Die Unreal Engine 5 wurde jahrelang als DIE dominierende Grafiktechnik der PS5- und Xbox Series-Generation erwartet. Genau wie damals die Unreal Engine 3 bei der PS3 und Xbox 360, beziehungsweise die UE4 zu Zeiten der PS4 und Xbox One.
So richtig kommt die neueste Version aber nicht aus dem Knick, da sie mit ihren komplexen Systemen für Beleuchtung, Datenspeicherung und Levelaufbau nur schwer zu bändigen ist.
Zumeist wird deshalb nur ein kleiner Teil der umfangreichen UE5-Feature-Palette eingesetzt und dann leiden die Spiele auch noch unter häufigen Rucklern oder niedrigen Auflösungen.
Bestes Beispiel: Lords of the Fallen mit seiner Wackel-Framerate.
Mit Senua's Saga: Hellblade 2 ist jetzt aber endlich das erste UE5-Spiel erschienen, das mich von vorn bis hinten beeindrucken konnte. Es kommt mit grandiosen Lichtstimmungen in hyper-detaillierten Umgebungen daher, die auch noch perfekt schattiert sind. Und technische Probleme gibt es auch nicht – so muss das sein!
Im Launch-Trailer kommt die Grafikwucht perfekt rüber:
Allerdings wirkt der Titel für mich auch ein wenig wie eine verfrühte Zeitreise in die Zukunft, denn irgendwie habe ich nicht das Gefühl, dass ich dieses Grafikniveau schon auf der Xbox Series X erleben sollte.
Das wird vor allem an drei offensichtlichen Einschränkungen deutlich, die Hellblade 2 aktuell noch zurückhalten, aber gleichzeitig einen Ausblick auf die Next Gen geben:
Aspekt Nummer 1 – der Detailgrad ist unglaublich hoch, wir erleben ihn aber nur auf Distanz
Ihr wurdet wahrscheinlich schon üüübeeeeeerall mit den tollen Landschaftsbildern aus Hellblade 2 überschwemmt, trotzdem noch einmal ein kurzer Reminder – ja, die Spielwelt von Senua's Saga ist bildhübsch:
Dass sie so gut aussieht, hat auch direkt mehrere Gründe und am auffälligsten sind wohl die ganzen Mikrodetails in der zerklüfteten, steinigen Welt Midgards.
Erzeugt werden sie mit der Nanite-Technik der Unreal Engine 5, sie verleiht eigentlich flachen und groben Texturen eine enorme Tiefe und Detailvielfalt.
Um das zu ermöglichen, agiert die Unreal Engine 5 ziemlich clever und täuscht – je nach Kameraperspektive – einen eigentlich viel höheren Detailgrad als die Assets des Spiels hergeben.
In diesem Beispiel ist die Methode gut zu erkennen, nur ein kleiner Teil der Felsen wird komplett ausmodelliert, eher wenige werden höher aufgelöst dargestellt:
Bei Hellblade 2 fallen die Einschnitte kaum auf, da das Spiel wie auf Schienen abläuft und ihr euch nicht den sparsamer ausmodellierten Umgebungsobjekten nähern könnt. In einer frei begehbaren Spielwelt müsste sich die höchste Qualität jedoch auf ein viel größeres Areal übertragen und dafür braucht es viel mehr Power in Form einer höheren Speicherbandbreite oder mehr RAM.
Und da sind wir dann eben bei einer neuen Konsolengeneration und beispielsweise den zukünftigen Witcher-Teilen, die statt der hauseigenen RED-Engine auf UE5 setzen:
Aspekt Nummer 2 – geniale Licht- und Schattenberechnungen, aber auch massive Schwächen in anderen Bereichen
Licht und vor allem Schatten präzise zu rendern, ist in Videospielen eine enorm aufwendige Aufgabe. Viele Titel gehen daher Kompromisse ein, die etwa in komplett gleichmäßig ausgeleuchtete und schattierte Spielabschnitte.
Und wagen sie dann einmal ein wenig mehr in dieser Richtung, wie beispielsweise der letztjährige Grafik-Hit Alan Wake 2 mit seinen durchweg dunklen, nebenverhangenen Arealen, dann rasselt im Umkehrschluss die Auflösung und somit auch die Bildschärfe in den Keller.
Hellblade 2 bekommt das trotz seiner noch umfangreicher schattierten Innen- und Außenareale ein ganzes Stückchen besser hin und ist dabei sogar performanter.
Die virtuellen Shadow Maps der Unreal Engine 5 zeigen sich von ihrer besten Seite, sie wählen je nach Distanz und Blickwinkel die jeweils passendste Schattenvariante aus.
Dadurch können Schatten für nahezu jedes Bildobjekt erzeugt werden und unschöne Übergänge zwischen verschiedenen Detailgraden fallen quasi auch vollständig weg.
Hinzu kommt ein cleverer Einsatz von Licht, beispielsweise in Form der volumetrischen Beleuchtung: In nahezu jedem Bereich von Hellblade 2 strahlt das Sonnenlicht durch dichte Nebelwolken und wirkt dadurch räumlicher.
Im Zusammenspiel mit der Lumen-Technologie, die die indirekte Ausbreitung von Licht steuert, entstehen starke Kontraste sowie viel Varianz für unser Auge.
Insbesondere Lumen sticht als Abwandlung von Ray Tracing heraus, da es die komplexe und enorm leistungshungrige Lichtstrahlensimulation mithilfe einiger ressourcenschonender Tricks auf die Current Gen-Konsolen bringt.
Bei der Beleuchtung sieht das auch alles sehr gut aus, allerdings fällt die geringe Genauigkeit in einigen Bereichen ein bisschen mehr ins Auge. So sind die wenigen Reflexionen in Hellblade 2 zum Beispiel nur grob aufgelöst:
Zudem sind die wenigsten Lichter dynamisch angelegt und wenn sie es dann doch sind – wie zum Beispiel bei den tragbaren Fackeln – fällt die Auflösung der daraus generierten Schatten ungemein niedrig aus.
An einigen Stellen kommt es sogar zu seltsamen Geistererscheinungen, da die dynamischen Lichteffekte aus Bildinformationen vorheriger Frames gespeist werden:
Rechne ich das eher zähe und reflexionsarme Wasser sowie die niedrige Auflösung und Animationsrate von Feuereffekten hinzu, dann wird recht offensichtlich, wo die kommende Konsolen-Generation punkten dürfte:
Keine größeren Abstriche mehr bei der Unreal Engine 5 zu machen, sondern die tolle indirekte Beleuchtung mit weiteren genialen Effekten zu kombinieren.
Aspekt Nummer 3 – Hellblade 2 trickst auch abseits des Detailgrades auf der Xbox Series X
Von Anfang an am prägnantesten an der Präsentation von Hellblade 2 dürften die schwarzen Balken oben und unten am TV-Bildschirm sein.
Das Spiel läuft permanent in einem ultra-breiten 21:9-Format und spart damit grundsätzlich schon einmal knapp ein Drittel der Rechenlast einer vollen 2160p-Ausgabe ein.
Hinzu kommt, dass die Auflösung dynamisch anhand des Render-Aufwandes reguliert wird. In den meisten Fällen haben wir beispielsweise statt der theoretisch möglichen Auflösung von 3840 x 1440 eine Auflösung von 2240 x 960 gezählt.
Damit liegt der Titel im Hinblick auf die gerenderte Pixelmenge eher auf der Höhe von Full-HD-Fernsehern. Die 21:9-Ratio kann die niedrigere Auflösung jedoch ganz gut kaschieren, wirklich unscharf sieht Hellblade 2 nämlich so gut wie nie aus.
Interessantes Detail im Foto-Modus:
Wechselt ihr in den Foto-Modus, kann Hellblade 2 auch auf 16:9 umgeschaltet werden und läuft dort dann sogar ruckelfrei. Allerdings werden keine Animationen mehr berechnet und der Bildausschnitt an den Seiten abgeschnitten, sprich: Es werden weniger Assets und auch Effekte geladen beziehungsweise gerendert.
Ohne die Einschränkungen wäre das 16:9-Format wohl eher nicht umsetzbar, aber vielleicht überrascht uns ja Ninja Theory mit einem kommenden Patch.
Wobei dann ein dickes Fragezeichen hinter der Auflösung stünde...
Neben der Auflösung muss ich zudem noch die feste (und immerhin größtenteils stabile) 30 fps-Framerate ansprechen.
Die ist beim Genre des Spiels gar nicht weiter schlimm, übertragen auf viel hektischere Action-Spiele oder Shooter in 60 fps müsste bei gleicher Grafikqualität und voller 16:9-Ratio jedoch eine deutlich leistungsfähigere Plattform her – und auch hier sind wir dann wieder eher bei der nächsten Generation als bei PS5 und Xbox Series.
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