Es ist gerade einmal fünf Jahre her, dass ich mir meine allererste PlayStation gekauft habe. Jaaaaaa, ich war ein absoluter Spätzünder. Ein ehemaliger Arbeitskollege hat mir damals seine PS4 zum günstigen Preis angeboten, obendrauf gab es drei Spiele.
Da war das wendungsreiche Gruselspiel Until Dawn, der bildhübsche Arcade-Racer DriveClub und ein Shooter, der regelrecht meine Kinnlade ausgehebelt hat. Zu jeder einzelnen Spielsekunde. Die Rede ist vom düsteren, enorm filmisch inszenierten The Order: 1886.
Das ist mit einer dermaßen realistischen Grafik aufgefahren, dass ich tagelang kaum aus dem Schwärmen gekommen bin. Und dieses Gefühl hält bis heute an. Selbst viele aktuelle Spiele kommen nicht an solch einen Augenschmaus heran, dabei sind mittlerweile fast zehn Jahre seit dem Release vergangen!
Daher habe ich mir einmal angeschaut, wie das eigentlich möglich war. Und warum es wohl leider nie eine Fortführung geben wird…
Das macht The Order: 1886 so gut
Vor kurzem habe ich mal wieder The Order: 1886 herausgekramt, da ich schauen wollte, wie einer der für mich größten Grafikmeilensteine der Videospielgeschichte eigentlich heutzutage auf mich wirkt.
Und schon das Setting hat mich direkt wieder gepackt: Ich schlüpfte in die Rolle des Tafelrundenritters Sir Galahad, der im Namen der britischen Majestät auf die Jagd nach Werwölfen geht und eine Rebellion niederschlagen soll.
Als Spielwelt dient ein viktorianisches London gegen Ende des 19. Jahrhunderts, das um zig Steam Punk- und Fantasy-Elemente erweitert wurde.
Klingt an sich schon ziemlich cool und sieht in Bewegung besser aus, als ich mir es damals hätte erträumen können. Galahad blickt über die verrauchten Dächer der Stadt, entert einen Zeppelin, schleppt sich durch schummrige Gassen und duelliert sich mit blutrünstigen Lykanern.
Das Spiel ist als strikt linearer Third Person Shooter angelegt und mit zahllosen Zwischensequenzen vollgestopft, die in Echtzeit in der Spielgrafik gerendert werden.
Hier habe ich einen kurzen Zusammenschnitt meines letzten Durchgangs in hochskalierten 4K und 60 fps hochgeladen, damit ihr einen Eindruck vom Spiel erhaltet:
Die Erkenntnis hat für mich dann auch nicht lang auf sich warten lassen: Obwohl das Spiel schon viele Jahre auf dem Buckel hat, ist es bei auf ein paar (nach heutigen Standards) steife Gesichtsanimationen und unrealistisch gesetzte Reflexionen eigentlich kaum gealtert.
Die düstere Fantasy-Welt ist unheimlich schick schattiert und ausgeleuchtet, mit Details überfüllt und so cineastisch wie es nur irgendwie geht inszeniert.
Das macht die Grafik von The Order: 1886 so besonders und vor allem wegweisend
Wie das Spiel 2015 auf einer PS4 so gut aussehen konnte? Hexenwerk! Zumindest war das mein erster Gedanke. Aber natürlich steckt ein bisschen mehr dahinter, denn das zuständige Studio Ready At Dawn hat damals clever die Grafik auf die Linearität des Ballerspiels zugeschnitten.
So haben sie es damals gemacht:
- die Beleuchtung und Schatten wurden vorberechnet und somit in jeder Szene perfekt gesetzt
- es wurde extra eine Kantenglättung entworfen, die perfekt mit der ressourcenschonenden 800p-Auflösung im filmischen 21:9-Format harmoniert und Pixeltreppchen nahezu völlig eliminiert
- zig Kamera-Effekte wurden genutzt, um den cineastischen Look abzurunden, etwa Tiefenschärfe oder Lense-Flares
- dichte Partikelwände geben Lichtern ein Gefühl von Volumen
- Reflexionen sind gestochen scharf und wurden minutiös an die Kameraperspektive angepasst
- Charaktere werfen Schatten auf die eigene Kleidung, daher wirken Kragen, Schlaufen und Auszeichnungen an Mänteln noch authentischer
- The Order: 1886 bietet zahlreiche Physik-Effekte, ihr könnt Gläser, Krüge und Teller von Tischen ballern
Das Herzstück von The Order: 1886 bildet jedoch eine damals sehr fortschrittliche Technik: Physically Based Material Rendering. Dabei handelt es sich ganz simpel ausgedrückt um aufwendig eingescannte Materialien wie Steine, Baumwolle oder Kupfer, die über 3D-Modelle gelegt werden und sich wie ihre echten Pendants verhalten, sobald Licht auf sie einwirkt.
Ein Stück Stoff verteilt Licht beispielsweise nur sehr diffus, während eine Stahlverzierung an einem Gewehr sehr stark reflektiert. Heutzutage ist diese Herangehensweise gang und gäbe, vor dem Release von The Order: 1886 gab es aber nicht einmal eine Handvoll Spiele, die die Technik genutzt haben.
Ready At Dawn hat sogar während der Entwicklung am Spiel transparent gemacht, wie sie die Technik umgesetzt haben und damit maßgeblich dazu beigetragen, dass realitätsgetreues Material-Rendering in den kommenden Jahren so schnell Anklang gefunden hat. Heutzutage ist das Verfahren in der Spiele-Entwicklung kaum noch wegzudenken.
Wollt ihr noch mehr dazu erfahren, dann findet ihr in diesem Video von Digital Foundry noch ein paar weitere Informationen dazu, wie The Order: 1886 auf technischer Ebene funktioniert:
Link zum YouTube-Inhalt
Der erste Teil einer Reihe, die nie eine werden sollte
Wenn ein Spiel technisch so großartig geworden ist, stellt sich zwangsläufig die Frage: Wieso haben wir nie wieder von The Order oder Ready At Dawn auf der PS4 oder PS5 gehört?
Die Antwort darauf ist leider ziemlich tragisch. The Order: 1886 hat sich für Sony als riesiger Flop herausgestellt – mit schlechten Verkaufszahlen und einem niedrigen Meta-Score von gerade einmal 63 (!) Punkten
Als Kritikpunkte wurden häufig die kurze Spielzeit von 6 bis 8 Stunden, das eher durchwachsene Shooter-Gameplay und die Verwendung von Quick Time-Passagen genannt. Außerdem war das lineare Third-Person-Genre zu dem Zeitpunkt eher unbeliebt und wurde als Rückschritt empfunden.
Sony hat kurz darauf die Fortsetzungspläne für die Reihe beerdigt und nicht mehr weiter mit Ready At Dawn zusammengearbeitet. Auch wurde das Spiel nie wieder angefasst. Es gibt bis heute keinen 60 fps-Patch, HDR wird nicht unterstützt und auf 4K kann das Spiel ebenfalls nicht gebracht werden, dabei sind laut der Hackerin illusion Code-Zeilen im Spiel versteckt, die das ermöglichen würden.
Auch in PS Plus Extra oder Premium ist das Spiel nicht zu finden, genauso wenig wie im kürzlich veröffentlichten Astro Bot, obwohl es sich bei The Order: 1886 um ein PS4-Exclusive mit Sony als Publisher handelt.
Ein ziemlich unrühmliches Ende für einen grafischen Meilenstein, den ich euch aber noch heute wärmstens ans Herz legen kann, sofern ihr auf kurzweilige Action in einem tollen Szenario und mit genialer Optik steht.
Habt ihr von The Order: 1886 gehört oder es sogar schon gespielt? Wie habt ihr das Spiel in Erinnerung behalten? Oder kennt ihr es noch gar nicht und würdet jetzt einmal reinzocken wollen?
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