Ich würde behaupten, dass mich so leicht kein Horrorspiel abschrecken kann. Als eingefleischter Genrefan habe ich schließlich schon das groteske, neblige Silent Hill erkundet und mich in The Evil Within den Monstern im Kopf eines Psychopathen gestellt. Ich bin von einem blutrünstigen, nackten Typen in Outlast und von einer vermoderten Geisterfrau in P.T. verfolgt worden.
Bei all diesen Horrortrips hatte ich nie das Gefühl, dass mir das Grauen zu viel wird und ich ein Spiel lieber abbrechen sollte. Bei Bramble: The Mountain King war ich dagegen zum ersten Mal versucht, den Controller für immer zur Seite zu legen – weil der Titel einfach viel zu knuffig anfängt und ich nicht wollte, dass er mir das Herz bricht!
Bramble kombiniert Little Nightmares mit Folklore
Bramble hat mich sofort an die Little Nightmares-Reihe denken lassen. Schließlich schlüpfe ich auch in diesen Titeln in die Rolle von Kindern, die sich durch ein fieses, unheimliches Setting schlagen. Auch die Spielmechaniken sind vergleichbar: Ich hüpfe über Hindernisse und löse eher seichte Umgebungsrätsel, um weiterzukommen, muss mal davonrennen, mal ekelhaften Endgegnern die Stirn bieten.
Im Gegensatz zu Little Nightmares bedient sich Bramble allerdings bei düsteren schwedischen Mythen und macht mich mit Figuren wie Näcken bekannt. Das ist eine männliche Nixe, die Kinder mit ihrem hypnotisierenden Geigenspiel ins Wasser lockt und ertränkt.
Ihr merkt vielleicht schon: Bramble mag auf den ersten Blick malerisch aussehen, ist aber ganz schön brutal. Näcken ist da nicht das Übelste, das euch erwartet und die Menschen können genauso grausam sein wie Monster. Das macht bereits eine Einblendung deutlich, die uns am Spielanfang unter anderem vor Kindermord, Misshandlung von Minderjährigen und Themen wie Selbstmord warnt. Und ihr könnt euch gewiss sein: Die steht da zu recht.
Bramble startet mit einem Zuckerschock
Den Kontrast zwischen kindlichen Motiven und Düsterem finde ich extrem reizvoll. Albträume nachts im Kinderzimmer zwischen Puppen und Teddybären und die Furcht vor dem Monster unter dem Bett gehören zu den klassischen Urängsten, die wir alle kennen.
Bisher war Little Nightmares die Reihe, die dieses kribbelnde Gefühl für mich am besten eingefangen hat. Anders als in Bramble machen diese Titel aber von Anfang an unmissverständlich klar, dass sie bitterböse sind. Six wacht in Teil 1 im Bauch eines düsteren Schiffes auf und klettert durch klamme Lüftungsschächte. Die Fortsetzung beginnt für Mono nicht weniger bedrohlich, in einem Wald mit Fallen, Käfigen und zurückgelassenen Schuhen.
Auch Bramble schickt uns ins Unterholz, wirkt jedoch anfangs erst mal (neben ein paar eingestreuten unheimlichen Andeutungen) harmonisch verträumt – und genau das ist so gemein. Ich finde den Stil dieses Spiels nämlich so hübsch und ansprechend, dass ich gut damit hätte leben können, wenn es bei einem süßen Cozy Game geblieben wäre – obwohl ich normalerweise immer für düstere Twists zu haben bin.
Das schwedische Spiel hat etwas zutiefst Herzerwärmendes mit seinen sonnigen, moosbewachsenen Lichtungen, den tanzenden Tannenzapfen und freundlichen Steingiganten, alles begleitet von klassischen Klängen. Ich spiele den ziemlich klein geratenen Jungen Olle, der seiner Schwester Lillemor in den Wald folgt, obwohl die Mutter ausdrücklich davor gewarnt hat.
Ganz im Gegensatz zu der düsteren Geschichte, die sie den Kindern erzählt hat, stolpern die beiden aber zunächst in ein knuffiges kleines Gnom-Dorf. Olle und Lillemor spielen Verstecken mit den fröhlich quiekenden Winzlingen – und erkunden ihr Dorf, in dem sie einen Igel als Nutztier halten! Einen Igel, Leute!
Ich kann es nicht lassen - und das ist gut so!
Entwicklerteam Dimfrost fährt hier sicher absichtlich die volle Niedlichkeits-Offensive. Aber ich hatte in dem Moment bereits den Warnungstext im Kopf und dachte einfach nur: “Nein! Ich weiß, was ihr vorhabt!” Ich habe ernsthaft überlegt, das Spiel wegzulegen, damit die netten Waldbewohner*innen nicht aus ihrem harmonischen Leben gerissen werden.
Letztendlich haben dann aber doch die Neugierde und meine Liebe zum Horror gesiegt. Das Spiel hat mir bis zu dieser Stelle einfach viel zu gut gefallen, um mich davon zu lösen. Dank einer Demo kannte ich außerdem bereits eine Stelle im späteren Spielverlauf, die ich richtig vielversprechend fand.
Na ja - und was soll ich sagen: Natürlich hat Bramble mir das Herz rausgerissen, ganz so, wie ich es erwartet hatte. Habe ich es also bereut, weiterzuspielen? Definitiv nein! Das Spiel wird im weiteren Verlauf richtig düster und böse, hält dabei aber auch die hohe Qualität des Anfangs.
Ab dem Punkt, an dem der Horroraspekt mit voller Wucht durchkommt, konnte ich auch den Gruselfaktor wieder voll genießen. Außerdem schafft es der Titel mit dem Zusammenspiel von orchestralen Klängen und riesigen, fantasievollen Bossgegnern oder eindrucksvollen Märchen-Szenen, richtig episch zu werden.
Bramble ist für mich ein Genre-Titel, den ich definitiv nicht so schnell vergessen werde. Und deswegen kann ich ihn auch euch wirklich empfehlen, zumindest dann, wenn ihr euch mal vier bis fünf Stunden in ein intensives Wechselbad der Gefühle stürzen wollt. Allerdings solltet ihr keine Probleme mit verstörenden Inhalten, Gewalt (auch gegen Kleinkinder) und menschlichen Tragödien haben.
Hattet ihr Bramble: The Mountain King schon auf dem Schirm und nehmt ihr euch das Spiel jetzt vor? Oder klingt das für euch eher abschreckend?
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