Wii U als warnendes Beispiel
Trotz (oder wegen?) des Second Screen bleiben die Verkaufszahlen der Wii U hinter den Erwartungen zurück. Die Begeisterung externer Studios für das Feature hat deutlich abgenommen. Kein Wunder, bedeutet es doch vor allem mehr Entwicklungsaufwand, der anderen Plattformen nicht oder nur begrenzt zugutekommt.
Das musste beispielsweise Michel Ancel bei der Xbox-Portierung von Rayman Legends erfahren: Smartglass war seiner Expertise nach einfach nicht schnell genug, um die Wii-U-Funktionen zu übertragen. Abgesehen von Nintendos eigenen Projekten wir Project Giant Robot und Project Guard fallen uns nur wenig Titel für 2015 ein, die wirklich coole Funktionen für den Spezialcontroller mitbringen.
Und selbst Nintendo hat inzwischen die ursprüngliche Idee, zwei Touchscreen-Gamepads gleichzeitig zu unterstützen, nahezu aufgegeben. Mario-Vater Shigeru Miyamoto: »Wir versuchen immer noch, die Leute von der Wii U an sich zu überzeugen. Spiele mit Support für zwei Gamepads liegen erst mal nicht in unserem Fokus.« Nintendo-Chef Satoru Iwata nannte das Gamepad gar einen »Schwachpunkt« des Systems. Die Kundschaft würde das Feature nicht als Kaufargument und Alleinstellungsmerkmal der Plattform annehmen, anders als seinerzeit die Bewegungssensorik der ersten Wii.
Karaoke mit dem Controller
Für Xbox- und PlayStation-Anhänger sieht die nahe Zukunft kaum rosiger aus. Für viele größere Projekte wie Assassin's Creed Unity, Fable Legends oder Driveclub sind zwar Companion-Apps in Planung, allerdings versprechen nur wenige davon wirklich innovative, spielspaßfördernde Features. Eine positive Ausnahme stellt Singstar: Ultimate Party dar, bei dem wir unsere Smartphones als Mikrofone verwenden.
Das ist simpel, aber genial und spart nebenbei bares Geld für Zubehör. Die Aufnahmequalität moderner Handys ist locker gut genug für eine Runde Karaoke zwischendurch. Ein weiterer hoffnungsvoller Kandidat ist The Division, wo wir unsere Konsolen-Kumpels in Multiplayer-Matches via Tablet unterstützen können, indem wir Drohnen steuern, Ziele zuweisen und Verwundete heilen. Die Division-Macher von Ubisoft zeigen sich wieder einmal als begeisterte Fans und Förderer der Second-Screen-Idee. Ein großer Teil der Vorzeigetitel - darunter Watch Dogs, Rayman Legends, Black Flag - stammt aus dem Portfolio des französischen Publishers. Laut Deutschland-Chef Ralf Wirsing sollen solche Apps in Zukunft »noch mehr Gewicht erhalten.«
Negative Prognosen
Ob der Plan aufgeht, lässt sich derzeit noch schwer abschätzen. Wie unsere Leserumfrage zeigt, stehen gut zwölf Prozent der Teilnehmer dem Thema Second Screen generell ablehnend gegenüber, weitere 20 Prozent konnten sich für keine bislang erschienene App erwärmen. Fast noch entmutigender: Mehr als ein Drittel kann mit dem Begriff schlicht nichts anfangen, obwohl Konsolenhersteller und Spielefirmen seit mindestens zwei Jahren lautstark die Werbetrommel rühren.
Etwas zuversichtlicher stimmt die Lage in Japan und den USA, wo Meinungsforschern zufolge inzwischen fast die Hälfte der Bevölkerung derartige Programme zumindest einmal ausprobiert hat. Allerdings bezeichnen sich nur 15 Prozent als regelmäßige Nutzer - und meinen damit obendrein vor allem diverse TV-Apps, die dort von zahlreichen Sendern, Kabelbetreibern und Drittherstellern angeboten werden, weniger Videogames.
Das Fernsehen (und, wie viele Kinobesucher aus leidvoller Erfahrung mit störenden Handynutzern wissen, auch der Film) eignet sich für Begleitmedien nun einmal wesentlich besser, weil es die Aufmerksamkeit des Zuschauers weniger stark fordert als ein Spiel. Beim Tatort einen Tweet absetzen? Kein Problem! Bei einer Runde Mario Kart? Höchstens per Spracherkennung! Unsere Schweißfinger kleben schließlich am Controller.
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