Like a Dragon: Infinite Wealth ist der direkte Nachfolger von Yakuza: Like a Dragon und das Open World-RPG steht den Ambitionen des Vorgängers in nichts nach. Das rundenbasierte Kampfsystem kehrt (sogar verbessert) ebenso zurück wie der neue Protagonist Ichiban Kasuga.
Mit Hawaii gibt es zudem erstmals ein Setting außerhalb Japans und so viel Nebenaktivitäten und Umfang wie nie zuvor. Infinite Wealth schafft es dabei in seinen 100 Stunden Spielzeit hervorragend, alte als auch neue Fans abzuholen und einen runden Abschluss für viele der kleinen und großen Geschichten sowie Charaktere zu finden.
Sprung ins (zu) kalte Wasser
Bevor es allerdings auf die Tropeninsel geht, spielen wir zunächst einen mehrstündigen Prolog, der uns erklärt, wie es Ichiban und seinen Freunden seit den Ereignissen aus dem Vorgänger ergangen ist. Der Einstieg in Infinite Wealth spielt sich etwas langatmig und könnte Neueinsteiger überfahren. Wenn ihr nicht wisst, wer Nanba, Adachi oder Seako sind, wirkt der Auftakt nämlich ziemlich verwirrend.
Nach einigem Hin und Her landet Ichiban dann aber endlich auf Hawaii, wo angeblich seine leibliche (und totgeglaubte) Mutter, Akane-San, auf ihn warten soll. Es stellt sich aber schnell heraus, dass Akane-San verschwunden ist und offenbar die halbe Unterwelt von Honolulu auf der Suche nach ihr ist.
Ohne Reisepass – und kurzfristig auch ohne Klamotten – findet sich Ichiban allein und umgeben von Feinden sowie Mafiabanden wieder. Spätestens hier sind dann auch Serien-Neulinge an Bord und können Hawaii und neue Charaktere wie Tomizawa oder Chitose zusammen mit Ichiban kennenlernen.
Durch Zufall trifft Ichiban zudem auf den langjährigen Serienhelden Kazuma Kiryu, der ebenfalls wegen Akane-San auf Hawaii ist. Quasi nebenbei erfahren wir später, dass der "Drache von Dojima" an Krebs erkrankt ist und nur noch wenige Monate zu leben hat.
In der Folge entwickelt sich ein hawaiianisches Gangster-Epos mit emotionalen Momenten, spannenden Charakteren, Freunden, die zu Feinden werden und Feinden, die notgedrungen Zweckallianzen eingehen. Die Story schreckt dabei nicht vor großen Emotionen zurück, lustige Momente lockern die Geschichte aber immer wieder auf.
Was lange währt, wird endlich gut
Die Entwickler*innen von Ryu Ga Gotoku Studio lassen sich gerne Zeit, um Geschichten ordentlich einzuführen und den Charakteren ausreichend Raum zu geben. Bei Infinite Wealth übertreiben sie es für unseren Geschmack aber fast schon ein bisschen. Ihr freut euch auf Hawaii? Da kommt ihr erst nach 6-7 Stunden Spielzeit hin. Ihr wollt die RPG-Mechaniken voll ausnutzen oder interessiert euch für den umfangreichen Animal Crossing-Verschnitt Dondoko Island? Bis dahin vergehen gerne bis zu 20 (!) Stunden.
Das soll natürlich keine Kritik am massiven Umfang des Spiels sein. Nur ist das Pacing zu Beginn des Spiels ein wenig langatmig. Wie im Vorgänger lauschen wir langen Dialogen, die durchweg gut geschrieben und erstklassig vertont sind, dürfen aber immer nur kurz selbst eingreifen. Hier gilt es, geduldig zu bleiben und sich auf die Geschichte einzulassen. Das Warten lohnt sich nämlich ungemein! Nach den ersten 8-10 Stunden Spielzeit öffnet sich Infinite Wealth nämlich spürbar und auch die Handlung nimmt ordentlich an Fahrt auf.
Der Yakuza-Stab wird weitergereicht
Eine ganz große Stärke von Infinite Wealth ist der Mix aus Alt und Neu. Ichiban und Kiryu verbringen viel Zeit miteinander und lernen sich kennen und respektieren. Ichiban ist dabei zwar klar die Hauptfigur, dennoch hebt sich auch Kiryu von den anderen, ebenfalls sehr gut geschriebenen und vielschichtigen, Nebenfiguren ab. Hier schaffen es die Entwickler*innen wirklich meisterhaft, sowohl alte als auch neue Fans gleichermaßen anzusprechen.
Es gibt emotionale Wiedersehen mit alten Weggefährten und trotzdem leistet jeder Blick zurück auch einen wichtigen Beitrag zur Handlung im Hier und Jetzt. Auch der sympathische Ichiban darf mehr als nur einmal sein großes Herz beweisen und zeigt eindrucksvoll, dass er die großen Fußstapfen von Kiryu ausfüllen kann und die richtige Wahl als neue Hauptfigur ist.
Der Spielablauf bleibt auch in Infinite Wealth der Serien-Tradition treu. Die Handlung wird in toll inszenierten Cutscenes und ausschweifenden Gesprächen vorangetrieben. Für einzelne Missionen reisen wir dazu an spezielle Orte und kämpfen uns beispielsweise durch das Hauptquartier der feindlichen Barracudas-Bande.
Dazwischen können wir die offene Welt erkunden. Hier erwarten uns Nebenmissionen, Minispiele und versteckte Geheimnisse. In Läden können wir neue Waffen und Ausrüstung kaufen und unsere Vorräte an Sushi, Sake und Co., den Heil- und Stärkungs-Items im Spiel, auffüllen.
Gegnergruppen ziehen ebenfalls durch die Straßen, an einem Icon erkennen wir dabei schon von weitem, ob wir ihrem Level gewachsen sind. Kämpfe lassen sich aber auch vermeiden, indem wir einfach einen größeren Bogen um Gegner machen.
Dabei hilft auch der coole neue Straßen-Surfer, den wir mit neuen Rädern und Farben personalisieren können. Gegen eine kleine Gebühr können wir auch direkt zu schon entdeckten Taxi-Ständen springen und diese als Schnellreisesystem nutzen.
Gelungene Rollenspiel-Evolution
Beim Kampfsystem gibt es nur kleine, dafür aber effektive Neuerungen. Das im Vorgänger eingeführte, rundenbasierte Kampfsystem kehrt zurück und lässt uns mit einer Party von bis zu vier Personen antreten. Alle Figuren haben unterschiedliche Fähigkeiten und beim Reiseveranstalter unseres Vertrauens können wir ihnen verschiedene "Klassen" wie Pyro-Tänzer, Koch oder Samurai zuordnen.
Unnötiger Genderlock bei den Jobs
In Infinite Wealth sind die verfügbaren Jobs erneut fest nach Geschlechtern aufgeteilt. Während die männlichen Figuren als Action-Star, Samurai oder Surfer in den Kampf ziehen, stehen bei den Frauen Jobs wie Hausmädchen oder Domina zur Auswahl. Es gibt auch eine Art Ninja-Job, der hat dafür aber keine Hose an und von den freischaltbaren Kostümen wollen wir gar nicht anfangen.
Die Trennung ist einerseits total unnötig, die Darstellung andererseits echt schade. Mit Saeko, Chitose und Seonhee gibt es drei weibliche Party-Mitglieder. Saeko führt einen Nachtclub, Chitose widersetzt sich ihrer ganzen Familie und Seonhee ist die Chefin der Unterwelt von Yokohama. Auch in der Story spielen alle drei wichtige Rollen, unabhängig von ihrem Geschlecht. Eine gewisse Überzeichung ist Teil des Humors im Spiel, hier wirkt es aber einfach nur plump.
Die Gegner bewegen sich wie im Vorgänger aktiv durch den Raum und nehmen unsere Recken ins Visier. Neu ist, dass wir die Figur, die gerade am Zug ist, ebenfalls bewegen können. Ein Kreis, der je nach den Statuswerten unterschiedlich groß ist, zeigt uns an, wie weit wir gehen können.
Die Positionierung ist wichtig, da wir auf diese Weise den Winkel unserer Attacken ändern und Gegenstände wie Fahrräder oder Schilder als Waffe nutzen können. Flächenangriffe lassen sich so auf ganze Gruppen zielen, für Aktionen aus unmittelbarer Nähe gibt es einen Bonus, ebenso für Treffer von hinten.
Ein Pfeil zeigt zudem an, in welche Richtung ein getroffener Gegner geschleudert wird. So lassen sich Feinde ineinander oder in die Richtung unserer Teammitglieder schubsen, die dann Folgeattacken auslösen. Das geht gut von der Hand und ist eine willkommene Abwechslung. Selbst die Standardangriffe sind so wichtiger und können taktisch eingesetzt werden.
Ansonsten wird klassische RPG-Kost geboten. So gibt es Elemente, gegen die unsere Kämpfer*innen und Gegner resistent oder besonders anfällig sind. Je nachdem nutzen wir die passenden Angriffe oder tauschen unsere Partymitglieder aus. Der Schwierigkeitsgrad ist am Anfang ziemlich niedrig, steigt später aber spürbar an. Infinite Wealth ist aber auch ohne große Rundentaktik-Erfahrung gut machbar.
Der Überraschungseffekt bei den Gegnerdesigns und Animationen ist nicht mehr so stark wie beim Vorgänger, dennoch zaubern uns die abgedrehten Kämpfe immer wieder ein Lächeln aufs Gesicht. Gerade in den letzten Kapiteln gibt es ein paar echte Highlights, aber auch davor halten uns braungebrannte Strandschläger, Pfeife rauchende Hippies oder komplett in Schlafsäcke gehüllte Würmer ordentlich auf Trab.
Der unterirdische Roguelite-artige Dungeon, in dem wir Materialien sowie Geld sammeln und unsere Werte verbessern können, feiert ebenso eine Rückkehr, wie die Werkstatt, in der wir gekaufte oder gefundene Waffen verbessern oder sogar neue Surfboards, Wischmöppe und Pistolen craften.
Nahezu unendliche Möglichkeiten
Allein die Haupthandlung von Infinite Wealth beschäftigt euch dabei schon locker fünfzig Stunden, darüber hinaus gibt es noch unzählige Nebenhandlungen und Mini-Spiele. Ihr könnt etwa die Beziehung zu allen Freunden von Ichiban via sogenannter Drink Links in eigenen Handlungssträngen vertiefen.
Überall in den offenen Spielwelten quatschen euch Leute an und brauchen eure Hilfe bei meist skurrilen Tätigkeiten. Die Pokémon-Anspielung Sujimon kehrt ebenfalls zurück, allerdings dürft ihr dieses Mal nicht nur euren Sujidex füllen, sondern auch gegen andere Trainer antreten, Sujimons entwickeln, Arenaleiter bezwingen und einen Boss erledigen.
Zudem versteckt sich mit Dondoko Island ein nahezu komplett unabhängiger Animal Crossing-Modus im Spiel. Hier befreit ihr eine tropische Insel von Müll und Schrott und baut nach und nach euer eigenes Ferien-Resort auf, in dem dann bekannte Yakuza-Charaktere Urlaub machen können. Komplett mit einer Vielzahl von herstellbaren Möbeln und Gebäuden, freischaltbaren Arealen, einem eigenen Haus, sammelbare Käfer und allem, was dazu gehört.
Daneben gibt es viele kleinere und größere Minispiele wie echte Acrade-Games von Sega aus den 1990er Jahren oder einer lustigen Alternative zu Crazy Taxi, in der ihr Essen per Fahrrad ausliefert. Die Möglichkeiten sind wirklich überwältigend und bis ihr alles gesehen habt, dürfte der Frühling vor der Tür stehen.
Tolle Atmosphäre, aber veraltete Technik
Bei der Technik von Infinite Wealth gibt es kaum Neues zu vermelden, nur dass eben schon drei Jahre seit dem ebenfalls nicht mehr ganz frischen Yakuza: Like a Dragon vergangen sind. Infinite Wealth punktet mit einer dichten Atmosphäre.
Hawaii versprüht herrliche Urlaubsstimmung und Yokohama ist genauso wuselig wie zuvor. Gerade nachts, wenn die Neonschilder leuchten, macht der Titel optisch einiges her, spätestens bei Tageslicht fallen die Schwächen dann aber doch deutlich auf.
Die Umgebungen sind detailliert gestaltet, die Beleuchtung ist aber ziemlich flach. Auch Passanten, Autos und Gebäude könnten durchaus ein technisches Upgrade vertragen. Die Gesichtsanimationen sind in den Zwischensequenzen hübsch, aber abseits davon in normalen Gesprächen recht steif, ähnliches gilt für die Animationen der Charaktermodelle.
Nach dem Genre-Wechsel, dem Protagonisten-Wechsel und jetzt auch dem Setting-Wechsel darf als Nächstes also gerne die Technik dran sein. Insgesamt trübt das den guten Eindruck aber nur marginal und die grafische Finesse von Infinite Wealth rückt bei dem abwechslungsreichem Gameplay schnell in den Hintergrund.
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