Suda 51 aka Goichi Suda ist so etwas wie das japanische Enfant Terrible unter den Spieledesignern. Seine Werke suhlen sich genüsslich in Referenzen zu japanischer Popkultur, pfeifen auf Konventionen und überraschen im Minutentakt mit absurden Ideen. Der Hauptcharakter der No More Heroes-Reihe ist deshalb konsequent: Travis Touchdown ist ein Supernerd, der am Tag als Auftragskiller unterwegs ist und in der Nacht seine Sammlung an Anime-Merchandise pflegt.
Er ist sich völlig bewusst, dass er sich in einem Videospiel befindet, womit man durchaus einen Vergleich zu Deadpool ziehen kann. In dem zuvor veröffentlichten Spin-Off Travis Strikes Again verkam das Sammelsurium an Selbstreferenzen zum Selbstzweck, der das eigentliche Spiel zum drögen Beiwerk degradierte. No More Heroes 3 macht zum Glück wieder deutlich mehr Laune!
Ranglisten-Kämpfe mit Aliens
Doch worum geht es? Eigentlich hatte sich Travis bereits an die Spitze der Weltrangliste aller Assassinen gekämpft, aber eine neue Bedrohung zwingt ihn dazu, wieder zum selbstgebauten Laserkatana zu greifen: Aliens! Die haben sich nichts Geringeres als die Weltherrschaft vorgenommen - allerdings aus purer Langeweile. Deshalb würzen sie die Invasion mit einem Wettkampf, bei dem die aus den Vorgängern bekannte Koordinatorin Sylvia Christel gerade recht kommt. Sie sorgt dafür, dass Travis in ausgedehnten Bosskämpfen einem außerirdischen Bösewicht nach dem nächsten in den Arsch treten kann.
Abwechslungsreiche Bosse: Entschuldigt die Wortwahl, aber der (verbale) Schlagabtausch ist während der Bosskämpfe so vulgär wie blutig. Jeder Bosskampf überbietet sich an genial-absurden Einfällen, die euch zu abwechslungsreichen Strategien herausfordern. Einer der ersten Alien-Bosse arbeitet zum Beispiel mit Magneten. Travis muss dann durch Berührung von entsprechenden Bodenplatten in der Arena seine eigene Polarität verändern, um nicht in verheerende Wirbelangriffe gezogen zu werden. Jeder Bosskampf spielt sich anders und wartet mit einer verrückten Inszenierung auf. In einer anderen Szene crasht Travis zum Beispiel ein Popkonzert und liefert sich mit seiner Kontrahentin erst einmal ein Rap-Battle.
Abwechslungsreiches Gegnerdesign
Um in Bosskämpfen antreten zu können, benötigt Travis Geld für die Einschreibung zur nächsten Etappe im Turnier. Dazu nimmt er in einer offenen Welt Aufträge an, die aus einer Mischung von Minispielen und Kämpfen bestehen. Letztere machen den Großteil aus, was dem Spiel sehr zugute kommt. Travis tritt hier grundsätzlich in Arenen gegen eine Vielzahl unterschiedlichster, sehr kreativ gestalteter Gegner an - optisch, wie taktisch.
Charmant: Äußerlich sehen sie aus wie aus einem SciFi-Trashfilm der 60er-Jahre, was ihnen einen ganz eigenen Charme verleiht. Spielerisch kommt jeder Gegnertyp mit einem bestimmten Verhalten daher. Da gibt es zum Beispiel die Alien-Ninjas mit Motorradhelm, die sofort frontal angreifen und sehr flink sind. Ihr Gegenstück sind Scharfschützen-Aliens, die am Rand der Kampfhandlungen bleiben, aber mit einem gezielten, langsam aufladenden Schuss verheerenden Schaden verursachen können.
Einzeln sind die Aliens leicht zu besiegen. Erst in Gruppenkonstellationen wächst die Herausforderung, da alle Gegner gleichzeitig angreifen. Dann muss man taktieren und überlegen, wen man zuerst angeht oder wann man sich lieber zurückziehen sollte.
Wild, bunt und gut zu steuern
Die Kämpfe machen nicht nur wegen dem tollen Gegnerdesign Spaß, sondern auch weil sie sich intuitiv steuern. Veteranen der Serie dürfen sich freuen, dass die Bewegungssteuerung des Wii-Originals erfolgreich auf die Joy-Con übertragen wurde. Bei Todesstößen werden zum Beispiel große Pfeile eingeblendet, deren Richtung man nachahmt. Besonders witzig ist das bei Wrestling-Moves: Hier packt man sich einen Gegner und slamt ihn mit der passenden Joy-Con-Bewegung zu Boden! Ja, das ist so befriedigend wie es sich liest.
Vor allem, weil einen die Grafik dabei mit Blut- und Partikeleffekten nur so bombardiert. Wer keine Lust auf die Bewegungssteuerung hat, kann aber auch einfach den rechten Analogstick benutzen. Damit geht aber ein wenig der Witz beim Aufladen des Laserkatanas verloren: Dessen Batterieladung muss man während des Kampfes immer im Blick behalten, damit sie nicht im falschen Moment versagt. Aufgeladen wird sie mit einer, äh, sexuell ziemlich eindeutigen Schüttelgeste.
Ebenfalls toll: Travis hat viele Möglichkeiten während der Keilereien. Aus dem Spin-off Travis Strikes Again bringt er einen Handschuh mit, auf dem Sonderaktionen belegt sind. Damit kann er zum Beispiel einen Gravitationsstoß auslösen, der gefährliche Gegnergruppen zerstreut. Eine Art Overdrive-Modus darf natürlich auch nicht fehlen, bei dem sich Travis kurzzeitig in einen Mech verwandeln kann.
Zudem wird nach jedem besiegten Gegner ein Roulette eingeblendet, das zufällig Vorteile generieren kann. Im Glücksfall bekommt Travis auf diese Weise zum Beispiel kurzzeitig mehr Kraft. Nach ähnlichem Prinzip erscheint beim Scheitern ein Glücksrad, das nach jedem Bildschirmtod im gleichen Kampf immer etwas langsamer wird. Das nimmt bei oftmaligem Scheitern den Frust heraus, weil sich so zum Beispiel leichter ein Extraleben gewinnen lässt.
Träge Open World
Während die Kämpfe viel Freude bereiten, kann man das von der offenen Welt leider nicht behaupten. Sie ist in sechs Hauptgebiete unterteilt - zum Beispiel eine Wüste oder eine Stadt - die sehr leblos wirken. Dort sind an wahllos wirkenden Stellen Sammelgegenstände versteckt, die teilweise in Travis' Wohnung auftauchen.
Man kann sich zu Fuß oder mit einem (an Akira erinnerndes) Motorrad durch die Welt bewegen. Oder vielmehr ruckeln, denn die Switch hat immense Probleme, das weitläufige Areal darzustellen. Zu der niedrigen Framerate gesellen sich auch deftiges Kantenflimmern und einige Grafikfehler, sodass Erinnerungen an Deadly Premonition 2 wach werden. Man kann froh sein, dass es eine Schnellreisefunktion gibt.
Verrückter Zeitvertreib: Immerhin ganz witzig sind die optionalen Minispiele, bei denen sogar das Rasenmähen aus dem Original zurückkehrt. Travis wehrt darüber hinaus zum Beispiel Riesenalligatoren per Kanone von einem Strand ab oder rempelt Gangsterkarren von der Autobahn, was sehr an die Burnout-Rennspiele erinnert. Nicht jedes Minispiel ist ein Hit, aber die meisten sind amüsant. Den Lohn (in Form von unterschiedlichen Währungen) kann Travis sowohl in die nächsten Wettkämpfe investieren als auch in Upgrades seiner Stats oder Perks.
Letztere liefern kleine Vorteile, wie etwa kurzzeitig mehr Kraft in bestimmten Kampfsituationen. Auch wenn die Errungenschaften in der offenen Welt letztendlich dazu dienen, die Kämpfe noch cooler zu machen, kann man den Gedanken nicht abschütteln, dass sie das Spiel in gestraffter Form noch besser gemacht hätte.
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