Retro Hall of Fame: Crimson Skies - Kolossaler Knatterkisten-Kitsch

Der Propeller rotiert, die Geschütze sind geladen – auf in den Kampf gegen Jäger, Zeppeline und mechanische Krabbeltiere! Wir haben uns noch einmal hinter das Steuer geklemmt. Und zwar mit Vergnügen!

Retro Hall of Fame: Crimson Skies - Tollkühne Männer in ihren ballernden Kisten Video starten 4:26 Retro Hall of Fame: Crimson Skies - Tollkühne Männer in ihren ballernden Kisten

Wirklich eindeutig lassen sich die Worte Crimson Skies nicht ins Deutsche übertragen - und gerade deshalb sind sie der perfekte Titel für diesen modernen Xbox-Klassiker aus dem Jahr 2003. Übersetzt man das Ganze mit »Blutrote Himmel« steht es für Maschinengewehrsalven, Raketenfeuer und Explosionen, die im Sekundentakt aufflammen.

Entscheidet man sich stattdessen für »karmesinrote« oder »purpurrote Himmel«, dann zeigt das eher die Romantik, die in diesem Spiel steckt: Luftpiraten mit Robin-Hood-Attitüde erobern in ihren Propellerflugzeugen den Himmel, fliegen Loopings, bezirzen Frauen und legen nebenbei ein paar Schurken das Handwerk.

Crimson Skies: High Road to Revenge Crimson Skies: High Road to Revenge

Diese Mischung aus Action und Charme macht Crimson Skies so gut - zusammen mit dem ständigen Drang zur Übertreibung. Das fängt schon beim Setting an: Jordan Weisman und Dave McCoy, die das Crimson-Skies-Szenario erfanden, wollten knatternde Flugzeuge und gigantische Zeppeline, sodass sie sich für die 1930er-Jahre als Schauplatz entschieden.

Um dabei aber ihrer Kreativität freien Lauf lassen zu können, veränderten sie eigenhändig den Lauf der Geschichte. So sind die USA nach dem ersten Weltkrieg in viele souveräne Kleinstaaten zersplittert, die nationale Sicherheit ist nicht mehr vorhanden - ideale Bedingungen für rivalisierende Milizen und Verbrecherbanden, die sich in ihren Flugzeugen und Luftschiffen spektakuläre Schlachten liefern.

Dabei stets mittendrin ist der Anführer der »Fortune Hunters«, ein Luftpirat namens Nathan Zachary. Dieser Doppeldecker-Haudegen ist eine Hommage an draufgängerische Schauspieler von Errol Flynn, der in den 30er-Jahren Robin Hood spielte, bis Harrison »Han ›Indiana Jones‹ Solo« Ford.

Eigentlich will Zachary mit seiner Gang nur ein paar Reiche bestehlen, um seine Schulden zu bezahlen, gerät jedoch in ein gewaltiges Abenteuer, das uns damals 19 unvergessene Missionen beschert - und einen Ehrenplatz in unserer Hall of Fame verdient hat.

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Vom schnellen Job zum großen Abenteuer

Das Szenario von Crimson Skies ist explosiv, klischeehaft, kitschig - und das im besten Sinne. Zu allem Atmosphäre-Überfluss gibt es noch einen Open-World-Ansatz: Im Gegensatz zu damaligen Konkurrenten wie Star Wars: Rogue Squadron 2 (das wir trotzdem lieben) werden die Missionen nicht einfach aus einer Menü-Liste abgearbeitet.

Crimson Skies: High Road to Revenge Crimson Skies: High Road to Revenge

Stattdessen erkunden wir offene Schauplätze wie die Inselgruppe Sea Haven oder den Wüstenstaat Arixo und suchen nach Dollar-Symbolen, die für lukrative Aufträge stehen. Geht es zu Beginn noch gemütlich zur Sache, als wir ein Dutzend Benzintanks zerstören oder Checkpoint-Rennen gewinnen, hat uns das Spiel schon mit der ersten Luftschlacht über dem Pazifik endgültig gepackt.

Allein die Dogfights gegen andere Flugzeuge sind extrem intensiv, fordern genauso viel Geschick wie Taktik. Wer stets frontal ins Feindfeuer flattert, kann auch gleich per Schleudersitz aussteigen. Stattdessen beobachten wir auf dem Bildschirm und Radar die gegnerischen Flugbahnen, sausen seitlich oder von hinten heran und stutzen dem Abschaum mit dem Maschinengewehr oder einer gut platzierten Rakete die Flügel.

»Vorhalten« beim Schießen, also die Flugbahn und Flugzeit von Projektil und Gegner zu beachten, ist wegen der großen Entfernungen Pflicht - und genau dieses Prinzip zu meistern, macht verdammt viel Spaß. Viel leichter zu treffen sind die riesigen Zeppeline, einfacher sind diese Kämpfe aber nicht.

Entgegen der landläufigen Meinung explodieren die Luftschiffe trotz ihrer Gasfüllung nicht beim ersten Funken - zumal die fliegenden Festungen in Crimson Skies mit unzähligen Waffen bestückt sind. Also starten wir immer wieder Angriffe auf die Zeppeline, weichen Feindfeuer aus, visieren ihre Schwachstellen an und staunen schließlich über ein Feuerwerk nach dem finalen Treffer. Denn auch vom rein technischen Standpunkt aus ist Crimson Skies damals eine Wucht - vor allem wegen seiner Explosionseffekte.

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Über den Dächern Chicagos

Auf dem Weg zum großen Finale erleben wir jede Menge Abwechslung, zum Beispiel Missionen, in denen Heimlichkeit statt Dauerfeuer gefragt ist. So stehlen wir einen kleinen Heli namens »Flugschrauber«, der extrem wendig ist - und damit ideal für Diebstähle. So schweben wir in eine feindliche Basis, krallen uns wertvolle Fracht und bringen unsere Beute nach Hause.

Crimson Skies: High Road to Revenge Crimson Skies: High Road to Revenge

Sogar eine Flugshow müssen wir abziehen: Um einen Navajo-Häuptling zu beeindrucken, flitzen wir hinter seinem Flugzeug durch enge Canyons, drehen Loopings und schlüpfen durch schmale Spalten. Herrlich! Zumindest, wenn man die Streckenführung schon etwas kennt. Die ersten Versuche enden nämlich in den ewigen Jagdgründen.

Richtig episch wird es in Crimson Skies dann, na klar, bei den Bosskämpfen. So wartet schon in der vierten Mission eine denkwürdige Schlacht, die anderen Spielen als großes Finale auch gut zu Gesicht gestanden hätte. Wobei unser Kampf gegen ein Luftschiff mitten in einem Tropensturm zunächst vor allem wegen der Wettereffekte fasziniert.

Als der Zeppelin aber in Flammen aufgeht und sich aus seinen Überresten eine riesige Metallspinne herausschält, kracht unsere Kinnlade zu Boden. Nicht weniger faszinierend ist der mechanische Tausendfüßler, dessen meterdicken Panzer wir in einem Canyon knacken. Die finale Schlacht über Chicago nicht zu vergessen - das Spiel ist gespickt mit Highlights.

Schade nur, dass High Road to Revenge damals auch unser letzter Ausflug in die Welt von Crimson Skies ist. Denn wegen seines gewöhnungsbedürftigen Settings und halbherzigen Marketings erlebt der Titel keinen Höhenflug in Sachen Verkaufszahlen. Microsoft stellt die Reihe einfach ein. Wirtschaftlich verständlich, künstlerisch eine Katastrophe - warum lässt man so ein wunderbares Szenario nur verrotten?

Immerhin können wir das Xbox-Original jederzeit in unserer Konsole rotieren lassen, zumal es sich grafisch gut gehalten hat und immer noch bestens spielbar ist. Fast so, als wollte ein etwas gealterter, aber blendend aussehender Nathan Zachary sagen: »Verdammte Verkaufszahlen, Microsoft, ich rocke immer noch den Himmel.« Recht hätte er.

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