Es wurde schon viel darüber geredet, wie realistisch Red Dead Redemption 2 eigentlich ist, sein sollte oder gar sein darf. Für mich hat diese Diskussion keine wirkliche Rolle gespielt. Ja, die Steuerung ist etwas träge und ja, manchmal darf es bei den Animationen auch etwas schneller zugehen.
Meinen Spaß habe ich aber trotzdem - zumindest so lange, bis ich wieder gezwungen bin, mich mit dem Stamina-System auseinanderzusetzen.
Komplizierter als der Sheriff erlaubt
Ehrlich gesagt, hatte ich anfangs arge Probleme, das System überhaupt zu verstehen. Anstatt einfach jeweils einen Balken für Ausdauer und Lebenspunkte einzusetzen, konfrontiert mich Red Dead Redemption 2 insgesamt mit zehn unterschiedlichen Kerninformationen, die ich beobachten, konstant haushalten und aufleveln muss.
Red Dead Redemption 2
Ein legendärer Bär & der größte Trottel im Wilden Westen
Für die Gesundheit, die Ausdauer und die Dead Eye-Fähigkeit von Arthur gibt es jeweils einen Stamina-Kern und eine Stamina-Leiste. Der Kern bestimmt den Zustand der Leiste, also wie schnell sie sich regeneriert. Die Leiste selbst ist dann die tatsächliche Ressource.
Dasselbe gibt es dann auch noch für die Ausdauer und die Gesundheit der Pferde im Spiel. Wer immer in guter Verfassung sein möchte, muss Pausen einlegen und vor allem auch Nahrung sowie Verbrauchsgüter zu sich nehmen und sogar Wert auf Hygiene legen.
Rauchen hilft beim Dead Eye-Kern, schadet aber der Gesundheit. Essen hilft bei den Lebenspunkten, führt aber zu Übergewicht und schadet dann wieder der Ausdauer. Und wer sich nicht regelmäßig wäscht oder sein Pferd striegelt, lässt ebenfalls Ausdauerpunkte liegen. Und dann gibt es ja auch noch kalte Wetterbedingungen, die bei zu leichter Bekleidung an der Verfassung zehren.
Die Stamina-Mechanik von Red Dead Redemption 2 ist unnötig kompliziert, gibt mir ständig das Gefühl, in schlechter Verfassung zu sein und lenkt mich dann auch noch von all den Sachen ab, die ich viel lieber machen würde.
Micah im Lager beleidigen zum Beispiel.
In Kombination mit dem eher fummeligen Inventar, das mich mehrere Sekunden eine Taste gedrückt halten lässt, um kurz in eine Tasche zu schauen, entwickelt sich Arthur schnell zum nervigen Sim, den ich manchmal am liebsten in den Pool werfen würde - ohne Leiter natürlich.
Langeweile statt Wild West-Action
Immer wenn ich Red Dead Redemption 2 starte, möchte ich mir am liebsten sofort irgendeine Quest aussuchen und nebenbei ein bisschen Blödsinn anstellen. Eine Kutsche mit Hosea stehlen und zwischendurch Ladenbesitzer beschimpfen oder Passanten mit dem Lasso fesseln. So stelle ich mir das perfekte Cowboy-Leben vor.
Red Dead Redemption 2
Fans machen Jagd auf alles, was O'Driscoll heißt
Stattdessen muss ich aber darauf achten, dass Arthur genug und gleichzeitig auch nicht zu viel isst. Aktuell bin ich offenbar stark untergewichtig, obwohl ich doch ständig Kekse mampfe. Außerdem muss ich regelmäßig Essen kochen oder zumindest ausreichend Konserven einpacken. Helfen tut es trotzdem kaum.
Ständig blinkt es rot auf und Red Dead 2 signalisiert mir, dass ich jetzt kurz aufhören muss, Spaß zu haben.
Denn wirklich Spaß machen mir all diese Sachen nicht. Natürlich ist es ganz nett, mit Charles auf die Jagd zu gehen. Hin und wieder trete ich auch mal versehentlich auf ein Karnickel und stecke mir das Fleisch dann in die Hosentasche. Aber das möchte ich nicht konstant tun. Ich möchte nicht langweiliges Zeug plündern müssen, nur damit Arthur kein Seitenstechen bekommt.
Immer wenn ich mich ganz auf die Story und die Charaktere konzentrieren will, macht mir das Stamina-System einen Strich durch die Rechnung.
Zu wenig für echtes Survival, zu viel für einfachen Spaß
Es ist ja nicht einmal so, als wären solche Survival-Element per se ein Problem für mich. Wenn es in Red Dead Redemption 2 einzig und allein darum ginge, im Wilden Westen zu überleben und für die Bande zu sorgen, würde ich mich stundenlang hinsetzen und Büffel erwürgen, damit Lenny nachts nicht frieren muss. Aber es geht nicht um Leben und Tod. Es geht um halbwegs gute und eher schlechte Voraussetzungen für bestimmte Aktivitäten.
Und das reicht mir dann nicht. Entweder ganz oder gar nicht. So ein schwerfälliges Zwischending, wie es Rockstar Games in Red Dead Redemption 2 eingebaut hat, erfüllt für mich leider keinen eigenen Zweck. Es hindert mich einzig und allein daran, vollständig in die Welt einzutauchen. Anders als Kollegin Linda fühle ich mich Arthur tatsächlich etwas weniger nah, weil ich hier nicht das Gefühl habe, auf seine Bedürfnisse einzugehen, sondern einfach nur leere Balken auffüllen.
Mittlerweile bin ich dazu übergegangen, alle Stamina-Punkte komplett zu ignorieren. Arthur bekommt tagelang nichts zu Essen und dann acht Dosen mit dicken Bohnen auf einmal. Gewaschen wurde sich erst einmal und das reicht auch, finde ich. Das Pferd wird ohnehin außer Acht gelassen. Dann klaue ich mir eben ein neues, wenn das Alte nicht mehr laufen kann.
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