Seit dem Abspann von God of War (2018) geht mir ein Gedankenspiel zum Nachfolger nicht mehr aus dem Kopf: Uns stockt der Atem. Haben wir diese Szene, in der Thor zum finalen Hammerschlag gegen Kratos ausholt, soeben wirklich erlebt? Fest steht: Kratos ist tot und wir steuern einen vor Wut schäumenden und vor Rachegelüsten bebenden Atreus durch die Himmelsburgen Asgards. Vor wenigen Sekunden haben wir eine der wichtigsten PlayStation-Ikonen sterben sehen.
Soweit das Kratos mordende Teufelchen in meinem Gedankenspiel. Doch zwischen meinen Ohren herrscht ein erbarmungloser Kampf zwischen Himmel und Hölle. Kratos’ Tod wäre zwar ein Segen für Ragnarök auf der einen, sein Ableben aber ein immenser Schaden für Sony und die Reihe auf der anderen Seite. Lasst mich euch ein wenig in meine gedanklichen Irrungen und Wirrungen mitnehmen.
Ragnarök tritt ein schweres Erbe an
Mit über 20 Millionen verkauften Exemplaren, einem Metascore von 94/100 Punkten und dutzenden Game of the Year-Awards war Kratos’ jüngster Abstecher in die nordische Mythologie für Sony und Entwickler SIE Santa Monica Studio ein voller Erfolg. Einer, der die Messlatte für einen Nachfolger aber auch enorm in die Höhe geschraubt hat und Erwartungen schürt.
Erwartungen an eine mitreißende Geschichte, packendes Gameplay und an einen optischen Leckerbissen. Heruntergebrochen auf ein AAA-Spiel, das der Reihe und der jüngsten PlayStation-Legacy an hochwertigen Spielen wie Ghost of Tsushima, The Last of Us Part 2 oder auch Ratchet & Clank: Rift Apart in nichts nachsteht.
Kratos’ Tod könnte Ragnarök zum Meisterwerk machen
Die Frage, die Sony während der Konzeptphase mit großer Wahrscheinlichkeit umtrieben hat, ist die nach der Zutatenliste für ein Spiel, das seinem Vorgänger qualitativ in nichts nachsteht. Im Gegenteil: Das Rezept sollte bestenfalls den nordischen Leckerbissen qualitativ überbieten und neue Impulse setzen. Doch welche Impulse könnten das sein? Starten wir zunächst einmal mit den weniger drastischen Maßnahmen.
Die “leichteste” Zutat: Mehr Epik
Der für mich, aber sicher auch für den ein oder anderen unter euch, größte Makel am Vorgänger hat mit einem gewissen “WTF”-Faktor zu tun. Sind wir früher auf kilometerlangen Titanen wie Cronos herumgeklettert und haben die brachialsten und epischsten Bosskämpfe in der Historie der Videospiele erlebt, konnte Kratos und Atreus erstes gemeinsames Abenteuer in diesem Punkt nur bedingt glänzen. Sicher war der Kampf gegen Baldur ein Highlight, doch insgesamt kamen die Bosskämpfe für meinen Geschmack als God of War-Fan seit PS2-Zeiten deutlich zu kurz. Die leichteste Zutat, um Ragnarök besser dastehen zu lassen, wäre daher ein Plus an epischen Bosskämpfen.
Wie der aussehen könnte, darüber hat meine Kollegin Linda einen schönen Artikel geschrieben:
Die nötige Zutat: Abwechslung in Sachen Gameplay
So gerne ich mit Kratos die Axt geschwungen habe, so gerührt ich beim Fund der Chaosklingen war, damit mich Ragnarök auch spielerisch abholt, müssen neue Waffen her. Thors’ Hammer wäre hier die recht offensichtliche Alternative, neue Fähigkeiten für Atreus eine weitere. Abseits davon bin ich guter Dinge, dass Eric Williams, Cory Barlog und Co. sich hier Spaßiges für uns haben einfallen lassen.
Die tödliche Zutat: Kratos stirbt
Doch Sonys Zielsetzung für Ragnarök lautet sicher nicht, ein weiteres gutes bis sehr gutes Spiel zu produzieren, ein God of War 1.5. Speziell mit einer so wichtigen PlayStation-Marke und einem so talentierten Entwickler soll ein Meisterwerk her – zumindest ist das für die folgenden Zeilen die Ausgangslage.
Die Frage ist jetzt aber, wie würde ich an SIE Santa Monicas Stelle ein Meisterwerk erschaffen, das uns noch lange nach dem Abspann in Erinnerung bleibt und sich in die Riege der besten Spiele des Jahres einreiht? Das am besten auch polarisiert, denn sind wir mal ehrlich, ein Produkt das es jedem recht macht wird dieses Level wohl kaum erreichen. Und hier muss ich den Tod von Kratos auf den Plan rufen.
Nicht nur würde uns allen die Kinnlade bis in die feurigen Untiefen Helheims kippen und der Story neue Wendungen ermöglichen. Es würde zudem zur emotionalen Tiefe bzw. Reise des Vorgängers passen. Schockierende Twists allein machen schließlich noch keine gute und stimmige Story aus – was die achte Staffel Game of Thrones eindrucksvoll bewiesen hat.
Auch in puncto Gameplay würden sich die nordischen Pforten mit einem Donnerschlag weit öffnen. Ob jetzt Atreus in seine göttlichen Fußstapfen tritt oder die kleine Angrboda – so der Name des Mädchens aus dem Trailer – das sei mal dahingestellt. Wie es auch kommen würde, God of War Ragnarök wäre ein spielerisch weit frischeres Spiel und eines, das wir so schnell nicht vergessen würden.
Disclaimer: Hier liest nur weiter, wer mit der Story der ersten Spielstunden aus The Last of Us Part 2 vertraut ist oder wem Spoiler egal sind.
Kratos’ Tod könnte auch ein großer Fehler sein
An dieser Stelle wisst ihr, welchen Part das Kratos mordende Teufelchen in meinem Gedankenspiel einnimmt. Doch wie bereits erwähnt, gibt es in meiner Vorstellung auch einen gewichtigen Gegenpart der “MACHT DAS BLOß NICHT!” in wütender Spartaner-Lautstärke brüllt – und das aus gleich mehreren, wie ich finde nachvollziehbaren Gründen.
Schon wieder eine Rache-Story
Mein größter Kritikpunkt an The Last of Us Part 2 ist Ellies Antrieb und das auf Rache basierende Story-Gerüst. Held stirbt, geliebte Person will dem Mörder an die Gurgel. Ein Plot, wie ich ihn schon hunderte Mal in anderen Spielen und Filmen erlebt habe. Mächtig kreativ ist all das auf rein erzählerischer Ebene jedoch nicht.
Angenommen Kratos stirbt und Atreus nimmt die Ellie-Rolle ein (vielleicht tötet er seinen Vater ja auch und die kleine Angrboda schwört Rache …), dann würde Sony erneut die Rache-Twist-Karte ziehen und ganz ehrlich, das brauche ich nicht schon wieder. Natürlich ist all das nur Spekulation und ein mögliches Szenario das so niemals eintreten muss. Aber wenn doch, hätte ich mir einen anderen Spin gewünscht.
Hört auf meine Lieblinge zu töten
Mein zweites Contra zielt auf die Historie von PlayStation ab und den Umstand, dass ich (mittlerweile) vielschichtige Charaktere wie Kratos ins Herz geschlossen habe. Jetzt schon wieder einen ikonischen Videospielhelden, mit dem ich noch so einige coole Spiele zocken würde, zu Grabe tragen zu müssen, es wäre auch ein Stich ins Herz.
Kratos ist für Sony viel zu wichtig
Und hier kommen wir auch schon zum wohl wichtigsten Contra-Punkt. Kratos nimmt in der Sony-Legacy einen enorm wichtigen Rang ein und eine Marken-Identifikationsfigur, ein Maskottchen wie ihn zu töten, wäre aus unternehmerischer Sicht schon äußerst gewagt. Spiele mit dem Halbgott verkaufen sich seit jeher und seine Fans sind zahlreich.
Warnung: der folgende Absatz enthält massive TLoU2-Spoiler
Der Tod von Joel und der damit verbundene Aufschrei der Community wäre wohl ein geringer im Vergleich zum Ableben von Kratos – wenngleich bei TLoU 2 noch andere, weit unschönere Punkte wie Trans-Feindlichkeit und Sexismus zum Shitstorm beigetragen haben.
Dennis’ Blick in die Glaskugel (ihr seid gefragt!)
Um jetzt abschließend nicht als zwischen den Stühlen sitzendes, unentschlossenes Etwas dazustehen, geb ich euch mal eine mehr oder weniger gewagte Prognose für God of War Ragnarök ab, zu der ihr mir in den Kommentaren gerne einmal eure Einschätzung geben könnt:
Kratos wird gen Mitte des Spiels sterben, zumindest scheinbar. Atreus und Angrboda bilden das neue Duo und versuchen Kratos vermeintlichen Mörder zu stellen. Es geht rauf nach Asgard und epische Kämpfe gegen Freya, Thor und wer von den Asen auch immer noch Zeit hat, merzen den Mangel an Bosskämpfen aus. Die beiden kommen jedoch an ihre Grenzen und ratet, wer aus den Untiefen Hehlheims emporsteigt, Thor den Hammer entreißt und ordentlich aufräumt. Genau, Kratos, der auf Nidhögg reitend selbst den härtesten unter uns eine kleine Freudenträne in die Augen treibt.
Na, was meint ihr: Episch genug für ein Meisterwerk?
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