Beinahe ein Anti-Sacred
An dieser Stelle erscheint Sacred 3 beinahe als Anti-These zu seinen Vorgängern. Als Gegenentwurf zum ausufernden, überquellenden Sacred, in das seine Entwickler bis kurz vor der Fahrt ins Presswerk immer neue Features und Missionen reingestopft haben. In das kaum eine Idee nicht eingebaut wurde, wenn noch Zeit da war. Das aber gerade dadurch auch bei Erscheinen uneinheitlich und unfertig wirkte. Sacred 3 setzt diesem chaotischen Überfluss einen klaren Fokus und saubere, ausgefeilte Umsetzung entgegen. Wo die ersten Sacred-Titel epische Rollenspiele sein wollten, ist Sacred 3 als schneller, unkomplizierter Feierabendspaß konzipiert. Wo vorige Teile der Reihe ganze Welten erschaffen wollten, soll man Sacred 3 mal eben rausholen können, wenn Freunde zu Besuch kommen. Starten, Charakter auswählen und flott drei bis vier Missionen durchzocken.
Diese Missionen sind diesem Vorsatz entsprechend mundgerecht portioniert. Selbst die Hauptmissionen scheinen in der Regel nur 20 bis 30 Minuten in Anspruch zu nehmen. 15 Stück davon gibt es, plus 20 Nebenmissionen, die in der Regel aus kleinen Arena-Kämpfen bestehen, die nach fünf bis zehn Minuten vorbei sind. Wenig spektakuläre Zwischensequenzen, bestehend aus minimal animierten Zeichnungen, erzählen die Hintergrundgeschichte, in der wir die Fantasiewelt Ancaria vor dem irren Despoten Zane Ashen retten müssen. Einige skurrile Charaktere lassen den berühmt-berüchtigten Humor der Sacred-Spiele anklingen, ohne dabei aber so deplatziert zu wirken, wie das bei Sacred manchmal der Fall war.
Das flexible Skillsystem wird vielleicht am ehesten dem Markennamen gerecht. Fertigkeiten, Kampfkünste und Waffen lassen sich jeweils auf sieben verschiedene Arten spezialisieren und bieten so für jeden Charakter Hunderte unterschiedliche Kombinationsmöglichkeiten. Die Charaktere selbst wiederum sind auf verschiedene Spielstile ausgelegt: vom rabiaten Haudrauf bis zum Fernkämpfer.
Dieser Mix ist Keen Games unserem ersten Eindruck nach gut geglückt, denn tatsächlich spielt sich Sacred 3 jedes Mal ein bisschen anders, wenn man den Charakter wechselt oder vor Antritt des Levels eine andere Ausstattung wählt. Einmal unterwegs, ist dann aber Schluss mit Ausrüsten. Das erklärte Ziel der Designer ist es, dass man bei den flotten Runden eben nicht mehr Zeit im Inventar verbringt, als im Spiel. Es gibt daher keinen Loot, nur Belohnungen am Level-Ende und vor allem Gold.
Schon immer super: Sacred-Gold
Mit Gold lässt sich so ziemlich alles erledigen: Fertigkeiten aufrüsten, neue Kampfkünste freischalten, Waffen upgraden. Sacred 3 opfert eine der Säulen des klassischen Rollenspiel- und Hack&Slay-Designs zugunsten eines höheren, ununterbrochenen Spieltempos. Eine riskante Entscheidung, denn so geht eine wichtige psychologische Motivation flöten. Ohne die ständige Loot-Karotte vor der Nase müssen Kampfsystem und Gegner-KI den Ansporn schaffen, das Spiel mehrfach in Angriff zu nehmen und immer ein bisschen besser zu werden.
Das ist auch den Entwicklern klar gewesen, die Erfolg im Spiel erheblich stärker an geschickte Taktik und schnelle Reaktionen koppeln. Besonders die Hechtrolle zum Ausweichen oder - alternativ - das gute Timing beim Blocken von Angriffen sind wichtige Voraussetzungen. Wer seinen Helden so richtig im Griff hat, sagen die Entwickler, kann sogar in Levels bestehen, die eigentlich erst für Helden höherer Erfahrungsstufen gedacht sind.
Ob man zu dieser Sorte Könner gehört, lässt sich einfach ausprobieren, denn fast alle Haupt- und Nebenmissionen sind von Anfang an auf der Weltkarte auswählbar. Drei Schwierigkeitsgrade und ein New-Game-Plus-Modus sollen darüber hinaus zum mehrfachen Durchspielen motivieren - zu zweit vor der Konsole oder online sogar mit bis zu vier Haudegen.
Am Ende wird abgerechnet
Damit es eingespielten Teams nicht langweilig wird, stehen übrigens auch alle Helden untereinander in Konkurrenz. Am Ende jedes Levels verrät dann die Endabrechnung, wer im letzten Durchgang die beste Leistung erbracht hat. Dieser Wettbewerb zwischen den Charakteren ist durchaus unterhaltsam und wird auch vom Design der Figuren unterstützt. Egal welchen Charakter wir ausprobierten, sie alle können auf ihre Art gut austeilen. Die typische Rollenverteilung Marke Tank und Damage-Dealer scheint zwar auch bei Sacred 3 durch, steht aber nicht so stark im Vordergrund, da das Geschick des Spielers eine größere Rolle spielt.
Es gibt Team-Moves, bei denen ein Spieler den Gegner beispielsweise über begrenzte Zeit festhalten kann, während die anderen draufhauen. Außerdem können wir verwundete Mitstreiter vor dem drohenden Exitus retten, indem wir zu ihnen herüber eilen und die Wiederbelebungstaste drücken. Grundsätzlich jedoch erschien uns der Koop-Modus von Sacred 3 mehr auf ein gemeinsames Spielerlebnis ausgelegt als auf perfektes Teamwork. In höheren Schwierigkeitsgraden kann das dann aber durchaus noch ganz anders aussehen.
Sebastian Reichert und das Team von Keen Games, das sei nochmal gesagt, haben einen guten Job abgeliefert - aber kein gutes Sacred. Ihr Spiel macht Spaß, es sieht hübsch aus, es wirkt wie einer dieser Titel, die zu zweit auf der Couch für gute Laune sorgen. Es wäre ihm und dem Team gegenüber am fairsten, wenn ein anderer Name auf der Schachtel stünde. Aber irgendwer, irgendwo beim Publisher hat abgewogen und entschieden, dass man am Ende mehr Geld mit dem Spiel verdienen wird, wenn Sacred 3 auf der Verpackung steht, egal ob das falsche Erwartungen weckt.
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