"Das Vermächtnis lebt" lautet der Werbespruch, mit dem Neo Geo-Rechteinhaber und Spielehersteller SNK für sein jüngstes Produkt wirbt. Doch diesem Vermächtnis - so viel sei schon eingangs gesagt - wird das Neo Geo Mini kaum gerecht.
Außer vielleicht beim Preis: Mit einer Empfehlung von 150 Euro ist das Gerät die bislang teuerste Klein-Konsole und tritt damit in die Fußstapfen der luxuriösen Vorlage, die Anfang der 1990er-Jahre auf den Markt und zeitlebens nicht aus ihrer Nische kam. Gaming-Gourmets mussten nämlich irrwitzige 1.100 Mark für das Neo Geo hinlegen, die einzelnen Titel kosteten bis zu 500, manchmal sogar 800 Mark.
Ein Grund dafür war der gewaltige (und hohe Materialkosten verursachende) Speicherbedarf der riesigen Module, auf denen SNKs Arcade-Werke eins zu eins ins Wohnzimmer kamen. 40 dieser Spiele stecken nun im Neo Geo Mini, und sie bilden mit jeder Menge Kampf- und Prügeltiteln, reichlich Run'n'Gun-Action sowie einigen Shoot'Em-Ups, Sport- und Plattformspielen das interaktive Erbe von SNK gelungen ab.
In puncto Ausstattung und Qualität der Komponenten verabschiedet sich das Neo Geo Mini allerdings auf Anhieb von seinen edlen Wurzeln.
Neo Geo X
Das Mini ist nicht die erste offizielle Neo-Geo-Emu-Hardware: Ende 2012 veröffentlichte das US-Unternehmen Tommo das von SNK lizenzierte Neo Geo X – ein gediegen aussehendes Handheld, auf dem 20 eingebaute Arcade-Klassiker gespielt werden konnten.
16 weitere Titel erschienen auf Speicherkarte. Obwohl das Handheld auch einzeln verkauft werden sollte, erschien es ausschließlich in einem Gold-Paket, das eine Docking-Station in Gestalt eines Neo Geo-Nachbaus sowie einen klassischen Arcade-Stick mitlieferte.
Die mittelprächtige Qualität des Neo Geo X sorgte nicht nur für bescheidene Verkäufe, sondern auch für Differenzen zwischen Tommo und SNK. Heute ist das offiziell nicht mehr lieferbare Gerät ein nettes Sammelobjekt für eingeschworene Neo Geo-Fans.
Kostenoptimierter Klassiker
Im Neo Geo Mini werkelt ein chinesischer Actions ATM7013-Prozessor, der für gewöhnlich in billigen Android-Tablets seinen Dienst verrichtet, zu ihm gesellen sich 1 GB RAM und 2 GB Flash-Speicher. Statt allerdings die schicke, flache Neo Geo-Heimkonsole zu miniaturisieren, steckt SNK die Technik in ein formschönes Mini-Automatengehäuse aus Plastik.
Mit knapp 400 Gramm ist das Gerät nicht besonders schwer, macht aber einen stabilen Eindruck und erweist sich auch bei hektischem Spielgeschehen als erstaunlich rutschfest. Der ordentliche LCD-Bildschirm besitzt eine Diagonale von 3,5 Zoll (8,89 cm) und gibt die Action in klassisch-korrektem 4:3-Format wieder, das Bild ist scharf, die Farben leuchten.
Mini-Spiele-Highlights
Samurai Shodown II (1994)
Bereits das erste Samurai Shodown begeistert Spielhallenkämpfer in aller Welt. Mit seinen 15 ausgetüftelten Charakteren, wunderschönen Sprites und Hintergrundgrafiken, flüssigen Animationen und ausgefeilter Steuerung legt Teil 2 aber nochmal eine gute Schippe drauf und erkämpft sich eine Spitzenposition in Gamer-Herzen und Zeitlose-Klassiker-Listen.
Garou: Mark of the Wolves (1999)
Der achte Teil von SNKs Beat'em-Up-Dauerbrenner Fatal Fury erscheint spät im Leben des Neo Geo, wird auch auf Dreamcast und PS2 umgesetzt und von Prügelprofis als einer der besten 2D-Vertreter des Genres gepriesen. Und wirklich: Der Titel besticht mit einer vielfältigen Auswahl an Stages, mehr als einem Dutzend denkwürdiger Kämpfer und prächtiger Grafik.
Metal Slug (1996)
Das seitliche scrollende Lauf- und Ballerspiel ist einer der Vorzeigetitel des Neo Geo und steht am Beginn einer ganzen Reihe von Nachfolgern, Umsetzungen und Spin-Offs (satte sechs Episoden stecken im Neo Geo Mini). Die humorvollen Animationen, das furiose Geballer, die abwechslungsreichen Hintergründe und zahllosen Gegner bringen heute so viel Spaß wie vor 20 Jahren.
Blazing Star (1998)
Der Nachfolger von Pulstar ist nicht ganz so herausfordernd wie der legendäre, drei Jahre zuvor erschienene Sidescroller, bietet aber ein motivierendes Power-Up-System, aufregend-intensive Gegnerwellen und riesige Bossgegner, die mit massiver Feuerkraft in die Knie gezwungen werden. Die detail- und effektreiche Optik macht gelegentliche Bildrateneinbrüche verzeihlich.
Schwach dagegen die Steuerelemente: Der Stick lässt sich viel zu schwammig und ohne Widerstand in alle Richtungen bewegen und verhindert damit die präzise Handarbeit, die von klassischen Neo Geo-Spielen gefordert wird. Die vier Action-Buttons gehen bei Druckpunkt und Geräusch in Ordnung, insgesamt sind alle Elemente aber auf zu kleinem Raum zusammengepfercht, was die Bedienung krampfig macht. Wer kein Interesse an schmerzenden Handgelenken hat, sollte sich auf jeden Fall ein Neo Geo Mini Pad holen, das allerdings mit knapp 40 Euro zu Buche schlägt.
Apropos Folgekosten: Neben ein paar Aufklebern und der Anleitung liegt dem Automaten nur ein (wenigstens mit eingeprägtem Neo Geo-Symbol versehenes) USB-Kabel bei. Während ein zugehöriges Netzteil im technikaffinen Haushalt zu finden sein dürfte, werden die meisten Nutzer investieren müssen, um die Konsole an Fernseher oder Monitor zu betreiben.
Statt einer normalen befindet sich an der Rückseite des Automaten nämlich eine Mini-HDMI-Buchse, und das entsprechende Kabel oder ein Adapter gehören nicht zur Gamer-Grundausstattung. Das schmucklose Menü (das nicht viel mehr Funktionalität als vier Speicherstellen je Titel bietet) kommt knackig auf den großen Bildschirm, die Spieleoptik wird dagegen unsauber hochskaliert und ist unscharf.
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