Die sind echt bescheuert!
Schon in Saints Row: The Third standen Gegner teils untätig herum und die Fahr- beziehungsweise Flug-KI sorgte dafür, dass sich Aliens, Polizisten und Passanten gerne mal gegenseitig über den Haufen fuhren. Saints Row 4 setzt da noch einen drauf - denn wir bemerken keine Besserung, sondern haben im Gegenteil den Eindruck, dass die Feinde noch dümmer geworden sind. So verhaken sie sich gerne an Strommasten oder Zaunecken und lassen sich dann wehrlos abknallen, stehen bei wilden Feuergefechten ungerührt herum oder drehen sich gar von uns weg.
Dazu knallen angreifende Raumgleiter schon mal im Flug zusammen und explodieren. Zusammen mit den stets gleichartigen menschlichen wie außerirdischen Bösewichter geht so ein Teil der Freude an den Superkraft-Kämpfen wieder verloren - auch wenn die Steuerung dabei jederzeit hervorragend funktioniert.
Bei der Grafik gibt es ebenfalls keine Fortschritte. So basiert Saints Row 4 nicht nur auf derselben Engine wie der dritte Serienableger, sondern bringt auch das Kunststück fertig, an einigen Stellen nochmal deutlich trister auszusehen. Wer bei der Hubschraubersequenz zum Beginn die »Bergwelt« im Hintergrund sieht, fürchtet fast, in der falschen Zeit gelandet zu sein. Ausgerechnet direkt zu Spielbeginn eine der unansehnlichsten Landschaften der letzten Jahre zu präsentieren, zeugt entweder von Zeit- und Geldnot (was durch die zwischenzeitliche Pleite des ursprünglichen Publishers THQ nicht unwahrscheinlich ist) oder purer Faulheit.
Dazu sind wie schon beim Vorgänger die Texturschärfe sowie die Polygon- und Detailzahl nicht auf der Höhe der Zeit - wobei Saints Row: The Third ja auch schon wieder knapp zwei Jahre auf dem Buckel hat. Saints Row 4 hat aber auch Stärken, darunter die Animationen, vor allem während der klasse inszenierten Zwischensequenzen, das halbwegs ordentlichen Schadensmodell der Autos und einige Explosionseffekte.
Geht ins Ohr
Kaum eine Blöße gibt sich der Titel hingegen beim Sound. Natürlich sind viele Klangeffekte ebenfalls wenig zeitgemäß, aber die ausgezeichneten Sprecher machen das wieder vergessen. Wenn sich Kinzie mit ihrem Hacker-Konkurrenten Matt Miller kabbelt, dann müssen wir ebenso genüsslich grinsen, wie wenn unsere KI-Drohne CID auf Partnersuche geht. Dazu kommt ein herrlich überheblicher Zinyak, der dem Alien-Zirkus eine erfrischende Persönlichkeit verleiht. Wie in den Vorgängern erklingen allerdings sämtliche Stimmen ausschließlich auf Englisch, die deutsche Version bietet lediglich gut übersetzte Untertitel.
Auf ähnlich hohem Niveau wie die Sprecher befindet sich auch wieder der grandiose Soundtrack. Hier gibt´s Schießereien im Club zu »Insane in the Brain« von Cypress Hill, eine Raumschiff-Verfolgungsjagd zum Eurodance-Hit »What Is Love« von Haddaway oder »Opposites Attract« von Choreographie-Ikone Paula Abdul. Dazu gesellen sich Klassiker von Blur, Thin Lizzy, Tchaikovsky oder Bizet.
Hacking-Minispiel
Saints Row 4 verschießt eine herrliche Kaskade an Zitaten aus Popkultur, Filmen, Büchern, Geschichte und Gesellschaft. So erinnert die Drohne CID an Wheatley aus Portal 2 und zitiert nebenbei die 2001-Fortsetzung 2010 (»Es ist alles voller Sterne«). Ein Textadventure wiederum fasst in einem Bild die gesammelten Werke Edgar Allen Poes zusammen, nur um kurz darauf den Comic-im-Comic »Tales of the Black Freighter« aus Watchmen zu persiflieren.
Besonders interessant sind die vielen Bezüge zum Film Sie leben! von John Carpenter, der auf die Paranoia der amerikanischen Gesellschaft in der Reagan-Ära (!) anspielte und die (Alien-)Unterwanderung des gesellschaftlichen Zusammenhalts durch ungebremsten Konsum, Kapitalgier und Fernsehen thematisierte. Und wer hat da mitgespielt? Na klar, Keith David, der Vizepräsident! Wer will, kann da eine Absicht der Entwickler herauslesen, muss aber nicht - Saints Row 4 bleibt auch dann genießbar, wenn man auf Anspielungen pfeift und sich einfach dem abgedrehten Humor hingibt.
So muss jeder Spieler für sich selbst entscheiden, ob er in den Anspielungen einen hintergründigen und aktuellen Kommentar auf die (amerikanische) Gesellschaft verstehen möchte, oder alles für eine geschmacklose Witzesammlung hält, in der man »nackte« Waffengewalt schon mal wörtlich nehmen und mit einem entblätterten Helden rumballern darf. Aber dass diese Auseinandersetzung überhaupt funktioniert, zeichnet Saints Row 4 in unseren Augen bereits aus. Denn zu oft verschenken Spiele das in ihnen schlummernde Themen- und Parodiepotenzial achtlos.
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