Seite 2: Prey im Test - Um die Ecke gespielt

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Hier, eine Bananenschale

Wir haben's ja schon gesagt: Prey ist im Kern eigentlich wie Bioshock. Das bedeutet nicht nur, dass wir dauernd Notizen und Mails lesen und Audiologs lauschen. Das bedeutet auch, dass wir den Kopf in jeden Mülleimer stecken sollten, es könnte ja eine nützliche Bananenschale darin liegen! Wir sollten jede Schublade öffnen, jeden Schrank durchsuchen, in fremder Leute Koffer und natürlich in den Taschen der Leichen und in den Schlabberüberbleibseln der Aliens wühlen. Wir sollten sogar Blumen pflücken! Nur so finden wir ausreichend Material, um auf dem Weg zum nächsten Abschnitt, zu den nächsten Schränken, Koffern, Leichen und natürlich zu den Missionszielen zu überleben.

Später können wir uns sogar Neuromods selbst bauen. Material dafür vorausgesetzt. Später können wir uns sogar Neuromods selbst bauen. Material dafür vorausgesetzt.

Mit dem gefundenen Kram geht's nämlich an einen der stationären Recycler, um etwa aus der Bananenschale organisches Material zu generieren, das wir im Anschluss an der Craftingstation (Fabrikator) etwa in die Herstellung eines Medikits investieren. Andere Materialien fließen in Reparaturkits für unseren Anzug (Rüstung) oder ins Brauen von Psi-Energie, die wir für unsere Alienkräfte benötigen. Dann wollen Schrotpatronen hergestellt werden, Pistolenmunition wächst in Prey auch nicht unbedingt auf den Bäumen, und selbst die wertvollen Neuromods können wir später selbst craften.

Prey - Launch-Trailer: Du bist die Waffe! Video starten 1:42 Prey - Launch-Trailer: Du bist die Waffe!

Das klingt alles super geschmeidig, ist in der Praxis aber vor allem hintenraus, wenn die Gegner größer und zahlreicher werden, ein harter Kampf. Denn Prey arbeitet hin und wieder mit spürbarem Mangel, um den Druck auf den Spieler zu erhöhen. Auch wenn uns die Bananenschalen förmlich hinterhergeworfen werden - von allem hat man über weite Strecken gefühlt zu wenig. Wer seine Neuromods hauptsächlich in Alienkräfte investiert, sieht sich bald dem Problem gegenüber, zu wenig Psi-Energie zu haben, um seine Talente allumfänglich und dauernd nutzen zu können. Wer die Schrotflinte zu seinem besten Freund erkoren hat, wird sich bald einen Cheat für unendliche Munition wünschen. Wer gerade noch stolzer Besitzer von fünf Medikits war und ein paarmal nacheinander unvorbereitet in größere Aliennester gestolpert ist, steht bald mit runtergelassenen Hosen auf Talos 1. Deswegen: Immer schön die Mülleimer durchsuchen! Wer sich zu Beginn einen anständigen Vorrat von Medi- und Rüstungsreparaturkits zugelegt hat, wird sich später leichter tun.

Immer schön beweglich bleiben

Prey zwingt uns förmlich zum Improvisieren, und nicht nur in Bezug auf die Gegner. Auch wie wir in abgeschlossene Räume gelangen oder auf eine höhere Etage, wenn der Lift mal wieder zickt, will erknobelt werden. Eine Lösung gibt es im Regelfall immer irgendwie, sei es auch nur die gute alte »Augen zu und durch«-Methode. Die Idee, auf dem Weg zu einem Hauptmissionsziel noch schnell eine Nebenaufgabe mitzunehmen, birgt insbesondere später im Spiel die Gefahr, kostbare Ausrüstungsgegenstände dabei einzubüßen. Darauf zu spekulieren, dass man während der besagten Nebenmission wieder viel neues Material einsammelt, um dem entstandenen Mangel auszugleichen, ist völlig richtig, man sieht sich aber vielleicht dem Problem gegenüber, dass gerade weit und breit kein Recycler und keine Craftingstation zu finden sind. Oder nerviger: Es gibt in der Nähe zwar einen Recycler für all den Müll im anfangs chronisch kleinen Inventar, aber die nächste Craftingstation befindet sich gefühlt auf dem Mond. Einem Jupitermond!

Einem Phantom kommt man am besten nur dann so nahe, wenn dickes Panzerglas dazwischen ist. Einem Phantom kommt man am besten nur dann so nahe, wenn dickes Panzerglas dazwischen ist.

Umso befriedigender ist es dann, wenn man trotz der Stolpersteine, die einem das Spiel in den Weg legt, dennoch triumphiert. Das Gefühl dabei lässt sich dann und wann ein bisschen mit dem vergleichen, was man in der Dark-Souls-Reihe nach einem Bosskampf empfindet. Der Trick bei Prey ist es, sich nicht auf eine bestimmte Vorgehensweise festzulegen, sondern Beweglichkeit (vor allem im Kopf) zuzulassen. Knallharte Shooter-Fans, die sich ihren Weg durch Talos 1 schießen wollen, kommen nicht wirklich weit.

Ein Beispiel: Recht spät im Spiel bekommen wir den Auftrag, zwei Alienknoten an der Hülle der Talos 1 zu scannen. Raus aus der nächsten Luftschleuse, mit den Schubdüsen unseres Anzugs zum Ziel. Die Knoten werden von diversen korrumpierten Servicerobotern und einem sogenannten Weber bewacht. Letzterer, ein großes waberndes Tentakelding, schickt fiese kleine, radioaktive Alienkugeln los, die bei Aufprall obendrein explodieren. Die Serviceroboter wird man beispielsweise los, indem man sie für bis zu 90 Sekunden per Psi-Kraft für sich einspannt. Doch wie an den Alienkugeln vorbeikommen? Das sind elend viele! Typhon-Lockmodule könnten eine Lösung sein. Die Module ziehen die Viecher für eine Weile an, währenddessen scannen wir die Knoten und verduften wieder. Natürlich kann man auch reinfliegen und alles umnieten, braucht dann aber Unmengen Medkits und vor allem Munition.

Die Frustmomente

Wer Prey mit der angemessenen Geduld und geistigen Beweglichkeit spielt, wird auf seine Kosten kommen und eine Menge Spaß haben. Allerdings dürften sich selbst tiefenentspannte Zen-Buddhisten über den einen oder anderen Moment im Spiel gehörig aufregen. Prey ist sich nämlich hin und wieder nicht zu schade, Spielerfrust durch schiere Unfairness zu erwecken. Zuerst unser Lieblingsbeispiel: Wir fahren mit dem Aufzug aus der Lobby rauf ins Arboretum, der grünen Lunge von Talos 1, wo sich die Quartiere befinden, wo Brüderchen Alex sein schickes Büro hat, wo man zwischen Bäumen und Pflanzen lustwandeln könnte, wenn die doofen Typhons nicht wären.

Einen Typhon per Lockmodul in eien Öllache lotsen und die dann anzünden. Geht prima. Einen Typhon per Lockmodul in eien Öllache lotsen und die dann anzünden. Geht prima.

Wir haben den Aufzug schon einige Male zuvor genommen, alles war cool, wir konnten uns für ein paar Sekunden entspannt zurücklehnen, was höchst selten in Prey vorkommt. Nur dieses Mal flackert das Licht, es geht aus, es geht an - und schwupps - steht ein Phantom-Typhon vor uns. Und wir - halbtot von den vorherigen Anstrengungen - sind eine Sekunde später ganztot. Sowas ist nicht spannungsfördernd, sowas ist nicht überraschend, sowas ist einfach nur nervig und unfair. Aber immerhin: Nun weiß es jeder, der diesen Artikel gelesen hat und ist entsprechend vorbereitet. Also auch immer vor dem Betreten des Aufzugs zur Sicherheit die Gesundheit boosten!

Zweites Beispiel: Wieder halbtot schleppen wir uns durch die Kühlkammer des Kraftwerks und erspähen einen abgesperrten Lagerraum, in den wir uns durch die Durchreiche reinmogeln, der durch Alienkräfte möglichen Verwandlung in einen kleinen Gegenstand sei Dank. Im Lagerraum ist es wahnsinnig finster, wir werden wieder zum Mensch, knipsen die Taschenlampe, an und sind plötzlich von mehreren der wieselflinken Mimics umzingelt. Ein Mimic ist keine echte Bedrohung, zwei gehen auch, aber gleich mehrere in einem kleinen Raum, in dem wir nur im Bereich eines kleinen Lichtkegels sehen können - das ist zu viel. Vor allem, wenn man bedenkt, dass Prey auf Aim-Assist verzichtet.

Mit einem ständig drohenden Mangel und der wachsenden Anzahl sowie Gefährlichkeit der Gegner kann man sich gut arrangieren, aber die schon ganz zu Beginn erwähnten Frustknubbel entstehen immer dann, wenn Prey zu derartigen Mittelchen greift, um den Spieler in seine Schranken zu weisen.

Die Technik

Anders als die Dishonored-Spiele setzt Prey auf die Cry-Engine, die Arkane aber nicht so richtig auszuschöpfen vermag. Das Spiel ist weit davon entfernt, hässlich zu sein, aber in Sachen Animation und Texturschärfe bleibt es hinter den aktuellen Möglichkeiten zurück. Hin und wieder laden selbst auf der PS4 Pro Texturen deutlich sichtbar nach, allerdings nicht so häufig, dass es negative Auswirkungen auf die Wertung hätte. Auch hätten wir uns weniger austauschbare Gänge und Büroräume und stattdessen mehr Hingucker gewünscht. Dabei ist nicht die Detailfülle das Problem, sondern vielmehr das generische Design, das obendrein hin und wieder der Orientierung im Weg steht.

Ein waschechtes Shuttle. Natürlich müssen wir da rein. Nur wie? Ein waschechtes Shuttle. Natürlich müssen wir da rein. Nur wie?

In Teilen aufgewogen wird das durch die optischen Highlights wie die schicke Lobby, das sattgrüne Arboretum und die Ausflüge in den Weltraum. Wenn man über der Talos 1 schwebt und seinen Schatten über die einzelnen Segmente ziehen sieht, ist das eine echte Show. Regelrecht euphorisch stimmte uns die anfängliche Flugsequenz in einem Hubschrauber. Arkane beweist hier ein ausgezeichnetes Händchen für Optik und akustische Untermalung, die gelungene elektronische Musik unterstreicht gekonnt die Aufbruchsstimmung des Moments. Auch später werden wir immer wieder von hübscher Ambient-Musik begleitet, die - sparsam eingesetzt - gekonnt Akzente setzt. Dem gegenüber steht die recht bald an den Nerven zerrende Kampfmusik, die hin und wieder auch nicht weiß, wann mal Feierabend zu sein hat. Unterm Strich ist Prey auf also der Präsentationsseite gelungen, aber mit Luft nach oben.

Gelungen, aber mit Luft nach oben - das fasst ziemlich gut zusammen, wie Prey am Ende von uns bewertet wird. Vieles ist sehr gut, aber es gibt auch Ecken und Kanten, die uns pieken und die förmlich schreien, dass aus Prey mit ein bisschen mehr Sorgfalt nicht nur ein sehr gutes, sondern ein fantastisches Spiel hätte werden können. Damit teilt sich Prey die Historie von Dishonored, das im ersten Anlauf schon sehr gut war, aber sein volles Potenzial nicht ausschöpfen konnte. Die Verkäufe werden entscheiden, ob Arkane mit einer Fortsetzung nachlegt, die mit ein bisschen mehr Feinschliff zu etwas ganz Großem reifen kann.

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