4. Wertungen sind plakativ
Ein Test kann noch so blumig und geschliffen die Qualitäten eines neuen Meisterwerks preisen. Die erste Reaktion lautet in den Kommentaren wie in den sozialen Netzwerken trotzdem nie: »Wow, GamePro bezeichnet Bloodborne als das bessere Dark Souls 2!«, sondern: »Wow, Bloodborne bekommt von GamePro eine 88!« Und das gilt ebenso für den euphorisierten Fan wie für den erfreuten Entwickler. Wir sagen eben nicht nur »Daumen hoch» oder »Daumen runter«, sondern liefern ein präzises und differenziertes Urteil. DASS uns ein Spiel gut gefällt, ist uns zu wenig. Wir wollen auf den ersten Blick deutlich machen, WIE gut uns ein Spiel gefällt.
Wertungen sind nicht nur plakativer als die meisten Zitate, sie setzen Letztere auch in einen Kontext. Ein findiger Publisher kann selbst in einem sehr kritischen Test noch ein halbwegs lobendes Statement aufstöbern, schließlich verschweigen wir auch bei enttäuschenden Spielen nicht die positiven Aspekte. Wenn neben diesem positiven Zitat aber eine Wertung von 54 steht, dann hält sich dessen werbende Wirkung doch arg in Grenzen.
Ja, Wertungen reduzieren ein Kulturgut auf eine Zahl, und das wird gerade Spielen mit einem hohen künstlerischen Anspruch wie etwa Transistor nicht immer gerecht. Wer so empfindet, kann unsere Wertung aber ja auch getrost ignorieren und sich ausschließlich auf den Text konzentrieren, der sich bei einem Hotline Miami 2 natürlich fundamental anders lesen wird als bei einem Battlefield Hardline. Und wir sind nun mal ein Magazin, das seine Tests für über vier Millionen Gamer schreibt (laut AGOF-Auswertung 01/2015) und sich deshalb nicht in einen feuilletonistischen Elfenbeinturm zurückziehen darf.
5. Wertungen machen neugierig
Bleiben wir bei Spielen wie Transistor, Hotline Miami 2 oder Never Alone: Andersartige, künstlerisch wertvolle Geheimtipps haben es naturgemäß deutlich schwerer, die verdiente Aufmerksamkeit zu bekommen, als Blockbuster vom Schlage eines The Witcher 3 oder GTA 5, für die sich ohnehin jeder Gamer interessiert. Den Namen des Spiels kennen nur die wenigsten, Screenshots schrecken mangels sündteurer 3D-Bombastoptik eher ab.
Das Interesse, sich ein paar Minuten für den Text zu nehmen, tendiert gegen Null. Auch das belegen unsere Website-Statistiken eindeutig. Doch dann leuchtet da plötzlich eine 80er-Wertung! So gut soll dieses unscheinbare Indie-Spiel sein? Vielleicht schaue ich es mir doch mal an!
Weil Wertungen so plakativ sind (siehe Grund 4), machen sie eben auch neugierig. Sie sind das Stoppschild für den Leser, auf dem steht: »Nicht weiterklicken, sonst verpasst ihr was Spannendes!« Mit einer hohen Wertung können wir einem Geheimtipp viel schneller und effizienter die verdiente Aufmerksamkeit verschaffen, als es ein Text je zu leisten vermag.
6. Wertungen werden diskutiert
Egal wie viele schlagkräftige Argumente wir im Test auffahren, egal wie viele unterschiedliche Meinungen wir in unseren Fazitkästen darlegen: Am meisten und heftigsten diskutiert wird immer die Wertung. Warum hat Call of Duty schon wieder einen 80er bekommen? Wieso bekommt die Pixelgrafik von Hotline Miami 2 eine überdurchschnittliche Note? Weshalb landet das Remaster eines zehn Jahre alten Meisterwerks nur im 60er-Bereich?
Aber wisst ihr was? Diese Diskussionen finden wir super! Nur wenn über Spiele kontrovers diskutiert wird, können sie sich als Kulturmedium weiterentwickeln. Denn selbstverständlich fällt es auch EA und Dice auf, dass der internationale Wertungsschnitt von Battlefield zuletzt mit jedem Serienableger weiter gesunken ist. Dagegen werden sie etwas unternehmen. Ob das erfolgreich sein wird, steht freilich auf einem anderen Blatt. Wir können nichts weiter tun, als Publishern und Entwicklern klare Signale zu senden. Eine Wertungszahl ist das klarste Signal, das es gibt.
Und auch wir können uns nur verbessern, wenn wir uns ständig der Diskussion mit unseren Lesern stellen. Um Fehler zu erkennen und entsprechend zu reagieren, wie zuletzt etwa bei der nachträglichen Aufwertung von Alien: Isolation. Um Sorgen und Nöte der Spieler zu erkennen, damit wir diese in unserer Berichterstattung aufgreifen und an die Entwickler weiterleiten können. Und nicht zuletzt, um ein neues Wertungssystem zu entwickeln, an dessen Entstehung unsere Community per Umfrage sowie mit zahlreichen Leserbriefen, Kommentaren und Forumspostings entscheidend mitgewirkt hat.
Die Diskussion über Spielewertungen ist freilich nicht abgeschlossen, nur weil wir jetzt ein neues, in unseren Augen besseres System haben. Kein System ist perfekt, kein Test ist perfekt, keine Wertung ist perfekt. Also lasst uns weiter diskutieren. Wir freuen uns drauf!
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