Am 25. August steht Psychonauts 2 an. Die Handlung des neuen Platformers von Double Fine schließt dabei unmittelbar an seinen Vorgänger an. Erneut übernehmen wir die Kontrolle über den jungen Razputin Aquato, kurz Raz. Er konnte endlich seinen Traum erfüllen, den Psychonauts beizutreten. Das ist eine Geheimorganisation, die in die verworrenen, surrealen Gedankenwelten verschiedener Menschen eintauchen muss, die Mental Worlds, um ihre mentalen Probleme zu lösen. Selbst die Köpfe anderer Psychonauts betreten sie.
Der Ursprung einzigartiger Welten
Ohne Menschen, deren Köpfe als Reiseziel herhalten, gäbe es natürlich keine mentalen Welten. Wie im ersten Teil stammen die Grundideen für diese Charaktere von Series Director Tim Schafer. "Jeder davon hat eine einzigartige Geschichte und eigene Ängste, bei denen Raz helfen muss", erklärt Lauren Scott, Senior System Designer für Double Fine.
Eine der Hauptaufgaben der Designer*innen von Psychonauts 2 war es, diese Charaktere und ihre Mental Worlds zu gestalten. Allerdings wollten sie besonders dafür sorgen, dass die Welten nachvollziehbar sind.
Empathie steht im Mittelpunkt: "Wir konzentrierten uns ganz drauf, wie es ist, in jemandes Verstand einzutauchen und zu sehen, wie einzigartig das Hirn jeder Person ist", meint Lisette Titre-Montgomery. Sie hat als Art Director an Psychonauts 2 gearbeitet.
So ist etwa das neue Level von Compton Boole entstanden, einer der Gründer der Psychonauts. Er hat Probleme mit Selbstzweifeln und leidet an starker Angst vor Verurteilung aus seinem direkten Umfeld. "Wir wollten sicherstellen, dass wir den Aspekt der Verurteilung widerspiegeln und eine Atmosphäre erzeugen, die Angst auslöst", beschreibt es Scott.
Deshalb hat sich Double Fine für eine Game Show in seinem Hirn entschieden, in der uns eine strenge Zeitvorgabe panisch zu Entscheidungen zwingt. Gleichzeitig be- und verurteilen uns drei Ziegen, gekleidet als Richter*innen, die konstant gemeine Dinge sagen.
"Dort musst du mit denselben Gefühlen, Problemen und Themen umgehen, die auch der Charakter fühlt, in dessen Kopf du bist. Unser Hauptziel war, all diese Themen in jeder Facette des Gameplays widerzuspiegeln", so Scott.
Psychonauts 2 möchte bewusst schräg aussehen
Dargestellt werden diese Welten in einem einzigartigen Grafikstil, der schon das erste Psychonauts auszeichnete. Weder Charaktere noch Level sind absolut symmetrisch, dafür aber seltsam, ein bisschen schräg, knallbunt und scheinbar beliebig zusammengewürfelt.
Für dieses Stilkonzept hat Double Fine einen eigenen Namen: Wonk. "Das stammt von 'wonky', also schief", erläutert Titre-Montgomery. "Genau diese Asymmetrie, die Unebenheit und augenscheinliche Beliebigkeit sorgen dafür, dass sich die Welten wie Traumlandschaften anfühlen. Deshalb wollten wir für Psychonauts 2 unbedingt zum Wonk-Konzept zurückkehren."
Schiefe Traumlandschaften, das kann erstmal verwirrend klingen. Gänzlich falsch wäre die Annahme nicht, da sich Psychonauts 2 auch abseits des Grafikstils kreativ austobt. So manövrieren wir uns in einem Abschnitt durch einen auf dem Kopf stehenden Bürokomplex und müssen im nächsten über Röntgenbilder und Hirne springen - in klassischer Sidescroller-Manier. Der Wechsel von der dritten in die zweite Dimension ist ein neues Feature.
Trotzdem werden wir in Psychonauts 2 wahrscheinlich nicht den Überblick verlieren. Die Entwickler*innen haben nämlich vorgesorgt: "In jeder Welt findet man eine einheitliche Designsprache, etwa für Dinge wie Schaukeln oder Trampoline", versichert Titre-Montgomery.
Da sich die einzelnen Welten stark voneinander unterscheiden, sollen solche deutlich gekennzeichneten Gegenstände eine Orientierungshilfe bieten. "In jedem Hirn sehen sie anders aus, aber sie haben immer einen Formfaktor, der dafür sorgt, dass du intuitiv weißt, wohin du gehen musst."
Auch die Gegner*innen harmonieren mit den Leveln
Wie fast alle Platformer bietet auch Psychonauts 2 reichlich Gegner*innen. Im Gegensatz zu anderen Genrevertretern sind sie jedoch mehr als nur laufende Hindernisse. Denn ihr Aussehen und ihre Fähigkeiten spiegeln die Sorgen und Probleme der Personen wider, in deren Hirne wir eintauchen.
Damit diese Verbindung von Gegner*innen, Charakteren und ihren Mental Worlds gelingt, fokussierte sich Double Fine auf konkrete mentale Phänomene und stellte sich, so Titre-Montgomery, die Frage: "Wie sieht eine klare, visuelle Repräsentation eines solchen Phänomens aus?"
Eine Antwort darauf ist etwa der Gegnertyp Reue. Das sind fliegende Insekten, die einen Amboss mit ausgestreckten Armen tragen. Als das Team darüber nachdachte, wie sich das Gefühl der Reue in einem Gegner manifestieren würde, fielen ihnen sofort Mücken ein. Dazu Titre-Montgomery: "Genau wie Reue sind Mücken kleine Dinge, die über deinem Kopf schwirren und dich nerven." Und auch die Inspiration für den Amboss war schnell gefunden. "Reue ist wie ein Gewicht, das über deinem Kopf schwebt. Manchmal fällt sie auf dich, verlangsamt dich und tut dir vielleicht weh."
So verfolgen selbst die Gegner*innen in Psychonauts 2 einen ähnlichen Designansatz wie die Mental Worlds: "Wir haben versucht, das Konzept aller Gegner*innen so prägnant und klar wie möglich zu halten", meint Scott.
Ein Elend trifft aufs nächste
Nachdem ein Konzept wie das von Reue ausgearbeitet ist, muss es das Combat Team in die Praxis umsetzen, also die Designer*innen und Entwickler*innen, die sich um Kämpfe und das Kampfsystem kümmern. Dabei standen zuerst einige Fragen im Raum: Welchen Zweck soll das Gewicht im Kampf erfüllen? Wie soll das Fliegen das Verhalten von Reue beeinflussen? Und wie harmoniert Reue am besten mit anderen Gegnertypen?
Gerade letztere Frage war zentral, da von ihr Abwechslung und Herausforderung gleichermaßen abhängen. "Wir wollten sicherstellen, dass Gegner*innen auf interessante Weise miteinander interagieren. So sollen ebenso interessante Kampfszenarien mit verschiedenen Herangehensweisen entstehen", erklärt Scott.
Das kann so aussehen: Im Eins-gegen-Eins-Duell mit Reue lernen wir schnell, wie wir mit dem fliegenden Ungeziefer und seinen fallenden Gewichten umgehen sollten. Komplexer wird es, sobald Psychonauts 2 Reue mit einem zweiten Gegnertypen auf uns loslässt, zum Beispiel Zweifel. Das sind Monster, die Schleimpfützen hinterlassen, die uns verlangsamen. "Denn auch im echten Leben verlangsamen uns Zweifel und fühlen sich irgendwie klebrig an", merkt Titre-Montgomery an.
Plötzlich müssen wir uns genau überlegen, wie wir am besten vorgehen oder ob wir zuerst Zweifel oder Reue eliminieren sollten. Zum Glück kann Raz, wie im Vorgänger, auf diverse Fähigkeiten zurückgreifen, die PSI-Powers. Sie erlauben ihm etwa zu schweben, womit er den Schleimpfützen ausweichen kann, oder lassen ihn telepathische Projektile abfeuern, die die störenden Insekten aus dem Himmel schießen.
Psychonauts 2 wurde automatisch merkwürdig
Bei all den sonderbaren Gegner*innen und verworrenen mentalen Welten liegt eine Vermutung nah. Nämlich dass Double Fine bewusst auf etablierte Designentscheidungen verzichtet hat, damit Psychonauts 2 so merkwürdig wie möglich wird.
Das musste das Team aber nicht. "Eher hat uns das Spiel gesagt, wenn etwas nicht gepasst hat", erinnert sich Scott. "Es gab Momente, in denen wir über bestimmte moderne Designelemente nachgedacht haben. Aber das war wie einen quadratischen Klotz in ein rundes Loch zu schieben - oder eher in ein 'wonky' Loch."
Es scheint also, als müssten sich Spieler*innen des Originals nicht um den Verlust seiner Identität sorgen. Eher hat sich die Psychonauts 2 diese Identität von selbst geschnappt und sich an ihr festgeklammert. Erneut erwartet uns ein Platformer mit surrealen Hirnwelten, um die jede Faser des Spiels sorgsam herumgebaut wurde. Und eine großzügige Portion Schrägheit.
Dieser Artikel ist Teil unserer Held*innen-Themenwoche, die noch bis zum 13. August 2021 läuft und euch täglich spannende neue Artikel rund um das Thema Videospiel-Charaktere präsentiert. Alle bislang erschienen Artikel findet ihr hier in unserer Übersicht.
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