiel ist Spielejournalistin und befasst sich schwerpunktmäßig unter anderem mit der Darstellung von Geschlecht und Sexualität in Games. Letzterem Thema hat sie bereits eine Artikelreihe und zwei Podcastformate gewidmet, aktuell spricht sie darüber monatlich im Podcast "Random Encounters" bei Insert Moin und arbeitet nebenher an Ihrem zweiten Buch. Ihr Lieblingsssexspiel ist und bleibt "Coming Out On Top".

Die US-Politik in Aufruhr

Erwähnenswert ist Nintendos Vorgehen vor allem deshalb, weil der Spielehersteller über Jahre hinweg im Grunde eine Monopolstellung in den USA innehatte und auch massiv an Einfluss auf den übrigen Absatzmärkten gewann.

Sega trat erst Ende der 80er Jahre mit dem Sega Mega Drive bzw. Genesis als ernsthafte Konkurrenz auf und inszenierte sich im Westen gezielt als Gegenpol. Sega-Spiele waren zwar ebenfalls nicht sexuell explizit, aber laut Werbeversprechen brutaler, sexier, schneller, kurz: Cooler als die des betont familienfreundlichen Mitbewerbers.

Damit allerdings rief das Unternehmen die Politik auf den Plan, die das "neue" Medium bereits seit einer Weile argwöhnisch beäugt hatte und nun nicht länger untätig herumsitzen wollte. Die Konsequenz war 1993 eine Anhörung vor dem US-Kongress, in der am Beispiel der kontroversen Titel Night Trap und Mortal Kombat die von Spielen ausgehende Gefahr für Kinder und Jugendliche belegt werden sollte und eine flächendeckende Regulierung der Industrie gefordert wurde - denn die gab es damals noch nicht, Firmen wie Nintendo und Sega regulierten sich selbst.

Die entscheidende Szene aus Night Trap, die den US-Kongress zum Handeln und Nintendo-Vize Lincoln zu der Aussage veranlasste, dass Spiele wie dieses "keinen Platz in unserer Gesellschaft" hätten. Die entscheidende Szene aus Night Trap, die den US-Kongress zum Handeln und Nintendo-Vize Lincoln zu der Aussage veranlasste, dass Spiele wie dieses "keinen Platz in unserer Gesellschaft" hätten.

Während der Anhörung wurden Videomitschnitte aus den beiden Spielen gezeigt, Schaubilder herumgereicht, und die Vertreter der US-Zweigstellen von Nintendo und Sega lieferten sich einen regelrechten Wettstreit der Tugendhaftigkeit, der bisweilen ins Absurde abdriftete: So hielt Sega-Sprecher Bill White triumphierend eine "Nintendo Scope"-Bazooka in die Höhe, nachdem Nintendo-Vizepräsident Howard Lincoln ein pistolenförmiges Zubehör für Segas Konsole präsentierte, das die Gewaltorientierung des Konkurrenzunternehmens veranschaulichen und dieses in ein schlechtes Licht rücken sollte.

Bezugnehmend auf Night Trap, in dem man mitunter knapp bekleidete Teenie-Mädchen vor Vampiren retten musste, sagte Lincoln gar: "Dieses Spiel, das Gewalt gegen Frauen propagiert, hat schlicht keinen Platz in unserer Gesellschaft" und fügte hinzu, dass dieses Produkt niemals auf einer Nintendo-Konsole erscheinen werde.

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