Spielen wir ein bisschen am Raum-Zeit-Kontinuum herum. Zu Beginn der 2000er-Jahre hat Capcom ein Spiel namens Red Dead Revolver in der Mache, das von den Angel Studios entwickelt wird. Die Ansätze eines spielbaren Westerns sind vielversprechend, doch die Qualität des fertigen Spiels lässt zu Wünschen übrig.
Am Ende liegt das bleihaltige Spiel auch wie Blei in den Regalen, und die Marke Red Dead verschwindet in der Versenkung. Was, wie wir heute wissen, nicht nur schade, sondern eine kleine Katastrophe für die Welt der Videospiele wäre. Doch es kommt bekanntlich anders. Es stimmt zwar, dass Capcom damals mit den Angel Studios an Red Dead Revolver arbeitet.
Im Jahr 2002 allerdings kauft Rockstar Games das bisher unabhängige Entwicklerstudio und tauft es in Rockstar San Diego um. Capcom hat weiterhin die Rechte an Red Dead Revolver, zieht sich 2003 jedoch aus dem Projekt zurück. Rockstar übernimmt nun komplett, baut das Spiel, das ursprünglich einen Fantasy-Einschlag samt Zombies haben sollte, merklich um - und landet am Ende einen Volltreffer.
Der digitale Western verkauft sich nämlich nicht nur sehr gut (allein eine Million mal in den USA), sondern ebnet auch weiteren Red-Dead-Titeln den Weg. Denn der ursprüngliche Titel für PS2 und Xbox zeigt, wie gut der Wilde Westen als Thema funktionieren kann.
Video: Hall of Fame - Red Dead Revolver: Der Beginn einer Western-Legende
Western-Hommage mit Rockstar-Anstrich
Die größte Stärke von Red Dead Revolver: Es ist praktisch ein spielbarer Italowestern, rau und dreckig inszeniert, voller Anspielungen auf berühmte Werke der 60er- und 70er-Jahre, mit einem Hauptcharakter, der dem jungen Clint Eastwood ähnlich sieht - und natürlich gespickt mit lizenzierten Soundtrack-Stücken bekannter (und weniger bekannter) Western.
Ganz nebenbei hat das Spiel den typischen Rockstar-Anstrich, mit witzigen Situationen, skurrilen Charakteren und großartigen (englischen) Dialogen. Gleich in den ersten Spielminuten zeigt sich das Wechselspiel aus Humor und Dramatik, genauer gesagt schon ab dem ersten Ladebildschirm: Während vor den späteren Missionen der erwachsene Red reichlich cool mit seinen Waffen hantiert, ist vor dem Prolog der junge Hauptdarsteller zu sehen, wie er mit Zeigefinger und Daumen einen Revolver formt und die Schussgeräusche imitiert.
Dann folgen die ersten Szenen, als Reds Vater mit (legal geschürftem) Gold im Gepäck auf den heimischen Hof zurückkehrt. Zunächst ist die Freude der Familie groß, dann aber taucht Colonel Daren auf. Der abtrünnige Soldat erschießt das Familienoberhaupt, um dessen berüchtigten Revolver für seinen Boss General Diego zu erbeuten.
Als der junge Hauptdarsteller vor dem Todesschützen um seinen Vater weint, wandelt er sich plötzlich vom Jugendlichen zum Revolverhelden, greift zum Colt und schießt Colonel Daren einen Arm ab. Bevor die Szene jedoch weiter eskaliert, fliehen die Angreifer, während Red sich versteckt - und auf Rache sinnt.
Der Autor
Unser freier Autor Benjamin Blum würde liebend gern Red Dead Redemption 2 spielen, hadert aber mit der Hauptrolle. Ob Banken überfallen oder Farmer ausnehmen, das virtuelle Verbrecherleben mag er schon seit GTA San Andreas nicht mehr. Red Dead Revolver bot da die perfekte Lösung: Dort versetzt uns Rockstar in einen beinharten Revolverhelden, der zwar von Rache getrieben wird, aber letztlich nur Schurken unter die Erde bringt. Benny hofft nun, dass er auch bei RDR2 letztlich nur Bösewichte ins Visier nehmen darf.
Ohne Dollar keinen Sarg
Nach dem dramatischen Einstieg wird Red zu einem waschechten Kopfgeldjäger, und wir durchleben mit ihm den Story-Modus. Im Gegensatz zu Red Dead Redemption wartet auf PS2 und Xbox keine offene Spielwelt, stattdessen gibt es einzelne Missionen in meist recht kleinen Levels. Ab und zu spüren wir jedoch einen Hauch von Open World, wenn der Held zu Musik aus "Die rechte und die linke Hand des Teufels" die Stadt Brimstone erkundet.
Dort kauft er neue Schießeisen beim Waffenhändler oder entdeckt im Saloon einen Drink, der als "Upgrade" die Zeit für den Deadeye-Modus verlängert - dazu gleich mehr. Erst werfen wir einen Blick auf das grundsätzliche Missions- und Spieldesign. Wir steuern Red aus der Verfolgerperspektive durch kleine Areale, gehen auf Knopfdruck in Deckung und schalten Gegner mit Revolver, Gewehr oder Schrotflinte aus, am besten per Kopfschuss. Die Steuerung ist generell, bei aller Liebe für dieses Spiel, durchaus hakelig.
Abhilfe schafft jedoch das Deadeye-Feature. Wir aktivieren auf Knopfdruck einen Zeitlupen-Modus, legen mit einem Fadenkreuz Ziele fest und drücken ab. Auch Duelle gibt es, die ähnlich ablaufen, nur etwas anspruchsvoller sind, weil das Fadenkreuz hier (in diesem Fall mit Absicht) ziemlich schwammig ist. Umso größer ist der Triumph, wenn man mit dem richtigen Gefühl und Timing präzise Treffer landet. Der Höhepunkt der Schießereien sind dann die Bosskämpfe.
Dabei hetzt uns Rockstar skurril-charmante Gegner auf den Hals. Zum Beispiel Bad Bessie, eine ehemalige Bordellwirtin, die mit der Peitsche auf Red losgeht. Oder der Totengräber Mr. Black, welcher mit einem Sarg durch die Lande zieht. Italowestern-Fans ahnen damals, was sich darin befindet - im Bosskampf zieht Black eine Minigun aus der Holzkiste hervor, genau wie Django bei seinem ersten Leinwandauftritt.
Emanzipation dank Flinte
Der Story-Modus bietet bis zum großen Finale durchaus Abwechslung, unter anderem durch neue spielbare Charaktere. So übernehmen wir zwischenzeitliche die Kontrolle von Nebenfiguren wie Annie Stoakes. Die Farmerin muss ihren Hof vor Verbrechern schützen, schnappt sich dafür eine mächtige Flinte und bietet ein bleihaltiges Beispiel für Emanzipation im von Männern dominierten Wilden Westen.
Nicht ganz zufällig erinnert Bonnie McFarlane aus Red Dead Redemption stark an Annie aus PS2- und Xbox-Zeiten. Insgesamt gibt es viele solcher Parallelen, ob spielerische wie das Deadeye-Feature oder eben erzählerische. Allzu eng möchte Rockstar den Nachfolger damals aber nicht an Red Dead Revolver anlehnen. Das zeigt schon der neue Titel Redemption, außerdem wird die Idee verworfen, die Geschichte von Red einfach weiter zu erzählen, sondern auf einen neuen Hauptdarsteller gesetzt. Vom viel umfangreicheren Gameplay in der offenen Spielwelt mal ganz abgesehen.
Insgesamt tun diese Änderungen der Reihe sehr gut, der zweite Teil wird bekanntlich ein Meisterwerk - das dennoch ohne das "kleine" Red Dead Revolver kaum möglich gewesen wäre. Und auch nicht ohne Capcom, denn die Japaner waren schließlich der eigentliche Urheber des Ganzen.
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