Wie entstehen eigentlich unsere Lieblingscharaktere? Dieser Frage wollten wir im Rahmen unserer Held*innen-Wochen auf dem Grund gehen. Und weil uns niemand diese Frage besser beantworten kann als die Personen, die für unsere liebsten Videospielcharaktere verantwortlich sind, haben wir genau sie gefragt.
In den vergangenen Wochen haben wir mit 52 Entwickler*innen unterschiedlichster Studios und Publisher gesprochen, um mehr darüber zu erfahren, wie sie an Charakterdesign herangehen. Egal ob Creative Director, Studio Founder, Narrative Designer, Art Director oder Writer, sie alle haben uns einen kleinen Einblick in ihre Arbeit gegeben und wie sie an die Held*innen ihrer Spiele herangehen.
Daher haben wir ihnen drei Fragen gestellt:
- Was ist in euren Augen der wichtigste Aspekt, wenn ihr einen neuen Charakter erstellt?
- Habt ihr eine Designphilosophie, um Charaktere zu erschaffen und unterscheidet die sich je nachdem, ob es um einen Haupt- oder einen Nebencharakter geht?
- Welche Art von Charakteren würdet ihr gerne öfter in Videospielen sehen?
Die Antworten auf die ersten beiden Fragen findet ihr in diesem Artikel, letztere Frage wird in einem zweiten Artikel thematisiert, den ihr hier findet:
Hades: Niemand ist perfekt
Greg Kasavin, Creative Director bei Supergiant Games (Hades, Transistor, Bastion)
Bei Supergiant Games sollen sämtliche Charaktere einzigartige und signifikante Aspekte der Welt repräsentieren, der sie entsammen, wie Creative Director Greg Kasavin erklärt. Sie alle würden die Werte der Welt, genauso wie den Ton und die Stimmung des Settings, verkörpern.
In Hades hätten sie beispielsweise Figuren, die von ernst bis albern reichen, dennoch wollten sie sicherstellen, dass jeder Charakter eine eigene Stimme hätte und sich keine zwei "ernsten" oder "albernen" Figuren gleich anfühlen.
"Wenn Spieler*innen unsere Charaktere treffen, sollten sie wirklich verstehen, wie es ist, in dieser Welt zu leben. Deshalb sollten alle Charaktere die zugrundeliegenden Themen des Spiels auf einzigartige Weise verkörpern. In Spielen mit klar definierten Hauptfiguren, wie in Hades, sollten Charaktere außerdem eine andere Dimension der Persönlichkeit des Protagonisten hervorbringen. Wie im echten Leben sind keine zwei Beziehungen absolut identisch. "
Als Designphilosophie von Supergiant Games nennt Greg Kasavin das Untergraben von Archetypen.
"Ich mag Charaktere, die beim ersten Treffen sehr klar sind, aber zunehmend komplexer oder unerwarteter werden, auf eine glaubhafte Weise, je länger du sie kennenlernst. Ich glaube, so ist es auch, wenn man Menschen im echten Leben kennenlernt."
Wenn er an Charakteren arbeitet, versuche er nicht, sie bewusst sympathisch oder cool zu schreiben, es käme lediglich darauf an, dass Spieler*innen Empathie für die Figuren empfinden würden und ihr Handeln nachvollziehen können.
"Charaktere können gravierende Fehler haben, fehlgeleitet oder einfach schreckliche Menschen sein, aber sie können dich immer noch Empathie fühlen lassen, sobald du verstehst, was falsch in ihrem Leben gelaufen ist oder welche Absichten sie haben. Ein wirklich grauenhafter Charakter kann dennoch bewundernswerte Qualitäten haben. Andererseits können gute, moralische, heroische Charaktere mit guten Absichten negative Eigenschaften haben. Niemand ist perfekt."
Grounded: Viel Liebe zum Detail (und Ameisen)
Kazunori Aruga, Art Director bei Obsidian Entertainment (Grounded, Pillars of Eternity)
Wie Obsidian-Art Director Kazunori Aruga schreibt, hängt alles von der Art des Projekts ab.
"Für RPGs oder Titel mit Story-Fokus sind Charaktere gefragt, mit denen sich Spieler*innen identifizieren können. In diesem Fall versuche ich bei dem zu bleiben, was ich kenne. Das heißt: Ich nehme Details von den Menschen, die ich im realen Leben getroffen habe und versuche, diese als Kern für meine Charaktere zu nehmen. Die kann man dann nach Belieben ausbauen und ausschmücken, aber diesen Kern zu haben, verankert einen Charakter und verleiht ihm Authentizität. "
Bei Survival-Spielen wie Grounded sieht es hingegen anders aus, denn hier spielt zum Beispiel beim Aussehen von Insekten die Lesbarkeit die größte Rolle. Dort könne man sich an Größenmaßstäben, Proportionen oder Silhouetten orientieren, um sicherzustellen, dass Spieler*innen schnell erkennen, welcher Kreatur sie begegnen.
Wie bei vielen Concept Artists beginnt die Arbeit von Kazunori Aruga immer mit Recherche und der Suche nach Referenzen. Als nächstes werden die Detail, die sich für das jeweilige Projekt eignen herausgesucht und zusammengefügt. Dabei schafft es aber nicht jede Kleinigkeit ins Spiel:
"Obwohl wir in Grounded auf Tuchfühlung mit Insekten gehen, lassen wir bewusst albtraumhafte Details in ihren Gesichtern aus. Gern geschehen."
Dabei stolpert Groundeds Art Director auch gern mal über "inspirierende Entdeckungen" wie die Tatsache, dass Ameisen eine symbiotische Beziehung zu Blattläusen haben.
"Die Ameisen beschützen die Läuse und schlürfen dafür den Honigtau, den die Läuse produzieren. Zwar stellen wir dieses Verhalten nicht exakt in Grounded dar, aber Blattläuse hinterlassen Honigtautropfen als Ergebnis der Recherche."
Returnal: Menschlich, vielschichtig, realistisch
Gregory Louden, Narrative Director bei Housemarque (Returnal, Nex Machina)
Zum Start der PS4 war das finnische Entwicklerstudio Housemarque mit Spielen wie Resogun nicht gerade bekannt für spannende Charaktere. Auf der PS5 änderte sich das allerdings mit Returnal, in dem wir erstmals Selene begegnen, deren Geschichte durch ihre Tode erzählt wird.
"Für jeden Charakter haben wir je nach Position in der Geschichte eine andere Philosophie. Es ist dabei egal, ob es sich um einen NPC oder Haupt-Charakter handelt, jede Figur ist eine Figur. Bei Selene erzählen wir ihre Geschichte durch die Todeszyklen und zeigen den Fortschritt bis hin zum Höhepunkt. Je weiter Spieler*innen voranschreiten, desto mehr erfahren sie von Selene, ihrer Vergangenheit und warum sie nach Atropos in Returnal gekommen ist."
Allgemein sei es bei der Erstellung eines großartigen Charakters für Housemarque wichtig, dass sie jemanden ausarbeiten, der oder die vielschichtig, intelligent und realistisch ist.
"Eine Figur sollte auch nicht komplett gut oder böse sein, sondern nachempfindbar und menschlich. Für uns ein toller Charakter hat eine Geschichte, Ambitionen und einzigartige Macken, die sie speziell und komplex machen. Mit Selene wollten wir jemanden kreieren, die bis zu einem Fehler angetrieben, intelligent und komplex ist aber auch heimgesucht wird."
Horizon Zero Dawn: Zeig etwas, das es noch nie gab
Ben McCaw, Narrative Director bei Guerrilla (Horizon Zero Dawn, Horizon Forbidden West)
"Am wichtigsten ist es, Spieler*innen etwas zu bieten, dass sie noch nie zuvor gesehen haben "
sagt Ben McCaw von Horizon Zero Dawn-Studio Guerrilla. Er erinnert sich außerdem daran, dass die Hauptfigur Aloy als Risiko gesehen wurde, das sich allerdings ausgezahlt hätte:
"Als wir mit der Entwicklung von Horizon Zero Dawn starteten, wollten wir eine neue und lebendige Welt mit einem tollen Hauptcharakter im Mittelpunkt erschaffen. Nach vielen Iterationen wurde Aloy zur zentralen Figur. Zu der Zeit gab es im Gaming kaum überzeugende, weibliche Protagonistinnen. Es wurde von vielen als Risiko bezeichnet, eine Reihe um eine solche Figur herum aufzubauen. Am Ende wollten Spieler*innen mit Aloy spielen. Ihre Geschichte und Persönlichkeit hat mehr Anklang gefunden bei Fans, als wir es jemals uns erträumt hatten. Sie waren hungrig nach einer Veränderung, nach etwas anderem. Wir glauben daran, dass das immer der Fall ist. Zeigt Spieler*innen einen anderen Charakter, einen besonderen Menschen - jemand mit dem sie mitfiebern können, der aber auch die Vorstellungskraft anregt - und es wird eine Reaktion darauf geben."
Wichtig bei der Erstellung eines Charakters - egal, ob Hauptfigur oder NPC - sei der dramatische Kern, der nachvollziehbar sein muss, um Konflikte zu erzeugen. Aloys dramatischer Kern in HZD sei, ihre Mutter zu finden. Dieser sorge für intensive Empathie, aber eben auch für Konflikte mit dem Stamm der Nora, ihrem Mentor und letztlich der gesamten Welt - und das ist ebenfalls wichtig für Bösewichte.
"Dieser Ansatz ist auch wichtig für Antagonisten. Ein gutes Beispiel kommt aus der Hintergrundgeschichte von Horizon Zero Dawn. Ted Faro, der die Roboterplage gestartet und damit die Welt zerstört hat, möchte für seine Fehler geradestehen, was verständlich ist. Er möchte jedoch auch die Fehler vertuschen, weshalb er abscheuliche Dinge macht. Der innere Konflikt macht ihn authentisch, aber auch unausstehlich - genau so sollte ein Bösewicht sein."
Spider-Man: Der menschliche Kern im Helden
Ben Arfmann, Advanced Senior Writer und Lead Writer bei Insomniac Games (Marvel's Spider-Man: Miles Morales)
Ben Arfmann von Insomniac Games stand mit Spider-Man: Miles Morales vor einer besonderen Herausforderung, da er keinen neuen Charakter erschaffen, sondern eine bereits in Comics etablierte Figur für ein neues Medium umsetzen musste. Dabei sei es besonders wichtig zu honorieren, warum Fans einen Charakter lieben. Es sei möglich, Elemente zu verändern und zusammenzuwürfeln, der Kern des Charakters müsse aber immer erkennbar bleiben
"Im Falle von Marvel-Helden - speziell hier Miles - der Kern ist etwas, bei dem viele einen Bezug zum Ehrgeiz haben. Miles ist ein Held, der großartiges schafft. Er springt von Gebäuden, besiegt Gegner, rettet Städte. Er ist der Held, der wir alle sein wollen. Aber er ist auch ein normaler Teenager mit Problemen in der Schule, bei Freunden und Verwandten. Wir können die menschlichen Aspekte nachvollziehen auch wenn wir von seinen heroischen Taten überwältigt sind. Wenn wir das Superheldenleben mit dem Menschlichen kombinieren, bekommen wir einen Charakter, der das Beste an uns selbst reflektiert. Wir verstehen seine Probleme und streben danach, sein Herz, Mitgefühl und Mut ebenfalls zu erreichen. Miles hilft dabei, den wartenden Helden in uns zu sehen. Den Ehrgeiz des Charakters einzufangen war unser wichtigster Job, als wir die Geschichte von Miles entwickelt haben."
Für die Spider-Man-Spiele frage sich Insomniac Games zuerst, wie ein Charakter organisch in ihre Welt passe, egal ob dieser eine bereits existierende Figur oder komplett neu sei. Besonders NPCs können hier viel Spaß machen:
"Hauptcharaktere bekommen immer mehr Aufmerksamkeit als zufällige NPCs, aber das Schreiben von Nebenfiguren kann auch sehr viel Spaß machen. Je kleiner die Verbindung des Charakters zur Hauptgeschichte, desto mehr Freiheit hat ein Autor. Einige meiner Lieblingscharaktere befindet sich ausschließlich in den Social Media-Posts im Spiel. Du kannst sehr viel Herzblut in 140 Zeichen verpacken."
Ratchet & Clank: Gleiche Liebe für alle
Lauren Mee, Lead Writer bei Insomniac Games (Ratchet & Clank: Rift Apart)
Mit Rift Apart lernten Spieler*innen erstmals Rivet kennen, eine neue Heldin im Ratchet & Clank-Universum. Laut Lauren Mee war es besonders wichtig hier zu zeigen, dass Rivet nicht nur Ratches Version aus einer anderen Dimension ist, sondern auch ihr eigener Lombax mit einer langen Vorgeschichte im eigenen Universum.
"Das Wichtigste während des Entwicklungsprozess ist Ehrlichkeit. Während Rivets Entstehung hat das Team versucht, sie ausgeglichen und authentisch wirken zu lassen. Wer ist sie? Bedürfnisse? Ängste? Was sind ihre Stärken und Schwächen? Wie schaut sie auf die Welt und wie wird sie von der Welt betrachtet? Für all diese Fragen mussten wir tief graben und herausfinden, was sie zu Rivet macht und das benötigte viel Ehrlichkeit von den Entwicklern, aber auch von den Charakteren."
Bei Rift Apart wollte Insominac laut Lauren Mee nicht nur Humor und Charme, sondern auch echte Emotionen und ausgearbeitete Geschichten - sowohl für die Hauptcharaktere als auch für NPCs.
"Was unsere spielbaren Figuren vom Rest unterscheidet, ist, dass sie die (aufregende!) Aufgabe haben, die Hülle für Spieler*innen zu sein. Deshalb können sie manche Dinge, die NPCs nicht können. Unsere NPCs erhalten aber abseits davon die gleiche Liebe wie die Hauptcharaktere. Ihre Rollen sind kleiner, aber der Eindruck kann gleich stark sein und wir nehmen sie auch ernst. Wir schauen zwar nicht ganz so tief in ihre Seele, aber wir nehmen uns die Zeit, darüber nachzudenken, wer sie sind, wie sie mit den Ereignissen umgehen und was sie vorher gemacht haben, um hier zu landen. Am wichtigsten ist aber ihre Beziehung zu den Hauptcharakteren."
Boyfriend Dungeon: Echte Personen als Vorlage
Tanya X. Short, Creative Director bei Kitfox Games (Boyfriend Dungeon)
Charaktere sind in wenigen Spielen so wichtig, wie in Visual Novels oder Dating Sims, schließlich sind diese Gameplay-seitig oft eher minimalistisch und verlassen sich daher komplett auf Figuren und Story. Ganz mag das auf das kommende Date-deine-Waffen-Roguelike Boyfriend Dungeon nicht zutreffen, trotzdem ist es Creative Director Tanya X. Short vor allem wichtig, dass ihre Charaktere in Erinnerung bleiben:
"Sobald du einen Charakter siehst, an dem ich mitgearbeitet habe, soll ein starker Eindruck zurückbleiben. Je mehr Zeit du mit einem Charakter verbringst, desto interessanter und unvergesslicher sollen sie werden."
Als Beispiel nennt sie den Charakter Talwar aus Boyfriend Dungeon, der anfangs Sportkleidung tragen sollte. Weil so viele aber dachten, dass er deshalb sportlich wäre und nicht einfach nur fixiert auf sein Äußeres, weckte er falsche Erwartungen und erfuhr deshalb ein Redesign, um besser zum Archetyp "Flirty Part Bad Boy" zu passen. Talwar basiert zudem auf Tanya X. Shorts Ex-Freund.
"Um möglichst einen gefühlt realen Charakter zu schreiben, basiere ich die Personalität auf Menschen und Freunde, die ich in meinem Leben getroffen habe. Je nachdem, wie Spieler*innen mit ihnen interagieren, kann die Eigenschaften anders darstellen. Egal ob durch Wörter, Aktionen, Reaktionen, der Stimme oder mehr. Talwar soll der Bad Boy sein, weshalb ich sein Design auf meinem Ex-Freund basiert habe, vor dem mich alle vor dem Daten gewarnt hatten (er war letztlich eigentlich ganz nett, sorry Talwar). Die große Herausforderung war es, die "Stimme" des Charakters, auch durch meinen Standard-Schreibstil, über die jahrelange Entwicklung hinweg nicht zu verlieren."
Deathloop: Der aufregendste Weg zum Ziel
Pawel Kroenke, Lead Narrative Designer bei Arkane Lyon (Dishonored, Deathloop)
Spieleentwicklung ist immer ein Balanceakt verschiedener Ziele. Das weiß auch Pawel Kroenke von Deathloop- und Dishonored-Entwickler Arkane als Antwort auf die Frage nach den wichtigsten Aspekten beim Erschaffen von Charakteren:
"Jeder Charakter sollte zuallererst seine vorgegebenen Design-Ziele, wie die Rolle, auf dem möglichst aufregendsten Weg erfüllen. Meine Kollegen in der Produktion würden sich sehr freuen, wenn ich dazu sagen würde: "innerhalb des Rahmens der verfügbaren Ressourcen"."
Zudem sei es wichtig Charaktere zu erschaffen, deren Eigenschaften und Motivationen sich nicht überschneiden, da das beim Erzeugen von Konflikten helfe und Interaktionen vorantreibe.
Gollum: Jeder Charakter ist eine Schneeflocke
Tilman Schanen, Game Writer und Lead Narrative Designer bei Daedalic (Herr der Ringe: Gollum)
"Stell dir jemanden vor, der wirklich, wirklich cool ist. Dann mach das Gegenteil. Zumindest, wenn dein Ziel ist, Menschen zu berühren."
rät Game Writer Tilman Schanen, der sich in Herr der Ringe: Gollum gerade eine der bekanntesten Figuren der Popkultur vorknöpft.
"Mach dir keine zu großen Sorgen über Formeln oder persönlichen Stil. Jeder Charakter ist eine Schneeflocke. Biografie oder Geschichtsbücher zu lesen hilft mir, weil mein eigenes Leben sehr langweilig ist. Dann beginne ich oft mit der häufigen Frage: Wen würde das Kernproblem unseres Spiels wirklich herausfordern? Du musst ein Rennen gewinnen? Wie wäre es mit einem Fahranfänger? Herzen erobern? Kein Frauenheld oder eine Schönheitskönigin. Die Welt retten? Ein Hobbit. Das ist nur der Startpunkt, aber absolut keine Voraussetzung beziehungsweise kein Garant für einen guten Charakter."
Little Nightmares: Die Psyche von Kindern und Monstern
Lucas Roussel, Lead Producer bei Bandai Namco (Little Nightmares 2)
Bei Lead Producer Lucas Roussel hängt alles davon ab, ob es sich um ein spielbares Kind handelt oder um ein Monster. Kinder seien ein Hoffnungsschimmer in der Albtraumwelt von Little Nightmares 2, denen wir vertrauen, dass sie uns die Unschuld und die Verspieltheit der menschlichen Psyche spüren lassen. Die Antagonisten des Spiels hingegen sind unsere eigene hässliche Reflektion, eine überzeichnete Repräsentation der Monster in uns.
Für Monster arbeitet das Little Nightmares-Team nach folgenden Prinzipien:
"
- Archetypen: Wir denken uns eine Karikatur des Charakters aus und drehen sie bis zum Extremen um. Wie würde das aussehen? Wie würde sich der Charakter benehmen?
- Kulturelle Referenzen: Wir denken an Filme, Bücher oder Serien, in denen Charaktere besonders gruselig sind. Wir isolieren die interessanten Elemente und beziehen diese auf das Charakter-Design, um es einzigartig zu machen.
- Unterschiedlichkeiten: Charaktere müssen sich voneinander unterscheiden. Sie sollten sich alle anders anfühlen, anders aussehen und anders auf unerwartete Weise benehmen.
- Twist: Wir finden etwas Unerwartetes oder Unerklärbares in der Art, wie ein Charakter aussieht oder sich benimmt. Es muss keinen Sinn machen.
Für Kinder hingegen fokussieren sie sich auf die Silhouette, ein simples und süßes Design sowie Animationen. Held*innen sollen immer hervorstechen (z.B. durch den gelben Mantel), aber nicht zum Stereotyp werden:
"Wenn mehrere Kinder zusammen arbeiten, müssen wir sichergehen, dass ihre Designs sich aus der künstlerischen Perspektive gegenseitig ergänzen. Gerade bei den Animationen müssen wir sicherstellen, dass sie die Persönlichkeiten der Protagonist*innen reflektieren."
Psychonauts 2: Lebendige Charaktere im Kopf
Lisette Titre-Montgomery und Lauren Scott, Art Director und Senior Systems Designer bei Double Fine (Psychonauts 2)
In Psychonauts 2 liegt der Hauptfokus auf den Charakteren und ihren Hintergrundgeschichten, wie Lisette Titre-Montgomery und Lauren Scott GamePro.de im Interview erzählen. Einer der Vorzüge, mit Videospielveteran Tim Schafer zu arbeiten, sei es, dass er eine sehr klare Idee von den Charakteren habe.
"Sie leben gewissermaßen in seinem Kopf und waren dort schon in Fleisch und Blut bevor wir uns überhaupt ans Design setzen. Für uns ist wirklich wichtig, zu sehen wer ein Charakter ist, was seine oder ihre mentalen Herausforderungen auslöst und wie das die mentalen Probleme beeinflusst. Das kommt alles zusammen, wenn wir uns dem Design nähern. Für uns geht es gänzlich um starke Hintergrundgeschichten und Tims Ideen und Vorschläge über Persönlichkeiten und Motivationen der Charaktere."
Double Fine habe eine lange Geschichte mit Spielen in verschiedenen Stilen, was sie allerdings nie ändere seien die vielen Stunden, die das Entwicklerteam mit den Hintergrundgeschichten verbringe.
"Wir stecken wirklich viel Zeit in die Recherche, um genau festzulegen, wer unsere Charaktere überhaupt sind. Das ist etwas, das du in allen Double Fine-Spielen siehst und einer der Hauptgründe, warum so viele Personen unsere Spielen lieben - sie können die Charaktere nachvollziehen"
Witchbrook: NPCs als Stämme
Abi Cooke Hunt, Lead Writer bei Chucklefish (Starbound, Wargroove, Witchbrook)
Laut Chucklefish-Lead Writer Abi Cooke Hunt ist der erste wichtige Schritt für Schreibende, dass eine Figur erstellt wird, die Leute um sich haben wollen.
"Das Ziel ist es, den Charakter sympathisch, liebenswert, lächerlich oder auch zum Bösewicht zu machen. Hauptsache Spieler*innen freuen sich darauf, mit der Figur zu interagieren."
Bei Hauptcharakteren startet das Witchbrook-Studio üblicherweise mit den Archetypen, also einem widererkennbaren und leicht verständlichem Grundgerüst, das Spieler*innen gleich einordnen können. Danach kommt gleich die Persönlichkeit.
"Die Geschichte, Einstellung, Motivation und Philosophie definiert den Charakter. Das alles schafft es nicht direkt in den Text des Spiels, aber für die Entwicklung ist das wichtig. Manche der Persönlichkeiten unterstützen den ursprünglichen Archetypen, andere wollen diesen untergraben. Letztlich soll daraus ein differenzierter und fesselnder Charakter entstehen."
Bei NPCs läge der Unterschied vor allem in der Tiefe und der Individualität der Persönlichkeit. NPCs agieren wie Stämme, Gruppen von gleichdenkenden Individuen mit einer gemeinsamen Erfahrung und Weltanschauung. Von diesen kann es natürlich mehrere geben, aber innerhalb eines Stammes profitieren die NPCs von Homogenität. Abi Cooke Hunt erklärt das am Beispiel von Wargroove:
"In Wargroove haben die rebellischen Truppen die gleiche Anarchistische Philosophie und die gleiche seltsame, intelligente Dummheit, wodurch sie als Gruppe so funktionieren, wie ein einzelner Charakter. Diese NPCs bringen eine Konsistenz mit sich, helfen beim Aufbauen der Welt und untermauern den Ton des Spiels."
Sea of Thieves: Tragweite muss deutlich sein
Victoria Hall und Hendrik Coppens, Principal Concept Artist und Principal Character Artist bei Rare (Sea of Thieves)
Im Zentrum ihrer Arbeit steht für Victoria Hall und Hendrik Coppens von Sea of Thieves-Entwickler Rare die Bedeutung der Figur, an der sie gerade arbeiten.
"Wenn man eine Fraktion besucht, dann sollte das Kerngefühl jener durch das Design des Charakters widergespiegelt werden. Wir besinnen uns darauf immer wieder zurück."
Hendrik Coppens fügt hinzu:
"Der Charakter muss für den Spieler interessant sein, es soll sofort erkenntlich sein, mit wem man es zu tun hat. Das Design muss die Tragweite der Figur deutlich machen."
The Longing: Interaktionen als natürliches Vehikel
Anselm Pyta und Benedikt Hummel, Gründer von Studio Seufz (The Longing)
Charaktere müssen neugierig machen. Dieser Überzeugung ist Benedikt Hummel von Studio Seufz, den Machern von The Longing. Nur dann könnten sie beim Publikum funktionieren. Sein Kollege und Studio-Mitbegründer Anselm Pyta hingegen erklärt, dass ein Charakter ihm zumindest in irgendeiner Form sympathisch sein – selbst wenn es sich um einen Schurken handle. Immerhin müsse er viel Zeit mit ihm verbringen.
Zu seiner Herangehensweise erklärt er:
"Ich nehme bei Hauptfiguren Inspiration vor Allem aus mir selbst, bei Nebenfiguren auch aus dem Umfeld. Denn die Hauptfigur muss man besonders gut kennen, bei Nebenfiguren kann man eher spinnen. Aber selbst eine Hauptfigur ist immer nur ein Fragment von einem selbst, eine bestimmte Stimmung etwa."
Laut Benedikt Hummel dienen Figuren, die er selbst entwerfe, auch immer dem Erkunden eigener Gedanken- und Gefühlswelten und stünden am Ende metaphorisch und personifiziert für die Erkenntnis daraus.
The Elder Scolls Online: Macken schaffen Persönlichkeit
Rich Lambert, Creative Director bei Zenimax Online (The Elder Scrolls Online)
Die Persönlichkeit von Charakteren ist für ESO-Creative Director Rich Lambert am wichtigsten.
"Die Hintergründe und Handlungsbögen bringen nichts, wenn die Figur keine Macken oder interessanten Persönlichkeiten hat, da es sehr schwer für mich ist, mich für sie zu interessieren. Es muss auch nicht übertrieben sein, aber der Charakter muss konsistent durch den gesamten Handlungsbogen sein. "
Daher sei in Elder Scrolls Online The Drake of Blades einer seiner Lieblingscharaktere, da sie etwas merkwürdig wäre. In Gesprächen mit ihr sollen wir uns nicht wohlfühlen, was sich konsistent bis zum Schluss hält.
Im Kern macht es für den Crative Director keinen Unterschied, ob er einen Haupt- oder Nebencharakter entwickelt, erstere würden allerdings mehr Zeit kosten im Bezug auf Persönlichkeit und Geschichte.
"In Bezug auf eine Design-Philosophie ist es am wichtigsten, dass die zu erstellenden Charaktere in der Welt leben. Sie haben einen Alltag mit Erfolgen und Misserfolgen. Es ist wichtig, beides zu zeigen."
Tomb Raider: Ein Auge fürs Detail
Brenoch Adams, Principal Designer bei Crystal Dynamics (Tomb Raider)
Der Teufel liegt für Tomb Raider-Designer Brenoch Adams im Detail. Wenn er sich einen neuen Charakter ausdenkt, sei das wichtigste, über jedes einzelne Element sorgsam nachzudenken, um eine klare, fokussierte Geschichte erzählen zu können.
"Mein Ziel ist das Beibehalten visueller Orientierungspunkte und ästhetischer Motivationen, die den reichen narrativen Hintergrund verstärken. Über all diese Dinge nachzudenken, wozu auch das Equipment, Fähigkeiten, Ausdrücke, Bewegungen oder sogar die Stimme zählt, hilft meine Absichten zu verstärken, wenn ich neuen Charakter erschaffen möchte."
Hauptcharaktere müssen für Brenoch Adams für sich stehen können und als Anker für die Besetzung dienen. Nebencharaktere hingegen werden designt, um die Bedürfnisse der Geschichte zu unterstützen und die generelle Erfahrung zu bereichern. Um für eine gute Balance innerhalb des Casts zu sorgen, visualisiere er daher alle Charaktere in einer Gruppe, während er sie designt.
"In Sachen Charakterentwicklung bekommen Hauptcharaktere natürlich die meiste Zeit, aber NPC spielen eine große Rolle in der Wahrnehmung der Hauptcharaktere. Mein Ziel bei NPCs ist es, dass sie eher in einer Gruppe funktionieren. "
Tomb Raider: Einzigartig und erinnerungswürdig
Noah Hughes, Studio Creative Director bei Cystal Dynamics (Tomb Raider)
Mit Lara Croft wagte sich Crystal Dynamics mit dem Tomb Raider-Reboot von 2013 an eine der kultigsten Figuren der Videospielgeschichte. Laut Studio Creative Director Noah Hughes war es hilfreich, bereits eine grundlegende Inspiration für die Identität ihres Charakters zu haben. So konnten sie die abenteuerlustige Identität von Lara Croft mit einer Survival Action-Ästhetik kombinieren, anstatt mit ihrem Design komplett neu Null anzufangen. Laut ihm gebe es verschiedene Wege, um sich dem Design eines Charakters anzunähern, am Ende sei es das Wichtigste, dass eine einzigartige und erinnerungwürdige Figur dabei herauskäme.
"Zu definieren, woher diese Einzigartigkeit kommt, ist Teil des Spaßes."
Zusätzlich zur Erinnerungswürdigkeit versuche Crystal Dynamics außerdem, nachempfindbar zu designen und Figuren angestrebte Eigenschaften zu geben:
"In der neuen Tomb Raider-Trilogie haben wir unser Bestes geben, Laras Entschlossenheit und Widerstandsfähigkeit zu betonen, neben ihrer Brillanz und Sportlichkeit. Zwar müssen NPCs keine anstrebenswerten Eigenschaft bieten, ein Element der Nachvollziehbarkeit ist aber auch hier notwendig. Dasselbe gilt für Schurk*innen."
Life is Strange: Charaktere müssen Spaß machen
Jonathan Zimmerman, Narrative Director bei Deck Nine Games (Life is Strange: True Colors)
Bei Jonathan Zimmermann von Deck Nine Games dreht sich im Fall von Life is Strange: True Colors alles um eine Sache: Spaß.
"Wenn sie der Hauptcharakter ist: Macht es Spaß, die Welt durch ihre Augen zu erkunden? Ihre Gedanken zu hören, mit ihren Entscheidungen konfrontiert zu werden, mit ihrer Umwelt zu interagieren? Wenn sie ein NPC ist: Macht es Spaß, mit ihr zu interagieren, ihr mit einem Problem zu helfen, sie zu lieben oder zu hassen?"
Oder zumindest fast alles:
"Natürlich sorgen wir uns gründlich um dramatisches Storytelling, das Erforschen bedeutsamer Themen und authentische Repräsentation. Doch im Herzen unserer Arbeit steht die konstante Frage, wie wir diese Erfahrung spaßig für Spieler*innen machen können."
In Sachen Designphilosophie setzt der Narrative Director auf Wiederholung und Flexibilität:
"Charaktere sind keine fixierten Objekte - sie entwickeln sich kontinuierlich während unseres Entwicklungsprozesses. Während der Konzeptphase verbringen wir viel Zeit mit dem Aufbau der Charaktere. Dann schärfen wir sie, probieren ihre Stimmen aus und passen sie dem Verlauf der Story an. Anschließend formen wir sie weiter, häufig drastisch, wenn wir ihre Schauspieler*innen gefunden haben und sie Gestalt annehmen. Manchmal hauchen selbst die kleinsten Details einem Charakter Leben ein - wie sie ihre Brille richtet oder besondere Ausdrucksweisen in ihrer Stimme. Solche Dinge können an jedem Punkt im Designprozess auftauchen, weshalb wir versuchen, stets offenzubleiben und darauf zu reagieren."
Guardians of the Galaxy: Balanceakt zwischen neu & vertraut
Jean-François Dugas, Senior Creative Director bei Eidos Montréal (Marvel's Guardians of the Galaxy)
Einen Charakter zu erschaffen ist laut Jean-François Dugas eine der herausfordernsten kreativen Aufgaben:
"Die meisten Kreativen versuchen, mutige, starke originale Charakter zu erschaffen, die genau das verkörpern, wofür sie stehen - während sie sympathisch, ansprechend und spaßig sein müssen. Das sind alles einfache Worte mit einem ebenso einfachen Ziel. Dabei erfolgreich zu sein, ist jedoch eine völlig eigene Reise."
Im Fall von Peter Quill aus Marvel's Guardians of the Galaxy standen sie vor der Herausforderung, einen bereits etablierten Charakter, den es in verschiedenen Formen bereits im Marvel-Universum gibt, einzigartig zu machen. Ihr Peter Quill solle eine originelle Version sein, die es so noch nie gegeben habe, aber dabei dennoch vertraut bleiben und der Version ähneln, die Fans aus dem MCU kennen.
"Egal, ob wir mit einer IP von Marvel arbeiten oder mit einer eigenen: Wir versuchen stets Charaktere zu erschaffen, die herausstechen. Wir glauben, ein Charakter muss deine Aufmerksamkeit gleich auf mehreren Ebenen auf sich ziehen. Das Design muss genügend Tiefe bieten, dass deine Augen automatisch zu ihm zurückkommen. Es muss etwas bieten, das du vorher noch nie gesehen hast. Du musst dich automatisch fragen, wie ihre Geschichte lautet - oder dir selbst eine passende ausdenken."
Eine magische Formel dafür gibt es nicht und selbst wenn man sich an all diese Dinge halten würde, sei das noch keine Garantie für Erfolg. Dafür bräuchte man zusätzlich brillantes Writing, talentierte Künstler*innen und Voice Actors – und ein bisschen Glück.
The Medium: Warum ist das der Hauptcharakter?
Grzegorz Like, Writer bei Bloober Team (The Medium)
Für den Autor des Horrorspiels The Medium, Grzegorz Like, steht fest:
"Der Handlungsstrang macht letztlich den Charakter zu einer gut geschriebenen Figur. Du musst erzählen, wie die Figur ihre Schwächen und Ängste überwindet. Vor allem für ein Horror-Spiel klingt letzteres einfach, weil es vieles gibt, das einem Angst macht. Aber die wichtigsten und gruseligsten Elemente sind tief im Charakter verborgen. Du solltest es nur nicht übertreiben! "
In seinen Augen gibt es immer eine Sache, die Hauptcharaktere zum Helden macht.
"Das kann eine besondere Stärke, eine seltene Qualität, eine komplexe Hintergrundgeschichte oder einfach ein Legendenstatus, wie Rutger Hauer in Observer: System Redux sein. Am Ende sollte diese einzigartige Sache die Frage beantworten: Warum ist dieser Typ der Hauptcharakter? Weil niemand sonst würde es durch die Geschichte schaffen…"
NEO: Individualität als Designgrundlage
Gen Kobayashi und Miki Yamashita, Character Designer bei Square Enix (NEO: The World Ends With You)
Gen Kobayashi und Miki Yamashita haben beide als Character Designer an NEO: The World Ends With You gearbeitet, was vielleicht einer der Gründe ist, warum sie recht ähnliche Ansichten bezüglich Charakterdesign haben. Für beide spielt die Individualität von Figuren eine wichtige Rolle.
"Ich versuche, ein Design zu erschaffen, das die Individualität eines Charakters am besten kommuniziert."
erklärt Miki Yamashita, während Gen Kobayashi betont, wie wichtig die Rolle eines Charakters ist:
"Sobald ich verstehe, warum ein Charakter gebraucht und was von ihm verlangt wird – erst dann beginne ich mit dem Design. In NEO: The World Ends With You habe ich beim Design der Charaktere besonders darauf geachtet, dass sie in Sachen Individualität und Charm mit den faszinierenden Charakteren aus dem Vorgänger mithalten können."
Nebencharaktere und NPCs sollen sich laut Gen Kobayashi am besten mit dem Hintergrund vermischen, um Hauptfiguren besser hervorstechen zu lassen.
Scarlet Nexus: Probleme und Sorgen als Teil des Designs
Kouta Ochiai, Art Director bei Bandai Namco (Scarlet Nexus)
Für Scarlet Nexus-Art Director Kouta Ochiai müssen die Probleme und Sorgen von Charakteren nicht nur einfach nachvollziehbar sein, sondern deren Gründe auch Teil ihres Designs sein. Speziell spricht Kouta Ochiai hier von der Silhouette der fertigen Charaktere, die einfach erkennbar sein und sich schnell ins Gedächtnis brennen soll. Hauptkomponente dieser Silhouette seien die genannten Probleme des Charakters.
"Ob ich Hauptcharaktere oder NPCs designe, spielt weitestgehend keine Rolle. Ich versuche stets, dass die Figuren ihrer Rolle als Charakter gerecht werden. Um genauer zu sein: Bei NPCs achte ich darauf, dass ihr Aussehen den Kulturen und spirituellen Gegebenheiten der Länder entspricht, aus denen sie stammen."
Ooblets: Hauptsache schräg
Ben Wasser, Game Director bei Gumberland (Ooblets)
Wer Ooblets kennt, der sollte nicht überrascht sein, dass sämtliche Charaktere von Gumberland laut Ben Wasser "schräg" sein sollen.
"Wir versuchen sämtliche unserer Charaktere "schräg" zu designen. Wir kombinieren verschiedene Themen und Töne, sodass Spieler*innen nicht bekommen, was sie erwarten, wann immer sie mit jemandem reden."
Eine wirkliche Philosophie verfolgt das kleine Studio dabei nicht. Sie seien offen für alle Ideen, die sie interessant finden, wodurch sie mit ihren Designs eine Menge Spaß hätten.
Curious Expedition 2: Charakterdesign als Puzzlespiel
Riad Djemili und Dennis Kogel, CEO znd Autor bei Maschinen-Mensch (Curious Expedition 2)
Das Erschaffen einer neuen Figur für ein Spiel ist für Curious Expedition 2-Autor (und GamePro-/GameStar-Freelancer) Dennis Kogel wie ein Puzzlespiel:
"Autor*innen, Designer*innen, Artists etc. können nicht einfach so loslegen und eine Figur erfinden, sondern wir müssen überlegen, wie sie ins bestehende Design passt. Also frage ich mich immer: Welche Funktion erfüllt die Figur erzäherlisch und spielmechanisch? In was für einer Welt existiert die Figur? Mit welchen anderen Figuren interagiert sie? Wie viel Raum bekommt der Charakter? Gibt es Dialoge, bestimmte Animationen? Und wenn wir diese Fragen (und wahrscheinlich noch eine ganze Ladung mehr) Fragen beantwortet haben, dann geht es darum, die Figur zu erschaffen und das ist dann ein total kollaborativer Prozess."
Riad Djemili erklärt, dass die Figuren in Curious Expedition recht plakativ wären (z.B. der Koch eine Kochschürze und einen Kochhut trage), da es nicht viel Erzählzeit für Charaktere im Spiel gebe. Daher greife Maschinen-Mensch auf Klischees zurück, um es leichter zu machen, die Figuren einzuordnen. Trotzdem sei es ihnen wichtig, auf negative Tropes wie z.B. im Bezug auf Frauen oder Minderheiten zu vermeiden.
Kleinere Figuren findet Dennis Kogel im Vergleich komplizierter als Hauptcharaktere, da hier in kürzerer Zeit eine Persönlichkeit vermittelt werden muss.
"Da muss dann viel über den Look und den Sound passieren. Ich versuche dann als Autor einen Weg zu finden, wie man dann z.B. Figuren wie den Salamandern oder den Maulwurfmenschen in Curious Expedition 2 durch bestimmte Arten wie sie sprechen, ein bestimmtes Gefühl verleiht. Was mir aber bei allen Figuren wichtig ist, ist dass sie nicht Karikaturen sind, sondern dass man irgendwo ihre Menschlichkeit merkt, dass man als Spieler*in das Gefühl bekommt: da steckt mehr dahinter!"
Back4Blood: Wer überlebt die Apokalypse & warum?
Phil Robb, Gründer und Creative Director bei Turtle Rock Studios (Left 4 Dead, Back 4 Blood)
Für Turtle Rock Studios-Gründer Phil Robb ist eine gewisse Art von Vertrautheit bei Charakteren wichtig, damit sich Fans besser mit den Figuren identifizieren können. Es sei wichtig, dass Spieler*innen ihnen gerne zuhören und mit ihnen interagieren wollen.
Auch beim Left4Dead-Studio spielen klassische Archetype eine wichtige Rolle, wobei einige bekannter wären als andere, wie der Creative Director am Beispiel ihres neuesten Spiels, Back 4 Blood, erklärt:
"Walker ist zum Beispiel ein Krieger-Archetyp, er ist der klassische Held. Er ist ein Ex-Soldat, mutig, ein harter Kerl aber mit einem Herz aus Gold. Diesen Archetypen kann man sofort klar erkennen. Ich denke jeder wird Walker direkt als den “Coolen” erkennen. Dann haben wir die etwas Unscheinbaren, die aber auch etwas mehr nuanciert sind. Meine Lieblingsfigur ist Holly, auch wenn ich nicht direkt ihren Archetypen beschreiben kann. Sie ist der Kleber, der die Gruppe zusammenhält. Sie ist charmant, witzig , redet gern und sieht alles sehr positiv. Ich denke jeder von uns kennt eine Holly im echten Leben. Dadurch fühlt sie sich aber auch sehr vertraut an."
Zu einem gewissen Grad sei für ihn auch Inklusion wichtig. Das sei vor allem deshalb schwierig, weil es immer nur eine begrenzte Anzahl an Charakteren geben könne, es aber eine Vielzahl an unterschiedlichen Menschen gibt. Es sei daher nicht möglich, jeden Charaktertyp abzubilden. Dennoch würden sie versuchen, eine tolle und diverse Crew zusammenzustellen.
"Um das sicherzustellen, fragen wir uns am Anfang: Wer überlebt die Apokalypse und warum? Wir denken genau darüber nach, wie sie es geschafft haben. Wie zum Beispiel Doc, die eine Ärztin ist. [...] Doc hat vielleicht nicht die physischen Skills wie Jim oder Walker, dafür aber diese Überlebensfähigkeit. Sie hat sich also gedacht: Ich bin Ärztin und sehr wertvoll in der Apokalypse, weshalb ich meinen Kittel anbehalte, damit die Leute mich inmitten des Chaos erkennen. Dadurch konnte sie die Apokalypse überleben. Genau solche Geschichten suchen wir mit unseren Charakteren."
The Dark Pictures Anthology: Angst vor dem Tod
Will Doyle, Game Director bei Supermassive Games (The Dark Pictures Anthology)
Laut Will Doyle geht es in Horrorgeschichten wie Little Hope oder House of Ashes immer darum, Charaktere aus ihren Komfortzonen zu bringen und in Stresssituationen zu werfen, um sie herauszufordern. Dafür muss es immer etwas geben, was ihnen wichtig ist und was ihnen genommen werden kann.
"Wenn ihr Leben auf dem Spiel steht, sollen die Zuschauer wissen, warum die Charaktere darum kämpfen. Möglichst jeder Charakter sollte noch "etwas Unerledigtes" haben, das sie durch die Geschichte antreibt. Wenn sie sterben bevor sie ihr Ziel erreichen, ist es schrecklicher."
Zudem sei es wichtig, dass Figuren in Horrorspielen sympathisch sind (damit wir uns nicht freuen, wenn sie sterben) und dass Charaktere Furcht zeigen:
"Es ist wichtig, dass die Figuren Angst vor der Gefahr haben, weil wir bei Horror-Filmen unterbewusst uns selbst in den Charakteren widerspiegeln. Wenn sie keine Angst haben, sind auch wir weniger eingeschüchtert."
Das Team von Supermassive Games steht zudem vor einer besonderen Herausforderung, da sie Geschichten mit Entscheidungen erschaffen, die unterschiedlich gespielt werden können. Zwar habe jeder Charakter eine fixe Persönlichkeit basierend auf Archetypen wie "Der Sportler" oder "Der Witzbold", dessen Grundzüge gleich bleiben, aber die Hauptentscheidungen legen fest, wie ein Charakter rüberkommt. Nebencharaktere hingegen seien einfacher, weil sie oft nur dafür da sind, um den Plot in eine bestimmte Richtung zu treiben. Trotzdem will Will Doyle auch für sie mindestens einen Twist bereithalten - Klischees und Archetypen untergraben macht schließlich Spaß.
Kena: Kleiner Cast, größerer Fokus
Josh Grier, COO und Mitbegründer bei Ember Lab (Kena: Bridge of Spirits)
Charaktere müssen laut Josh Grier durch ihre eigenen Wünsche und Ziele motiviert werden. Diese müssen so gesetzt sein, dass sie zu den Umständen passen und uns mit wichtigen Informationen versorgen und bestimmte Teile der Welt oder Geschichte kommunizieren.
"Jedoch ist ein Charakter nicht komplett bis wir vergangene und aktuelle Umstände, Wünsche und Ziele erarbeitet haben, die ihre Aktionen und Persönlichkeiten untermauern. Das ermöglicht uns, eine authentische Interaktion mit Figuren zu ermöglichen, die sich echt anfühlen."
In Kena: Bridge of Spirits hält Ember Lab die Story fokussiert auf eine Handvoll Figuren, damit jeder Charakter genug Zeit und Aufmerksamkeit bekommt, um komplett ausgearbeitet zu werden.
"Der kleinere Cast ermöglicht uns, tiefer in die Hintergrundgeschichte zu tauchen, was auch ein Ziel in unserer Entwicklung war. Daraus resultieren auch die freundlichen NPCs, die Kena und die Rots auf ihrer Reise begleiten. Sie erweitern die Geschichte und das Spiel durch ihr Design. Sie sind liebenswerte und ansprechende Charaktere, die es verdient haben, von Kena Hilfe zu bekommen. Als Inspiration hatten wir japanische Animationen, Pixar-Filme und andere Adventure-Spiele."
Auch für die Bosse wurde sich auf Charaktermotivation konzentriert, da Spieler*innen im Kampf Empathie ihnen gegenüber empfinden sollen – egal wie verdorben oder aufgewühlt die Geister sind.
Wonder Boy: Lesbarkeit und Attraktivität
Ben Fiquet, Creative Director bei Lizardcube (Wonder Boy: The Dragon's Trap)
Für Ben Fiquet, der an Wonder Boy: The Dragon's Trap und Streets of Rage 4 mitgearbeitet hat, muss ein Charakter von einem Animationsstandpunkt auf den ersten Blick verstanden werden. Lesbarkeit und Attraktivität sind für ihn das Wichtigste beim Charakterdesign.
"Ich versuche, dass ein Charakter cool aussieht und es Spaß macht, ihm oder ihr zuzuschauen. Das soll selbst für Gegner*innen gelten. Am wichtigsten ist aber, dass man beide klar auseinanderhält und diesen Rhythmus und Kontrast auf die ganze Besetzung anwendet."
Streets of Rage: Ein Charakter für jeden Spielstil
Jordi Asensio, Lead Game Designer bei Dotemu (Streets of Rage 4)
Laut Jordi Asensio sei es bei einem Hauptcharakter vor allem wichtig, dass er zu den unterschiedlichen Spielstielen passt oder sich für das Rollenspiel eignet. Seine Herangehensweise an Charaktere unterscheidet sich je nachdem, ob es um spielbare Charaktere oder um NPCs geht:
"Bei spielbaren Charakteren gibt es weniger Einschränkungen. Wenn wir Ideen brainstormen, nehmen sie Form an. NPCs behandeln wir hingegen wie Funktionen des Spiels. Ein Beispiel: Ich brauche einen Gegner mit Distanzattacken oder einen bulligen Nahkämpfer. Dann designe ich den Gegner um diese Idee herum und wir versuchen, die Form des Charakters der Funktion folgen zu lassen."
Dolmen: Das Aussehen ist das Wichtigste
Allan Marlon, Art und Creative Director bei Massive Work Studio (Dolmen)
Als Art und Creative Director geht Allan Marlon vor allem visuell an Charaktere heran. Aussehen sei für ihn das Wichtigste. Zusätzlich zu mechanischen Funktionen versuche er immer, dem Design-Team auch visuelle Details vorzustellen, die mehr über den Charakter und die Welt erzählen.
Eine wirkliche Designphilosophie haben das Studio rund um das kommende Action-RPG Dolmen nicht, aber der Creative Director denke oft über die Funktionen kombiniert mit dem Konzept nach:
"Gegner sind so entwickelt, dass mögliche Kampftechniken passen, während NPCs mehr mit dem Szenario zusammenpassen müssen."
The Last Oricru: Figuren müssen ein eigenes Leben entwickeln
Pavel Jiri Strnad, Creative und Game Director bei Studio Goldknights (The Last Oricru)
Bevor es an Persönlichkeit und Hintergrundgeschichte geht, muss für Pavel Jiri Strnad feststehen, wofür der Charakter eigentlich da ist und wie seine Beziehung zu anderen aussieht.
"Dann wird er in einer Welt platziert, die Story geschrieben und Interaktionen mit anderen Charakteren entwickelt. Auf einmal übernimmt er immer mehr und mehr vom Spiel und die Schichten über Schichten seiner Persönlichkeit stapeln sich. Am Ende müssen die Ideen geschnitten werden, da sie nicht mehr zum Charakter passen."
Der Creative und Game Director von The Last Oricru, einem kürzlich unter dem neuen Koch Media-Label Prime Matter angekündigten RPG, ist der Meinung, dass ein guter Charakter organisch ein eigenes Leben entwickeln muss. Darüber würden dann Persönlichkeit, Glaube und Wünsche definiert - nicht über die Wünsche des*der Autor*in.
Eine glaubhafte Welt basiert laut Pavel Jiri Strnad auf den Interaktionen der Charaktere untereinander. Ihre Hauptphilosophie sei es, den Spielercharakter zu entfernen und sich die Welt ohne Spieler*innen und ihre Aktionen anzusehen.
"Die Welt muss mit einer Geschichte Sinn ergeben, die voranschreitet und sich weiterentwickelt. Erst wenn wir eine solche Story haben, fügen wir den spielbaren Charakter hinzu und überlegen, wie dieser die Welt beeinflusst und Dinge ändert - die spielbare Figur sollte aber nicht der einzige Grund für Veränderungen in der Welt sein. Ansonsten wäre die Welt gefüllt mit vorgegebenen Marionetten, die nur dann existieren, wenn der Hauptcharakter im Bild ist."
The Last Oricru: Zeitdruck sorgt für Charakterfokus
Abdulazis "Aziz" Aldigs, Character & Co-Art Director bei Studio Goldknights (The Last Oricru)
Bei Abdulazis "Aziz" Aldigs startet alles mit wichtigen Wörtern:
"Für unseren Haupthelden haben wir zum Beispiel küle Augen, Ambivalenz und Sarkasmus definiert, da wir jemanden benötigen, der durch den ständigen Tod und Wiederbelebung eine Art Schutzmechanismus entwickelt hat. Wir halten ihn aber durch Faktoren wie den Narben und Implantaten einzigartig. Um den Charakter geerdeter zu machen, brauchen wir eine Hintergrundgeschichte. Ich hab dann nach Referenzmaterial für unseren Konzeptkünstler gesucht, um aus anderen Werken die Merkmale herauszufinden, die wir brauchen. Für unseren Helden haben wir uns an Long John Silver und Alfie Solomon aus der Serie Peaky Blinders orientiert."
Der Character- und Co-Art Director von The Last Oricru erklärt zudem, dass er gern die Zeit hätte, jeder Figur die gleiche Aufmerksamkeit zu geben, weil jeder Held nur so gut sein kann wie die Figuren, mit denen er interagiert. Allerdings sei man in der Spielebranche immer unter Zeitdruck und so müssten die Hauptcharaktere priorisiert werden.
Night is Coming: Einzigartigkeit ist der Schlüssel
Sergey Kornilov, CEO und Autor bei Wild Forest (Night is Coming)
Bei Wild Forest ist es laut CEO Sergey Kornilov am wichtigsten die Einzigartigkeit eines Charakters zu zeigen. Das könne sowohl die Persönlichkeit, ein Teil des Körpers oder der Seele oder Fähigkeit sein.
"Du musst ein oder zwei Einzigartigkeiten herausnehmen und die komplett hervorstechen lassen. Wir glauben auch daran, dass es unmöglich ist, mehr als drei auszuwählen, da der Charakter sonst die Balance verliert."
Eine Philosophie hat das Studio des Aufbauspiels Night is Coming ebenfalls:
"Der Charakter sollte schnell verstanden sein aber trotzdem so lang wie möglich untersucht werden können. Wir lieben es, Grundeigenschaften zu nehmen und bis aufs Äußerste zu drehen. Wenn wir eine Figur erstellen, dann fragen wir uns, was wir direkt zeigen und was Spieler*innen sehen müssen, um den Charakter zu verstehen. "
The Chant: Interaktionen als natürliches Vehikel
Mike Skupa, CEO von Brass Token (The Chant)
Der Fokus von Mike Skupa von The Chant-Entwickler Brass Token ist beim Entwickeln von Charakteren, dass die persönliche Motivation zu den Themen und Mechaniken der Story sowie des Gameplays passt:
"Je mehr diese zusammenhängen, desto glaubwürdiger ist die Persönlichkeit und ein entstehender Konflikt. Das kann aber auch eine Herausforderung sein, wenn neue Mechaniken dazu kommen. Es ist gut, immer eine kleine Lücke in der Hintergrundgeschichte zu lassen, um flexibel alles zusammen zu schweißen während am Gameplay entwickelt wird."
Am liebsten entwickle der CEO Beziehungen, weshalb der Prozess zwischen spielbaren Charakteren und NPCs sehr ähnlich sei. Am natürlichsten sei es, etwas über Charaktere durch ihre Interaktionen mit anderen zu erfahren.
Desperados 3: Das Gameplay bestimmt die Figur
Moritz Wagner, Head of Design bei Mimimi Games (Desperados 3)
Moritz Wagner vom Deutschen Studio Mimimi Games ist es vor allem wichtig, dass Charaktere direkt greifbar sind. Zwar sollen sie durchaus Tiefe haben, diese kommt allerdings erst im zweiten Schritt. Im ersten möchte er, dass die Figur etwas in Spieler*innen auslöst.
"Ich denke – und das hängt auch wieder sehr stark von der Thematik und der Story ab – dass ein Charakter bis zu einem gewissen Grad sympathisch sein sollte, weil ich mit ihm ja auch 20 Minuten spielen soll. Wenn man einen Standard-Charakter für ein Videospiel macht, dann muss dieser sympathisch und seine Rolle auf den ersten Blick erkennbar sein. Bei einer Antihelden-Geschichte stimmen manche dieser Statements natürlich nicht. Auch bei Spielen, wo man seinen Avatar selbst formt und im Grunde man selbst ist, dann geht die Personifizierung nur nach dem Äußerlichen."
Die Designphilosophie zwischen Hauptfigur und NPCs unterscheide sich bei ihm stark. Einmal im Bezug auf die Zeit, die in einen Charakter gesteckt wird, aber auch im Bezug auf Game Design und Skills.
"Bei uns geht es bei den neueren Projekten mittlerweile so, dass wir ungefähr eine Vorstellung haben, aber trotzdem zuerst mit den Fähigkeiten herumprobieren. Danach entwickeln wir aber erst die Geschichte und das Visuelle drum herum. Manchmal sagen wir auch, dass wir eine bestimmte Persönlichkeit haben wollen, aber in der Regel bestimmt das Gameplay die Figur. Wenn jemand zum Beispiel ein cooler Fallenleger wird, dann liegt es daran, dass unsere Mechanik zum Fallen legen cool ist. "
After The Fall: Charaktere müssen die Story repräsentieren
Jeff Dronkers, Character Artist bei Vertigo Games (After the Fall, Arizona Sunshine)
Das Design eines Charakters muss immer für sich selbst sprechen, findet Jeff Dronkers von Vertigo Games. Was auch immer der Charakter repräsentiere, müsse nach außen offensichtlich sein.
"Ich denke über die vorhandene emotionale Belastung nach, die Ziele und Motivation, sowie die Welt, in der ein Charakter lebt. Die Figuren in After the Fall haben diese Belastung. Sie teilen einen sehr ausgelaugten Look, sie sind keine Soldaten sondern Überlebende und vereinen ihre Stärken als Gruppe."
Seine Designphilosophie bezeichnet der Character Artist als sehr universell.
"Für mich müssen Charaktere, Haupt oder NPC, die Geschichte des Spiels repräsentieren. Wie durch ihre Haltung und Ausstrahlung. Aber auch die Übertreibung sowie Aufteilung dieser Elemente ist wichtig, um die Botschaft der Charaktere und Persönlichkeiten zu übermitteln. Das wird beim Erstellen von NPCs etwas unwichtiger, da sie nicht zu einzigartig wirken sollen. Dadurch können sie einfacher wiederholt in eine Umgebung gesetzt werden, was wichtig für eine effiziente Entwicklung ist. Horden von Gegnern sind eine Mischung aus beidem. Sie sollen die Story repräsentieren, einzigartig aussehen, aber trotzdem so gleich sein, um ein repetitives Muster zu vermeiden"
Eiyuden Chronicle: Visualisierte Persönlichkeit
Junko Kawano, Character Designer und Illustrator bei Rabbit & Bear (Eiyuden Chronicle)
Die Persönlichkeit der Charaktere zu visualisieren ist für Character Designer Junko Kawano das Wichtigste. Ihre Arbeit an Eiyuden Chronicle begann mit einer simplen Beschreibung. Immer wenn sie sich dann nicht entscheiden konnte, schuf sie mehrere Designvorschläge für das Team, um herauszufinden, welcher am ehesten zu ihrer Vision passen würde.
"Ich erschaffe Konzepte für das sogenannte "Tone and Style"-Prinzip. Ich wollte zum Beispiel ursprünglich die Zahl der Farben limitieren. Doch am Anfang des Projekts meinte Murayama-san zu mir: "Diese Charakter sollte in dieser Farbe designt werden!", und mein Plan ging in Luft auf (haha!). Deshalb verfolgen wir jetzt einen anderen Ansatz, nämlich "Stell sicher, dass alle Farben schön aussehen, selbst wenn mehrere Charaktere gleichzeitig auf dem Bildschirm sind." Ich denke, für NPCs sollte ähnliches gelten, nur mit geringerer Farbtiefe und niedrigerer Detaildichte."
Ghostrunner: Mit Slogans auf der Jagd nach der Hintergrundgeschichte
Tomasz Pietrzyk, Concept Artist bei One More Level (Ghostrunner)
Concept Artist Tomasz Pietrzyk, der am Cyberpunk-Spiel Ghostrunner mitgearbeitet hat, betont beim Designen von Charakteren die Wichtigkeit ihrer Rolle im Universum und ihrer Geschichte. Das Äußere einer Figur solle dabei beides widerspiegeln.
"Hel, die rechte Hand des Hauptantagonisten in Ghostrunner, ist ein gutes Beispiel. Bevor ich an ihrem Konzept gearbeitet habe, habe ich mich darauf konzentriert, Slogans auf Basis ihrer Hintergrundgeschichte zu schreiben, die die Heldin auf einfachste Art zusammenfassen: Cyborg, weiblicher Ghostrunner, die vom Antagonisten wiederaufgebaut wurde, aggressiv, unaufhaltbare Kraft, Tötungsmaschine. Dann habe ich ihr Aussehen nach diesen Slogans designt: von der Silhouette, über die Farben, zu den Details, die ihre Geschichte erzählen. Und hier schließt sich der Kreis; das Wichtigste beim Erschaffen von Charakteren ist ihre Geschichte, die im finalen Design reflektiert werden muss."
Das Design eines Hauptcharakters sei häufig eine Reflexion des gesamten Produkts, was es Spieler*innen einfacher machen soll, sich selbst in der Rolle zu finden. Die Immersion bei Ghostrunner käme zu Teilen daher, dass das Gesicht der Hauptfigur nie gezeigt wird.
Glitchpunk: Die Wichtigkeit des WTF-Faktors
Maciej Karbownik, Studiogründer von Dark Lord (Glitchpunk)
Maciej Karbownik ist ein großer Fan von Charakteren, die große Änderungen durchmachen – gut oder schlecht. Daher fokussiere sich Glitchpunk auf eine Welt, deren Gesellschaft auseinanderfällt.
"Deshalb siehst du dort mehr tragische Schicksale von Menschen oder Androiden als Erfolgsgeschichten. Gut geschriebene Charakterbögen mit einer Auswahl von Fehlern und Mängeln, Bedürfnissen und Schwachstellen, die Spieler*innen nachvollziehen können, sind in meinen Augen eine gute Basis für Charaktere."
Ein wichtiger Aspekt der Charaktererstellung ist für den Studiogründer von Dark Lord die Screentime einer Figur
"Um eine Geschichte zu erzählen, musst du wissen, wie kurz du dich halten musst und ob du den Luxus hast, Charaktere über einen längeren Zeitraum auszubauen oder ob sie nur einmal vorkommen. Bei letzterem ist es hilfreich, etwas zu nehmen, das man leicht in Erinnerung behält: merkwürdige Eigenschaften, schnelle Plottwists, gewaltsame Unfälle, ein außergewöhnliches Äußeres, Brüche der vierten Wand oder jeder andere "WTF"-Faktor. Manchmal pfeif ich auch auf meine Regeln oder drehe sie um, einfach um mit dem "Flow” zu gehen und zu experimentieren. Das Ergebnis ist nicht immer so gut, wie ich es mir vorgestellt habe, aber es ist immer eine tolle Lernerfahrung. "
Dragon Ball Z: Den Wert des Originals im Blick
Ryosuke Hara, Producer bei Bandai Namco (Dragon Ball Z Kakarot)
Ryosuke Hara sieht das Erschaffen von Charakteren als eine Balance aus Nachbildung und Zerstörung. Gerade dann, wenn es sich um einen bekannten Charakter wie Son Goku aus Dragon Ball Z Kakarot handelt, der schon mehrfach in Videospielen verwendet wurde. In solchen Fällen müsse man genau definieren, was geändert werden kann, um Fans einen frischen Ansatz zu bieten.
"Nehmen wir an, du bist selbst ein Fan des Charakters, dann solltest du dich fragen, was Fans Emotionen zum Charakter auslösen lässt, was sie erfahren wollen und welche Elemente wichtig sind, um ihre Erwartungen zu übertreffen."
Die Spezifikationen eines Spiels seien durch die Erwartungen der Fans an Charaktere bestimmt. Einige Änderungen seien laut Ryosuke Hara zudem nötig, je nachdem um was für ein Spiel es sich handle. Schließlich solle nie der Wert des originalen Werkes vermindert werden.
Tales of Arise: Charaktere als Boten von Nachrichten
Minoru Iwamoto, Art Director bei Bandai Namco (Tales of Arise)
Bei Character Design sei es sehr wichtig, dass es dabei Hilft, Spieler*innen klar die Nachricht mitzuteilen, die Entwickler*innen ihnen mitteilen wollen, so Minoru Iwamoto, Producer bei Tales of Arise. Alle Charaktere in einem Spiel tragen diese "Nachricht", die ihre Schöpfer*innen auf verschiedene Arten kommunizieren wollen.
"Um ein paar Beispiele zu nennen: Alle Charaktere haben unterschiedliche Situationen, Positionen, Persönlichkeiten, Probleme, Ziele oder Lebenswege. Im Kampf haben alle Charaktere einen unterschiedlichen Kampfstil beziehungsweise eine eigene Rolle. Das ist auch eine ihrer "Nachrichten", die beeinflusst, welche Spielstile wir von Spieler*innen erwarten. Es ist mir sehr wichtig darüber nachzudenken, wie ich diese Nachrichten kommuniziere und wie Spieler*innen an ihnen Freude haben können."
Besonders wichtig sei für ihn, wenn Spieler*innen einen Charakter zum ersten Mal sehen. Der erste Eindruck führe später oft zu einer gewissen Erwartung.
"Wenn ich Hauptcharaktere designe, denke ich über die "Nachricht" nach, die sie aufgrund ihres Platzes in der Story tragen sollen, in ihrer Art zu Leben, ihrem Kampfstil oder ihrer Weltansicht, wie ich schon erwähnt habe, und designe sie so, dass diese "Nachricht" klar vermittelt wird. Das würde aber nicht automatisch in einem interessanten Spiel resultieren. Schließlich gibt es über 100 Charaktere in der Tales-Serie, was zu einem Gefühl von Déjà Vu führen könnte."
Daher versucht Minoru Iwamoto die Persönlichkeit der Charaktere zu akzentuieren, indem er ihnen bestimmte Assoziationen aus aus dem Setting und des zugrundeliegenden Motives ausbaue, sodass Spieler*innen, die die Figuren zum ersten Mal sehen, unmittelbar ihre einzigartige Persönlichkeit fühlen können und sich für sie interessieren.
"Außerdem organisiere ich die visuellen Informationen so, dass ich unnötige Parts rausstreiche, dafür aber die wirklich essenziellen Dinge hervorhebe, damit der Charakter einen langfristigen Eindruck hinterlässt. In Japan nennen wir das "ikonische Expression"."
Bloodstained: Mit der Geschichte wachsen
Koji "IGA" Igaraschi und Shutaro Iida, President/Producer und Director bei ArtPlay (Bloodstained: Ritual of the Night)
Für Koji "IGA" Igaraschi ist das wichtigste beim Erschaffen von Charakteren, das sie die nötigen Fähigkeiten haben, das Spiel zu schaffen und an der Geschichte zu wachsen. Daher überlege er auch immer genau, wie eine Figur ihre Motivation behalten können, im Bezug auf ihren Platz in der Story.
Bloodstained-Director Shutaro Iida findet es hingegen vor allem wichtig, dass Aspekte, die er an Menschen "mag", in einem Charakter repräsentiert werden. Auf diese Art kann er sicherstellen, dass er einen guten Charakter erschafft.
Wenn es um Protagonist*innen geht, macht er sich vor allem Gedanken darüber, wie sie sich spielen und welche Bewegungen und Fähigkeiten daraus entstehen. Bei NPCs hingegen spielt die Persönlichkeit eine größere Rolle, im Sinne dass sie übertriebener sind als die der Helden.
"NPCs existieren, um den Hauptcharakter interessanter zu machen. Je akzentuierter die Persönlichkeiten sind, desto mehr sind sie ein zusätzliches Plus."
Grow: Der Sinn von merkwürdigen Fischen
Joel Styles, Art Director bei Prideful Sloth (Grow: Song of the Evertree)
In den Spielen von Prideful Sloth sollen sich Spieler*innen selbst ausdrücken können. Daher gibt es die Möglichkeit, mit dem Aussehen des eigenen Avatars zu experimentieren – oder wie im Fall von Grow: Song of the Evertree sogar mit dem von NPCs und Tieren.
Zu Beginn der Entwicklung steht laut Art Director Joel Styles immer die Frage, wer oder was ein Charakter ist.
"Woher kommen sie? Wie war ihr bisheriges Leben? Welche Persönlichkeiten und Mängel haben sie? In der Regel starten wir mit einem Zweck, den ein Charakter im Spiel erfüllen muss. Meistens ist das eine spezifische Rolle, die das Gameplay unterstützen soll. Wir wollen aber auch sicherstellen, dass alle Charaktere mehr als nur das zum Spiel beitragen, und dass sie durch Repräsentation eine diverse Welt erzeugen."
Benötige ein Spiel beispielsweise einen Questgeber, müsse man entscheiden, was genau gebraucht wird: ein neutraler Dorfbewohner oder vielleicht doch ein mürrischer Nachbar mit Komplexen? Reicht trockener Dialog oder hilft eine kleine Geschichte über ihre Vergangenheit?
"Egal, ob es Hauptcharaktere, NPCs, ein süßes flauschiges Tier oder ein merkwürdiger Fisch ist, wir wollen Charakteren einen Sinn geben, aber auch weitere Facetten bieten, die die Welt bereichern."
Elex: Ein Roadtrip durchs Ruhrgebiet
Björn Pankratz, Creative Director bei Piranha Bites (Elex)
Spielspaß steht beim Designen für Björn Pankratz von Piranha Bites an oberster Stelle. Eine spielbare Hauptfigur müsse einfach Spaß machen.
"Wenn man eine Figur designed, der man im Spiel gerne begegnen würde und diese mitsamt ihrer Ziele, ihrer Geschichte und ihrer Probleme gut ausdesigned ist, schreiben sich Dialoge und Quests fast von allein."
Jax aus Elex sei beispielsweise ein sehr trockener Charakter, der somit viele Antwortmöglichkeiten bietet, die für Situationskomik sorgen und dennoch unterschiedliche Intentionen zulassen würden. Der Creative Director hat zudem einen interessanten Vergleich, was es bedeutet, Figuren für ihre Spiele zu entwickeln:
"Einen Charakter in einem Piranha Bytes-Spiel zu designen ist wie ein Roadtrip durchs Ruhrgebiet, Deutschlands Nummer Eins der Industrieromantik. Dabei ist es wichtig den Leuten "aufs Maul zu schauen" und herauszufinden, was sie in der entsprechenden Situation gerne hören und sagen möchten um eine immersive Gesprächssituation zu erzeugen. Charaktere sind dabei häufig humorvoll aus dem wahren Leben gegriffen"
Spellforce 3: Alles, nur keine Kopien
Nicolas Lietzau, Writer bei Grimlore (Spellforce 3)
Unabhängig vom Medium ist für Spellforce 3-Weiter Nicolas Lietzau Ambivalenz das A und O.
"Interessante Charaktere unabhängig vom Medium haben immer gegensätzliche Qualitäten, die es erschweren zu kategorisieren, wodurch Spieler*innen am Ball bleiben. Geralt of Rivia ist durch die Diskrepanz zwischen seinem zynischen, grausamen Äußeren und seinem liebevollen, uneigennützigen Kern so faszinierend."
Ziel für Grimlore sei es immer, Charaktere in ihren Spielen ausbalanciert und diver zu halten – allerdings nicht im Bezug auf die Art, wie das Wort heute oft verstanden wird.
"Divers ist in diesem Zusammenhang aber nicht mit der zeitgenössischen Bedeutung zu verstehen, sondern eher, dass die Charaktere keine Kopien sein sollen und eine Bandbreite an Personalitäten und Hintergründen abdecken, mit denen Spieler*innen einer Verbundenheit spüren sollen. Balance bedeutet, dass die Eigenschaften der Charaktere sich unterscheiden und dadurch automatisch eine interessante Dynamik schaffen. "
Expeditions Viking: Alles, nur keine Kopien
Jonas Wæver, Creative Director bei Logic Artists (Expeditions: Viking)
Welche Rolle ein Charakter in einer Geschichte und im Gameplay einnimmt ist laut Creative Director Jonas Wæver das Erste, was man herausfinden müsse.
"Daraus ergeben sich all die anderen Entscheidungen, die den Charakter formen, wie zum Beispiel welches Ziel sie verfolgen, welchen Bezug sie zu anderen Charakteren (vor allem der spielbaren Figur) haben, und wie sehr Spieler*innen den Charakter kennenlernen."
Der erste Schritt bei jeder Charaktererstellung führe laut ihm immer über die Demografie: Geschlecht, Alter, Nationalität und alles andere, was wichtig für das Setting sei. Im zweiten Schritt ginge es dann an die Persönlichkeit und basierend darauf die Hintergrundgeschichte.
"Wichtige Charaktere in Videospielen haben üblicherweise ein Set an Fähigkeiten, das sie aus Sicht des Gameplays definiert – bei Hauptcharakteren ist es sogar noch mehr so. Es ist wichtig, die Charaktere um diese Fähigkeiten herumzubauen, damit sie thematisch konstant bleiben. Damit sie aber nicht zu einem Stereotyp werden, sollten die Gameplay-Fähigkeiten die Figur nicht zu 100 Prozent bestimmen."
Für NPCs wie Charaktere für Nebenquests sei es noch wichtiger, immer einen Twist einzubauen, damit sie nicht einfach nur durch ihren Sinn für Spieler*innen definiert würden. Selbst die kleinsten NPCs sollten erinnerungswürdig sein.
"Meine liebste Aufgabe beim Schreiben für Videospiele ist es, NPCs mit möglichst wenig Auftritten so erinnerungswürdig wie möglich zu machen."
Einige der Antworten wurden aus Platzgründen gekürzt. Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieses Artikels erreichen uns weiter Antworten, die wir nach und nach ergänzen werden.
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