Obwohl mein erster Kontakt mit Pokémon 16 Jahre zurückliegt, erinnere ich mich noch heute an das Team, mit dem ich damals erstmalig die Top Vier besiegen konnte. Der Grund dafür ist recht simpel, denn ich habe niemals übermäßig viele verschiedenen Pokémon besessen. Der Sammeltrieb stellte sich bei mir nicht ein, stattdessen hielt ich die Augen nur nach besonderen Exemplaren offen, die ich entweder für interessant, cool oder nützlich hielt.
Das Ergebnis war ein eingespieltes Team aus sechs etablierten Taschenmonstern, denen meine ungeteilte Aufmerksamkeit galt. In den vielen Jahren darauf hat sich an dieser Spielweise nie etwas geändert. Es folgte Edition auf Edition und nie kam es mir in den Sinn, meine Reise anders zu gestalten.
Zum Test:Darum ist Pokémon Sonne & Mond herauragend
Die gleichförmige Spielerfahrung war zwar jedes Mal auf neue unterhaltsam, doch führte sie letztlich auch dazu, dass sich in meinem Spielverhalten eine gewisse Form der Lethargie einschlich. Das änderte sich erst mit Pokémon Sonne. Das Spiel war endlich mutig genug, das gesamte Spielgefühl zu verändern und mich aus meiner selbstverschuldeten Monotonie zu reißen - und das mit nur kleinen Veränderungen.
Ratlos an der Schwelle zu Route 1
Es ist keine neue Erkenntnis, dass große Franchises von Zeit zu Zeit mit ihren Traditionen brechen müssen, um weiterhin interessant zu bleiben. Doch Pokémon war von solchen Experimenten jahrelang nicht abhängig. Seit 20 Jahren war die größte Neuerung nur eine erweiterte Auswahl an kleinen Monsterchen oder die Einführung neuer Typen wie Dunkel oder Fee.
Folglich wusste jeder Spieler bereits vor der Auswahl des ersten Startbegleiters, was ihn erwarten würde: Acht Arenen und die Top Vier galt es zu überwinden. Zumindest für mich war es daher nie eine Option, etwas an meiner Spielweise zu ändern. Immerhin hatte ich schließlich sowohl Erfolg als auch Spaß mit meiner Taktik.
Als ich allerdings in Alola eintraf und zu verstehen begann, dass ich dieses Mal keine klassischen Arenen vor mir haben würde und nicht einmal wusste, ob es eine Pokémon-Liga gibt, stand ich ein wenig ratlos an der Schwelle zu Route 1.
Diese Unsicherheit veranlasste mich dazu, auf Nummer sicher zu gehen und ich fing damit an, ungewöhnlich viele verschiedene Pokémon zu fangen. Allerdings stellte ich recht schnell fest, dass sich die Inselprüfungen, zumindest in Sachen Kämpfen, nicht so sehr von klassischen Arenen unterschieden. Zu diesem Zeitpunkt hatte das Spiel aber bereits einige Features eingeführt, die meine Teamplanung trotz allem weiterhin experimentierfreudig ausfallen ließ.
Ein Herz für Tiere
Der Hauptgrund, weshalb ich in früheren Editionen keinen Wert darauflegte, alle Pokémon zu fangen, ist vielleicht ein wenig seltsam, hat für mich allerdings in gewisser Weise etwas mit Immersion zu tun. Für mich war es einfach unvorstellbar, wilde Tiere zu fangen und bis ans Ende aller Tage in einem Computer zu speichern. Einfach ein Ball nach ihnen zu werfen und danach nie wieder raus zu lassen, nur um sagen zu können: "Ich habe sie alle!".
Das erschien mir immer sehr egoistisch.
Hinzu kam, dass sich Pokémon für mich immer wie ein klassisches Rollenspiel anfühlte, nur dass ich meine "Partymitglieder" fange, anstatt mich mit ihnen zu unterhalten. Daher waren die Monster für mich ein Stück weit auch immer eigene Persönlichkeiten, die sich durch ihr Verhalten im Kampf definierten. Ergo musste ich sie auch im Kampf einsetzen, oder sie waren gesichtslos und uninteressant.
In Sonne halten mich diese Vorstellungen jedoch nicht mehr länger davon ab, mehrere verschiedene Pokémon zu fangen, auch wenn sie letztlich nicht lange in meiner Party verweilen. Hier wird mir nämlich dank des Pokémon-Resorts verdeutlicht, dass meine gelagerten Gefährten nicht als Einsen und Nullen auf einer Festplatte versauern müssen, sondern sich auf einer tropischen Insel austoben und sogar verschiedenen Aktivitäten nachgehen dürfen.
Außerdem definieren sie sich jetzt nicht mehr nur durch ihr Verhalten im Kampf, denn das Spiel erlaubt es mir, mich auch abseits mit ihnen auseinander zu setzen. Ich darf sie füttern, tätscheln und ein wenig ärgern und jedes Pokémon weist dabei unterschiedliche Eigenarten auf.
Mehr Persönlichkeit dank sozialer Interaktion
So erkenne ich mich mein Fukano nicht mehr ausschließlich daran, dass es mit Vorliebe risikoreiche Attacken einsetzt, die ihm selber schaden, sondern freue mich, dass es mir auch seine Pfote zum "High 5" reicht, während mein Traunfugil die Streicheleinheiten genießt, obwohl meine Hand doch sichtbar durch den Körper des Geist-Pokémon hindurchgleitet.
Zusätzlich verzichten Sonne und Mond erstmals auf VMs und lassen mich stattdessen auf besonderen Pokémon reiten. Zwar bedauere ich es ein wenig, nicht mehr auf meinem eigenen Flugmonster durch die Lüfte zu segeln, die Auswirkungen, die diese Entscheidung auf meine Spielweise hat, fühlt sich jedoch immens an.
Da ich mich früher nur auf einen kleinen Kader an Pokémon stützte, war ich kein großer Freund von VM-Sklaven. Stattdessen war es Teil der Herausforderung, die notwendigen VMs so zu verteilen, dass sie mein Team nicht schwächten. Leider führte das dazu, dass ich in jedem Spiel auf die gleichen Typen angewiesen war.
Ohne Wasser- und Flugpokémon waren Surfen und Fliegen unmöglich. In Sonne kann ich darauf verzichten und brauche nicht länger an einem Vogel festhalten, obwohl in der Reserve andere, aufregende Typen auf ihren Einsatz warten.
Game Freak ist mit Sonne und Mond etwas ganz Besonderes gelungen: Sie haben die Formel nur leicht verändert und damit meine gesamte Spielweise in eine neue Richtung gelenkt. Zwar musste ich 16 Jahre lang darauf warten, doch den Spaß, den ich bis heute mit diesem Spiel habe, war diese Wartezeit allemal wert.
Der Bruch mit den Traditionen hat dafür gesorgt, dass ich in einen Strudel aus neuen Features geriet, die mich davon abhielten, in mein altes Verhaltensmuster zurückzufallen. Höchstwahrscheinlich werde ich trotzdem nie die Ambition haben, einen vollständigen Pokédex vorzuweisen. Dafür kann ich mich aber in Zukunft hoffentlich eher daran erinnern, wie ich mit jeder Menge aufregender Gefährten eine gemeinsame Reise durchlebte, statt nur an sechs Namen, die sich für mich an die Spitze gekämpft haben.
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