Dieses PS4-Exclusive ist bis heute ein grafisches Meisterwerk und war seiner Zeit meilenweit voraus

Auf der PS4 sind einige grafische Meilensteine erschienen, dieser Horror-Shooter beeindruckt Chris aber bis heute.

Auch der Protagonist von The Order: 1886 wäre bei solch einer Grafik erstaunt gewesen. Auch der Protagonist von The Order: 1886 wäre bei solch einer Grafik erstaunt gewesen.

Es ist gerade einmal fünf Jahre her, dass ich mir meine allererste PlayStation gekauft habe. Jaaaaaa, ich war ein absoluter Spätzünder. Ein ehemaliger Arbeitskollege hat mir damals seine PS4 zum günstigen Preis angeboten, obendrauf gab es drei Spiele.

Da war das wendungsreiche Gruselspiel Until Dawn, der bildhübsche Arcade-Racer DriveClub und ein Shooter, der regelrecht meine Kinnlade ausgehebelt hat. Zu jeder einzelnen Spielsekunde. Die Rede ist vom düsteren, enorm filmisch inszenierten The Order: 1886.

Das ist mit einer dermaßen realistischen Grafik aufgefahren, dass ich tagelang kaum aus dem Schwärmen gekommen bin. Und dieses Gefühl hält bis heute an. Selbst viele aktuelle Spiele kommen nicht an solch einen Augenschmaus heran, dabei sind mittlerweile fast zehn Jahre seit dem Release vergangen!

Daher habe ich mir einmal angeschaut, wie das eigentlich möglich war. Und warum es wohl leider nie eine Fortführung geben wird…

Chris Werian
Chris Werian

Chris hatte nie viel mit PlayStation-Konsolen am Hut, stattdessen hat er viele Stunden seiner Kindheit und Jugend an der Xbox oder Nintendo-Systemen verbracht. Irgendwann musste er aber dann doch zur PS4 greifen, da ihn Exklusivspiele wie Bloodborne und Uncharted 4 gelockt haben. Den ersten echten und gleichermaßen nachhaltigsten Wow-Moment hatte er jedoch in The Order: 1886.

Das macht The Order: 1886 so gut

Vor kurzem habe ich mal wieder The Order: 1886 herausgekramt, da ich schauen wollte, wie einer der für mich größten Grafikmeilensteine der Videospielgeschichte eigentlich heutzutage auf mich wirkt.

Und schon das Setting hat mich direkt wieder gepackt: Ich schlüpfte in die Rolle des Tafelrundenritters Sir Galahad, der im Namen der britischen Majestät auf die Jagd nach Werwölfen geht und eine Rebellion niederschlagen soll.

Als Spielwelt dient ein viktorianisches London gegen Ende des 19. Jahrhunderts, das um zig Steam Punk- und Fantasy-Elemente erweitert wurde.

Über London schweben zahlreiche, riesige Zeppeline, die den Orden mit technischen Gadgets unterstützen und für Luftaufklärung sorgen. Und ja... das ist kein Screenshot aus einem vorberechneten Video, sondern ECHTZEIT! Über London schweben zahlreiche, riesige Zeppeline, die den Orden mit technischen Gadgets unterstützen und für Luftaufklärung sorgen. Und ja... das ist kein Screenshot aus einem vorberechneten Video, sondern ECHTZEIT!

Klingt an sich schon ziemlich cool und sieht in Bewegung besser aus, als ich mir es damals hätte erträumen können. Galahad blickt über die verrauchten Dächer der Stadt, entert einen Zeppelin, schleppt sich durch schummrige Gassen und duelliert sich mit blutrünstigen Lykanern.

Das Spiel ist als strikt linearer Third Person Shooter angelegt und mit zahllosen Zwischensequenzen vollgestopft, die in Echtzeit in der Spielgrafik gerendert werden.

Hier habe ich einen kurzen Zusammenschnitt meines letzten Durchgangs in hochskalierten 4K und 60 fps hochgeladen, damit ihr einen Eindruck vom Spiel erhaltet:

The Order: 1886 im Mini-Zusammenschnitt - so sieht der PS4-Grafikhammer in Bewegung aus Video starten 1:59 The Order: 1886 im Mini-Zusammenschnitt - so sieht der PS4-Grafikhammer in Bewegung aus

Die Erkenntnis hat für mich dann auch nicht lang auf sich warten lassen: Obwohl das Spiel schon viele Jahre auf dem Buckel hat, ist es bei auf ein paar (nach heutigen Standards) steife Gesichtsanimationen und unrealistisch gesetzte Reflexionen eigentlich kaum gealtert.

Die düstere Fantasy-Welt ist unheimlich schick schattiert und ausgeleuchtet, mit Details überfüllt und so cineastisch wie es nur irgendwie geht inszeniert.

Das macht die Grafik von The Order: 1886 so besonders und vor allem wegweisend

Wie das Spiel 2015 auf einer PS4 so gut aussehen konnte? Hexenwerk! Zumindest war das mein erster Gedanke. Aber natürlich steckt ein bisschen mehr dahinter, denn das zuständige Studio Ready At Dawn hat damals clever die Grafik auf die Linearität des Ballerspiels zugeschnitten.

So haben sie es damals gemacht:

  • die Beleuchtung und Schatten wurden vorberechnet und somit in jeder Szene perfekt gesetzt
  • es wurde extra eine Kantenglättung entworfen, die perfekt mit der ressourcenschonenden 800p-Auflösung im filmischen 21:9-Format harmoniert und Pixeltreppchen nahezu völlig eliminiert
  • zig Kamera-Effekte wurden genutzt, um den cineastischen Look abzurunden, etwa Tiefenschärfe oder Lense-Flares
  • dichte Partikelwände geben Lichtern ein Gefühl von Volumen

Das ist keine Szene aus der Unreal Engine 5, auch wenn man es denken könnte, sondern aus dem knapp zehn Jahre alten Spiel. Volumetriken (also angeleuchtete Nebel- und Rauchwände) geben dem Licht viel Raum, selbst auf große Distanz. Das ist keine Szene aus der Unreal Engine 5, auch wenn man es denken könnte, sondern aus dem knapp zehn Jahre alten Spiel. Volumetriken (also angeleuchtete Nebel- und Rauchwände) geben dem Licht viel Raum, selbst auf große Distanz.

  • Reflexionen sind gestochen scharf und wurden minutiös an die Kameraperspektive angepasst
  • Charaktere werfen Schatten auf die eigene Kleidung, daher wirken Kragen, Schlaufen und Auszeichnungen an Mänteln noch authentischer
  • The Order: 1886 bietet zahlreiche Physik-Effekte, ihr könnt Gläser, Krüge und Teller von Tischen ballern

Es gibt kaum dynamische Elemente im Spiel, aber eine Sache dann doch: Etliche Objekte, die effektreich zerschossen werden. Es gibt kaum dynamische Elemente im Spiel, aber eine Sache dann doch: Etliche Objekte, die effektreich zerschossen werden.

Das Herzstück von The Order: 1886 bildet jedoch eine damals sehr fortschrittliche Technik: Physically Based Material Rendering. Dabei handelt es sich ganz simpel ausgedrückt um aufwendig eingescannte Materialien wie Steine, Baumwolle oder Kupfer, die über 3D-Modelle gelegt werden und sich wie ihre echten Pendants verhalten, sobald Licht auf sie einwirkt.

Ein Stück Stoff verteilt Licht beispielsweise nur sehr diffus, während eine Stahlverzierung an einem Gewehr sehr stark reflektiert. Heutzutage ist diese Herangehensweise gang und gäbe, vor dem Release von The Order: 1886 gab es aber nicht einmal eine Handvoll Spiele, die die Technik genutzt haben.

In der Realität Viel Selbstbau, aber es zahlte sich aus: Ready At Dawn hat ein simples Kamera-Rig zusammengezimmert, um Materialien abzufotografieren und in die eigens entworfene Engine zu übertragen. (Bildquelle: Ready At Dawn / Siggraph 2015)

In der Engine So sehen verschiedene Stoff- und Ledermaterialien dann in der Engine aus. Mit ihnen können Objekte überzogen werden, ähnlich wie Texturen. (Bildquelle: Ready At Dawn / Siggraph 2015)

Im Spiel Während ihr zockt, könnt ihr euch neue Gegenstände genau anschauen. Dann ist auch richtig gut zu sehen, wie unterschiedlich Holz, Papier, Metall, Leder und viele weitere Materialien auf Lichteinfall reagieren.

Ready At Dawn hat sogar während der Entwicklung am Spiel transparent gemacht, wie sie die Technik umgesetzt haben und damit maßgeblich dazu beigetragen, dass realitätsgetreues Material-Rendering in den kommenden Jahren so schnell Anklang gefunden hat. Heutzutage ist das Verfahren in der Spiele-Entwicklung kaum noch wegzudenken.

Wollt ihr noch mehr dazu erfahren, dann findet ihr in diesem Video von Digital Foundry noch ein paar weitere Informationen dazu, wie The Order: 1886 auf technischer Ebene funktioniert:

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle findest du einen externen Inhalt von YouTube, der den Artikel ergänzt.
Du kannst ihn dir mit einem Klick anzeigen lassen und wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir Inhalte von YouTube angezeigt werden.

Personenbezogene Daten können an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.

Link zum YouTube-Inhalt

Der erste Teil einer Reihe, die nie eine werden sollte

Wenn ein Spiel technisch so großartig geworden ist, stellt sich zwangsläufig die Frage: Wieso haben wir nie wieder von The Order oder Ready At Dawn auf der PS4 oder PS5 gehört?

Die Antwort darauf ist leider ziemlich tragisch. The Order: 1886 hat sich für Sony als riesiger Flop herausgestellt – mit schlechten Verkaufszahlen und einem niedrigen Meta-Score von gerade einmal 63 (!) Punkten

Als Kritikpunkte wurden häufig die kurze Spielzeit von 6 bis 8 Stunden, das eher durchwachsene Shooter-Gameplay und die Verwendung von Quick Time-Passagen genannt. Außerdem war das lineare Third-Person-Genre zu dem Zeitpunkt eher unbeliebt und wurde als Rückschritt empfunden.

Ab und an geht es ordentlich zur Sache und auch viel zu Bruch. Ab und an geht es ordentlich zur Sache und auch viel zu Bruch.

Sony hat kurz darauf die Fortsetzungspläne für die Reihe beerdigt und nicht mehr weiter mit Ready At Dawn zusammengearbeitet. Auch wurde das Spiel nie wieder angefasst. Es gibt bis heute keinen 60 fps-Patch, HDR wird nicht unterstützt und auf 4K kann das Spiel ebenfalls nicht gebracht werden, dabei sind laut der Hackerin illusion Code-Zeilen im Spiel versteckt, die das ermöglichen würden.

Auch in PS Plus Extra oder Premium ist das Spiel nicht zu finden, genauso wenig wie im kürzlich veröffentlichten Astro Bot, obwohl es sich bei The Order: 1886 um ein PS4-Exclusive mit Sony als Publisher handelt.

Ein ziemlich unrühmliches Ende für einen grafischen Meilenstein, den ich euch aber noch heute wärmstens ans Herz legen kann, sofern ihr auf kurzweilige Action in einem tollen Szenario und mit genialer Optik steht.

Habt ihr von The Order: 1886 gehört oder es sogar schon gespielt? Wie habt ihr das Spiel in Erinnerung behalten? Oder kennt ihr es noch gar nicht und würdet jetzt einmal reinzocken wollen?

zu den Kommentaren (40)

Kommentare(40)
Kommentar-Regeln von GamePro
Bitte lies unsere Kommentar-Regeln, bevor Du einen Kommentar verfasst.

Nur angemeldete Benutzer können kommentieren und bewerten.