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Wasteland - Retro Hall of Fame zum RPG-Klassiker
Von wegen »post«: Die Handlung des Spieleklassikers Wasteland findet zwar »nach« einem Atomkrieg statt, die Apokalypse ist aber weiter in vollem Gange. Vom Reich Gottes, das laut christlichem Glauben auf das Jüngste Gericht folgen soll, ist im Nordamerika des Jahres 2087 weit und breit nichts zu sehen.
Stattdessen sind Tod, Gewalt, Hunger und Krankheiten im Ödland ständige Begleiter. Noch bedrohlicher wird es dann, als die Überbleibsel der Menschheit von einer machtgierigen künstlichen Intelligenz angegriffen werden - sie zu stoppen ist unsere große Herausforderung in Wasteland.
Der Titel von Entwickler Interplay aus dem Jahre 1988 prägt seinerzeit das Genre der Endzeitspiele nachhaltig und gilt als geistiger Vater der Fallout-Reihe. Aber auch die Spielmechanik ist damals wegweisend.
Das Kampfsystem und die Charakterverwaltung bauen zwar auf dem Klassiker The Bard's Tale auf, jedoch wird das Ganze mit großer spielerischer Freiheit und denkwürdigen Charakteren verknüpft. Seinen Platz in unserer Retro Hall of Fame hat sich Wasteland damit redlich verdient.
Würfeln,bis der IQ stimmt
Schon das Erstellen der Spielfiguren ist ein Nostalgietrip: Die Werte wie Stärke, Geschicklichkeit oder Intelligenz werden bei Wasteland klassisch mit drei Sechser-Würfeln ausgeknobelt. Im Unterschied zu Pen&Paper-Rollenspielen wie AD&D haben wir jedoch unbegrenzt viele Versuche, um möglichst hohe Werte herauszuholen. Also würfeln und würfeln und würfeln wir ... Halt!
Alle Werte über 13, vor allem hohe Intelligenz - das passt! Denn der IQ ist gleichbedeutend mit einer hohen Zahl an Fertigkeiten. Und die spielen in Wasteland eine entscheidende Rolle.
Beim Erkunden des Ödlands räumen wirnicht nur massig Monster aus dem Weg, sondern überwinden auch unzählige Hindernisse. Ein Geröllhaufen? Muss mit »Klettern« erklommen werden. Versteckte Eingänge? Werden mit »Wahrnehmung« entdeckt - und nicht etwa mit den eigenen Augen, was bei der pixeligen Grafik auch kaum möglich wäre.
Deshalb ist es wichtig, dass unsere Mitglieder verschiedene Stärken und Fähigkeiten haben. Am besten auch noch unterschiedliche Geschlechter und Nationen. Und was die Starttruppe nicht hergibt, lässt sich im Laufe des Spiels ergänzen, denn in Wasteland sind jede Menge Charaktere versteckt, die sich uns anschließen können.
Für damalige Verhältnisse bemerkenswert ist, dass manche Nebencharaktere einen eigenen Willen zu haben scheinen - gewisse Aktionen verweigern sie einfach.
Handbuch als Pflichtlektüre
Wasteland ist verdammt konsequent: Stirbt eine Spielfigur in den zahlreichen rundenbasierten Kämpfen, dann gibt es kein Zurück. Deshalb sind die Gefechte, obwohl sie einfach strukturiert sind, oftmals sehr spannend, auch weilgute Waffen und Munition im Ödland eher Mangelware sind.
Ebenfalls ziemlich konsequent ist die Sparmaßnahme, dass große Teile der Story nicht im Spiel, sondern im Handbuch auftauchen. Der Speicherplatz auf den Disketten ist damals eben besonders kostbar. Obendrein ist das Buch auch eine Art Kopierschutz. Immer wieder müssen wir im Spielverlauf bestimmte Paragrafen aufschlagen, um anhand von Textfetzen im Spiel weiterzukommen.
Trotzdem ist die Spielwelt in Wasteland für damalige Verhältnisse überraschend offen gestaltet: Gleich zu Beginn können wir uns frei durch das Ödland bewegen und diverse Gebiete erkunden.
Dabei stoßen wir auf jede Menge Monster, von blutrünstigen Kaninchen bis zu mutierten Riesenspinnen. Richtig abgedreht sind aber die mechanischen Biester - zum Beispiel Scorpitron, eine Mischung aus Skorpion und Panzer. Doch auch die menschlichen Charaktere in Wasteland liefern denkwürdige Auftritte.
Wie die Ordensschwestern, die sich ihrer rauen Umwelt angepasst haben und mit Pistolen herumwedeln. Oder Gangsterboss Fat Freddie, der seine schätzungsweise drei Zentner in einen blauen Ganzkörperstrumpf gepresst hat. Und natürlich Faran Brygo, ein geschniegelter Gangster, dessen Name keineswegs zufällig nach dem des federführenden Entwicklers Brian Fargo klingt.
All diese Elemente machen Wasteland zu einem großartigen Erlebnis, das damals für Wochen vor den Bildschirm fesselt. Der Umfang ist im Vergleich zu manchen Rollenspielkolossen der Gegenwart zwar überschaubar, dafür gibt es aber auch deutlich weniger Führung innerhalb des Spiels - entscheidende Fortschritte sind deshalb umso großartiger, zumal es auch noch verschiedene Wege auf dem Weg zum großen Finale gibt.
So können wir zum Beispiel die Tür einer Militärbasis sanft mit dem Dietrich oder unsanft mit Sprengstoff öffnen. Alternative Nummer drei ist ein Helikopter, der uns direkt in die Basis bringt - so viel Freiheit ist manim Jahr1988 nicht gewohnt.
Wegbereiter für Fallout
Den an dieser Stelle passenden Ruf nach einer Fortsetzung braucht es diesmal nicht, und zwar in doppelter Hinsicht: Erstens wurde unser Neuzugang in der Hall of Fame bereits mit einem Nachfolger namens Wasteland 2 bedacht, an der Wasteland-Veteranen wie Brian Fargo beteiligt waren.
Deshalb scherten sich die Entwickler auch weniger um moderne Technik und setzten stattdessen voll auf die alten Tugenden: spielerischer Tiefgang kombiniert mit einer besonderen Atmosphäre.
Und zweitens mangelt es generell nicht an hochklassigen Spielen mit Endzeitszenario. Vor allem die Fallout-Reihe hat sich, nach längerer Pause zwischen Fallout 2 und Fallout 3, zu einem echten Dauerbrenner entwickelt, der Wasteland im Geiste oder konkret immer wieder huldigt.
So ist es absolut kein Zufall, dass die Story von Fallout: New Vegas in den Trümmern der einstigen Glücksspielmetropole stattfindet - auch in Wasteland spielt die Wüstenstadt eine zentrale Rolle.
Ganz so naiv-charmant wie das Original sind die Spiele der Fallout-Reihe aber nicht - dieses Feeling ist ein ganz eigenes Phänomen der Titel aus den 80er Jahren. Und Wasteland ist mit seinen gewürfelten Charakterwerten, dem Handbuch mit Storyschnipseln, der pixeligen Grafik, schießwütigen Nonnen und Panzer-Skorpionen ein Paradebeispiel.
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