Microsoft stand gestern gleich doppelt in den Schlagzeilen. 1.900 Personen der Xbox-Belegschaft und damit knapp 9% der gesamten Sparte wurden entlassen. Zugleich hat der Soft- und Hardware-Riese einmal mehr seinen Status als weltweit wertvollstes Unternehmen untermauert.
Neben der Bekanntgabe der Hiobsbotschaft konnten wir nämlich live miterleben, wie die Aktie von Microsoft auf ein neues Rekordhoch kletterte. Zu diesem Zeitpunkt lag der Börsenwert bei über 3 Billionen-US-Dollar. Eine schwindelerregende Marke, die zuvor nur von Apple geknackt wurde.
Die beiden Gegensätze erschrecken und machen einmal mehr deutlich, wie fragil Arbeitsverhältnisse speziell in der US-Wirtschaft sind. Sie zeigen zudem, wie stark sich Führungsebenen und Investoren der Gaming-Branche seit Beginn der Pandemie verpokert haben.
2023 war erst der Anfang
Titel wie Baldur’s Gate 3, Zelda: Tears of the Kingdom und viele weitere hatten 2023 ein trügerisches Bild gezeichnet. Während wir auf der einen Seite eines der qualitativ besten Spielejahre aller Zeiten erleben durften, zeigte die andere Seite laut Schätzungen 10.500 Entwickler*innen, die ihr Studio verlassen mussten.
Spätestens jetzt wissen wir, dass die vergangenen zwölf Monate nur der Anfang waren. Bereits seit Jahresbeginn wurden 5.900 Personen entlassen, darunter allein über 500 Angestellte von League of Legends-Macher Riot Games.
Ein Ende der Entlassungen ist derweil nicht in Sicht und die Gründe dafür sind divers und komplex.
Warum die Gaming-Branche so stark wankt
Einer der Hauptgründe für die aktuellen Massenentlassungen ist auf die Pandemie und damit einhergehende Erwartungen an die Zukunft der Branche zurückzuführen. Speziell 2020 wurden Videospiele so stark konsumiert wie nie zuvor.
Auch Personen, die zuvor nichts mit dem Thema Gaming zu tun hatten, verhalfen Animal Crossing: New Horizons zum Überraschungshit und wer sein Fitnessstudio nicht besuchen konnte, zahlte auf Ebay Mondpreise für Ring Fit Adventure.
Der plötzliche Boom spülte Publishern und Entwicklern viel Geld in die Kassen und Teams wurden durch zusätzliches Personal teils massiv aufgestockt. Eines der Probleme der Folgejahre war aber nicht, dass der Trend hin zum Gaming nachließ. Ganz im Gegenteil. Die Branche wächst mit Ausnahme von 2022 weiter an.
Das Problem war vielmehr eine zu hohe Erwartungshaltung an das künftige Wachstum – das, wie wir jetzt wissen, unter anderem durch Lieferengpässe während der Pandemie (Halbleiter-Chips der PS5) und durch die aktuell herrschende Inflation ausgebremst werden sollte.
Herrschte zuvor noch eine wirtschaftlich günstige Lage, in der sich Firmen Geld zu guten Konditionen leihen konnten, kippte die Situation 2022.
Absehbare Entlassungen durch Activision-Akquise: Bezogen auf die jüngsten Entlassungen bei Microsoft kommt zudem ein Punkt hinzu, der bei Übernahmen nicht unüblich ist: Stichwort Konsolidierung. Verschiedene Abteilungen werden zusammengelegt und oft auch entschlackt, was nicht selten zu Entlassungen führt.
Generell befindet sich die Branche derzeit verstärkt in einer Zeit der Konsolidierung, in der immer mehr kleine Entwickler von Riesen wie NetEase, Tencent, der Embracer Group oder eben Microsoft geschluckt werden – und dann bei ausbleibendem Erfolg nicht selten und recht schnell dem Rotstift zum Opfer fallen. Die Meldungen rund um Piranha Bytes als jüngstes Beispiel aus deutschen Landen geben ebenfalls reichlich Grund zur Sorge.
Und ein weiterer Trend der vergangenen Jahre muss mit Blick auf die “wankende” Gaming-Branche ebenfalls erwähnt werden. Speziell der AAA-Markt erfordert immer höhere Budgets, was unter anderem in der technischen und inhaltlichen Komplexität der Spiele, aber auch der Erwartungshaltung von Spieler*innen begründet liegt. Im Umkehrschluss garantieren mehr Ressourcen aber nicht gleich mehr Profit und jeder Verkaufsflop kann so zu großen personellen Einschnitten beim jeweiligen Entwickler führen.
Besteht Hoffnung für die Zukunft?
Ohne zu sehr in die Glaskugel zu blicken und auf eine zeitnahe politische Regulierung des Marktes, beispielsweise durch eine Senkung der hohen CEO-Boni, zu hoffen, liegt die Hoffnung vieler US-Entwickler*innen auf der Gründung von Gewerkschaften.
So schreibt beispielsweise Branchenanalyst Daniel Ahmad im Rahmen der Microsoft-Entlassungswelle via X:
Keiner der gewerkschaftlich organisierten Arbeitnehmer war von der jüngsten Entlassungsrunde betroffen, und wenn dies der Fall gewesen wäre, hätte es Verhandlungen über Abfindungspakete im Namen der Arbeitnehmer gegeben.
Gewerkschaften, die sich für die Rechte von Arbeitnehmer*innen einsetzen, gehören in vielen westlichen Branchen mit Ausnahme der USA seit Jahrzehnten zur Normalität. Nicht jedoch für die Gaming-Branche, in der mit Call of Duty-Entwickler Raven Software 2022 die erste Gaming-Gewerkschaft in den USA gegründet wurde. Zwar zogen bis heute einige Entwickler wie CD Projekt Red und Activision nach, jedoch befindet sich der Bereich weiterhin im frühen Wandel.
Ein Wandel, der jedoch einen kleinen Hoffnungsschimmer für die Gaming-Branche bedeutet und bestenfalls die steigenden Massenentlassungen, wie wir sie seit über einem Jahr erleben, zumindest eindämmen könnte.
Wie erlebt ihr die Gaming-Branche aktuell und wie war eure Reaktion auf die jüngsten Entlassungen bei Microsoft?
Nur angemeldete Benutzer können kommentieren und bewerten.
Dein Kommentar wurde nicht gespeichert. Dies kann folgende Ursachen haben:
1. Der Kommentar ist länger als 4000 Zeichen.
2. Du hast versucht, einen Kommentar innerhalb der 10-Sekunden-Schreibsperre zu senden.
3. Dein Kommentar wurde als Spam identifiziert. Bitte beachte unsere Richtlinien zum Erstellen von Kommentaren.
4. Du verfügst nicht über die nötigen Schreibrechte bzw. wurdest gebannt.
Bei Fragen oder Problemen nutze bitte das Kontakt-Formular.
Nur angemeldete Benutzer können kommentieren und bewerten.
Nur angemeldete Plus-Mitglieder können Plus-Inhalte kommentieren und bewerten.